Deutsche Bank-Chef tritt an Braver Applaus für Jain
13.06.2012, 07:58 Uhr
Große Geste, rosiger Hintergrund. Dennoch hat Anshu Jain sein Publikum noch nicht ganz im Griff.
(Foto: REUTERS)
Konservatives Publikum, Berlin statt Frankfurt und ein Spickzettel auf Deutsch: Bei seiner Antrittsrede überlässt der neue Co-Chef der Deutschen Bank, Anshu Jain, nichts dem Zufall. Der Funke springt dennoch nicht recht rüber.
Die Bühne für die Antrittsrede in der Bundeshauptstadt ist sorgsam gewählt: Der neue Co-Chef der Deutschen Bank, Anshu Jain, suchte sich für seinen ersten öffentlichen Auftritt in Berlin ein ebenso konservatives wie wirtschaftsaffines Publikum - den Unternehmerflügel der CDU. Der Wirtschaftsrat nennt sich selbst gar die "Stimme der Sozialen Marktwirtschaft". Braver Applaus begleitet die Rede vor dem Forum mit mehr als 2000 Teilnehmern im Berliner Nobelhotel Interconti und damit weit weg vom Frankfurter Bankenviertel, wo sich das größte Finanzinstitut im Mai vorsorglich hinter einem Bauzaun vor Protesten der bankenkritischen Occupy-Bewegung verschanzt hatte.
Peinliche Zwischenrufe musste der gebürtige Inder also nicht befürchten. Heikel war die Mission dennoch, denn der in Berlin kaum vernetzte ehemalige Investmentbanker ist das glatte politische Parkett nicht gewohnt und sein Deutsch "ausbaufähig", wie Kritiker sticheln. Der Bankenchef mit der leuchtend lachsfarbenen Krawatte umschifft diese Klippe jedoch ebenso elegant wie charmant: "Wie Sie merken, arbeite ich noch an der deutschen Sprache und muss diese Zeilen ablesen. Ihr Englisch ist besser als mein Deutsch ... also erlauben Sie mir bitte, jetzt ins Englische zu wechseln."
Jain schlägt sogleich einen großen Bogen, wie es ihm Gastgeber Kurt Lauk vom Wirtschaftsrat aufgetragen hat: von der Immobilienkrise in den USA über die Rolle der asiatischen Märkte bis zu zum Brandherd Griechenland. "Europa steht am Scheideweg", mahnt Jain in seiner neuen Rolle als Bankenchef. Als Investmentbanker hatte er lange Zeit den Ruf eines "Regenmachers" in der Deutschen Bank, der für sprudelnde Gewinne sorgte. Doch in der eskalierenden Schuldenkrise stockte das Geschäft. Von seinem Vorgänger Josef Ackermann musste er sich vorhalten lassen, dass sein Geschäftsbereich "nicht geliefert habe". Dennoch tritt Jain nicht nach und würdigt Ackermann artig, unter dessen Führung sich der deutsche Branchenführer mit eigener Kraft durch die Bankenkrise manövrierte: "Einige Banken waren auf Hilfe durch den Staat angewiesen. Die Deutsche Bank, das sei in aller Bescheidenheit gesagt, gehörte nicht dazu", betont Jain.
Zugleich streichelt der Top-Banker die Seele des rund 12.000 Mitglieder zählenden Wirtschaftsrats: Er lobt den deutschen Mittelstand über den grünen Klee und vergisst auch nicht, das deutsche Wirtschaftswunder zu erwähnen: "Selbst in angespannten Zeiten hat sich das Modell der sozialen Marktwirtschaft bewährt. In der Folge hat Deutschland nun eine stärkere Führungsrolle und mehr Einfluss als je zuvor. Alle Augen sind auf Deutschland gerichtet." Jain schließt die Rede mit einem Lob für den Finanzminister Wolfgang Schäuble - auf Deutsch: "Es war mir eine Ehre, vom selben Podium wie Sie sprechen zu dürfen."
Quelle: ntv.de, Reinhard Becker, rts