Wirtschaft

Araber übernehmen das KommandoDas steckt hinter dem historischen Covestro-Deal

22.11.2025, 16:00 Uhr DSCF1383-2Jan Gänger
Katherina-Reiche-CDU-Bundesministerin-fuer-Wirtschaft-und-Energie-reist-in-die-VAE-und-nach-Katar-Hier-mit-dem-Minister-fuer-Industrie-und-Hochtechnologie-CEO-ADNOC-sowie-Deutschlandbeauftragter-Dr-Sultan-Al-Jaber-Abu-Dhabi-17-11-2025
Wirtschaftsministerin Katherina Reiche und Adnoc-Chef Sultan Al Jaber, der auch Minister für Industrie und Hochtechnologie ist. (Foto: picture alliance / BMWE/photothek.de)

Adnoc aus den Vereinigten Arabischen Emiraten wird den Leverkusener Chemiekonzern Covestro kaufen. Durch den Milliarden-Deal übernimmt ein arabischer Staatskonzern erstmals vollständig ein westeuropäisches Unternehmen.

Es ist die bisher größte Übernahme eines deutschen Unternehmens durch Investoren vom Persischen Golf: Adnoc darf den Kunststoffhersteller Covestro schlucken. Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche verkündete auf ihrer Reise in die Vereinigten Arabischen Emirate, dass die Bundesregierung keine Bedenken angesichts der knapp 12 Milliarden Euro schweren Deals habe. Nun warte man auf die beiden Partner, die ihre finale Unterschrift sicherlich in den nächsten Tagen geben werden. Adnoc steht für Abu Dhabi National Oil Company. Der Konzern ist der staatliche Öl- und Gasproduzent der Emirate.

Covestro war 2015 aus der ehemaligen Kunststoffsparte des Bayer-Konzerns hervorgegangen und zählt zu den weltweit führenden Kunststoffherstellern. Das Unternehmen produziert an 46 Standorten weltweit und beschäftigt rund 17.500 Menschen., darunter 7000 in Deutschland. Covestro stellt unter anderem Produkte her, die in Schaumstoffen, Lacken, Klebstoffen, Folien und Dichtstoffen verwendet werden. Zu den wichtigsten Abnehmerbranchen gehören die Automobilindustrie, die Bauwirtschaft, die Elektro- und die Haushaltsgeräteindustrie sowie die Möbel- und Sportartikelbranche.

Der Name Covestro ist wie Adnoc ein Kunstwort - es wurde von Bayer im Rahmen der Abspaltung erfunden. Covestro setzt sich aus "Collaboration" (englisch: Zusammenarbeit), "Invest" (englisch: investieren) und "Strong" (englisch: stark) zusammen. Bayer trennte sich von der Sparte, um sich auf die beiden Geschäftsbereiche Gesundheit und Agrar zu konzentrieren.

Covestro ging 2015 an die Börse und stieg in den Dax auf. Ende des vergangenen Jahres verließ das Unternehmen den Leitindex, nachdem sich Adnoc nach langen Gesprächen mit dem Management der ehemaligen Bayer-Tochter auf einen Übernahmevertrag geeinigt und sich danach mehr als 90 Prozent der Anteile gesichert hatte. Bevor die Übernahme vollzogen werden konnte, musste allerdings zunächst die EU-Kommission zustimmen.

Reiche gibt grünes Licht

Dieser Prozess zog sich viele Monate hin. Erst Anfang November erteilte Brüssel die Genehmigung unter Auflagen - nach Zugeständnissen von Adnoc. Die Behörde hatte Bedenken, da die Regierung der Emirate unbegrenzt für den Staatskonzern bürgte - auch im Falle einer Insolvenz.

Die Untersuchung stützte sich auf eine EU-Verordnung über ausländische Subventionen, die unlautere staatliche Unterstützung aus Drittstaaten verhindern soll. Sie soll verhindern, dass Unternehmen, die in der Heimat kräftig subventioniert werden, in der EU dadurch unfaire Vorteile gegenüber der Konkurrenz bekommen.

Doch Adnoc habe zugesagt, die unbegrenzte staatliche Garantie aus der Satzung zu streichen, so die Kommission. Außerdem sicherte der Konzern aus Abu Dhabi zu, das geistige Eigentum von Covestro in Europa zu belassen. Zudem sollen Patente von Covestro im Bereich der Nachhaltigkeit mit anderen Marktteilnehmern geteilt werden. Ihre Zustimmung sei "an die vollständige Einhaltung der von den Parteien angebotenen Verpflichtungen geknüpft", erklärte die Kommission.

Mit der Zustimmung des Bundeswirtschaftsministeriums ist jetzt die letzte Hürde für die Übernahme gefallen. Das Ministerium hatte geprüft, ob es Sicherheitsbedenken gegen den Deal gibt.

Adnoc kann jetzt mit der Integration von Covestro beginnen. Für Adnoc ist es der bisher größte Zukauf und zugleich eine der größten ausländischen Übernahmen eines EU-Unternehmens durch einen Golfstaat. Covestro soll in den internationalen Investmentarm von Adnoc, XRG, eingegliedert werden. Dort bündelt der Staatskonzern ihre Geschäfte abseits von Öl und Gas - vor allem Chemie und erneuerbare Energien. In der Investmentgesellschaft liegt auch der 24,9-prozentige Anteil am österreichischen Energieunternehmen OMV.

Zentrale bleibt in Lerverkusen

Adnoc hatte XRG Anfang des Jahres gegründet. Die Gesellschaft, die mit über 80 Milliarden Dollar bewertet wird, soll verstärkt in klimafreundlichere Energie und Chemie investieren und im globalen Chemiegeschäft zu den fünf größten Anbietern aufsteigen. Der Wert von XRG soll sich in den kommenden zehn Jahren mehr als verdoppeln.

Das Emirat hat zugesichert, dass die Zentrale von Covestro in Leverkusen bleibt. Das Unternehmen soll weiterhin eine Aktiengesellschaft nach deutschem Recht sein, also mit Gewerkschaftsvertretern im Aufsichtsrat. Von der Börse nehmen kann Adnoc Covestro dennoch.

Das operative Geschäft soll weiter aus Leverkusen gesteuert werden. Es werde kein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag mit Covestro abgeschlossen, kündigten die Emiratis an. Außerdem sollen dem Unternehmen 1,2 Milliarden Euro für Investitionen zur Verfügung gestellt werden. Covestro-Chef Markus Steilemann bleibt im Amt - er ist auch Präsident des deutschen Verbands der Chemischen Industrie.

Deutschlands Chemiesektor befindet sich derzeit in der Krise. Schwache Nachfrage und hohe Energiekosten haben dazu geführt, dass die Hersteller ihre Produktion in Deutschland zurückgefahren haben.

Covestro bekam im dritten Quartal den starken Wettbewerbs- und Preisdruck zu spüren. Der Umsatz sank um zwölf Prozent auf 3,2 Milliarden Euro. Unter dem Strich verbuchte das Unternehmen ein Minus von 47 Millionen Euro - nach einem Gewinn von 33 Millionen ein Jahr zuvor.

Quelle: ntv.de, mit rts/AFP

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