Nur halben Tag krank? Gewerkschaften finden Teilzeit-Atteste "schlicht absurd"
31.10.2024, 07:31 Uhr Artikel anhören
Nach dem Vorbild Skandinavien bringt Ärztepräsident Reinhardt Krankschreibungen für einige Stunden am Tag ins Spiel. Der DGB zeigt sich empört. Damit steige das Risiko, länger und schlimmer krank zu werden.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) lehnt Überlegungen zu Teilzeit-Krankschreibungen für einige Stunden am Tag ab. Die Idee sei "schlicht absurd", sagte Vorstandsmitglied Anja Piel. "Wer krank und arbeitsunfähig ist, soll sich vollständig auskurieren. Ansonsten steigt das Risiko, länger und ernsthafter zu erkranken." Schon heute gingen viel zu viele krank zur Arbeit oder arbeiteten krank im Homeoffice. "Sie gefährden damit sich und andere und setzen auf Dauer ihre Gesundheit und Erwerbsfähigkeit aufs Spiel."
Ärztepräsident Klaus Reinhardt hatte sich angesichts des Wandels der Arbeitswelt und der Digitalisierung offen für "eine praktikable Form von Teilzeit-Krankschreibung für einige Stunden täglich" gezeigt. Dies könnte den neuen Möglichkeiten Rechnung tragen und für mehr Flexibilität sorgen, sagte der Chef der Bundesärztekammer den Zeitungen der Funke Mediengruppe. So solle etwa bei Bagatell-Infekten der direkte Kontakt mit Kollegen im Büro vermieden werden. "In solchen Fällen bietet das Arbeiten im Homeoffice aber unter Umständen die Möglichkeit, im begrenzten Umfang berufliche Aufgaben wahrzunehmen und sich dennoch zu erholen."
DGB-Vorständin Piel mahnte, auch der demografische Faktor müsse bedacht sein. "Älter werdende Belegschaften mit mehr Beschäftigten, die später in Rente gehen, haben im Vergleich zu jüngeren Belegschaften absehbar längere Krankheitszeiten." Die richtige Antwort darauf seien mehr betriebliche Gesundheitsvorsorge, altersgerechte Arbeitsplätze und gute Reha-Maßnahmen, damit Krankheiten sich nicht weiter verschlechterten oder gar chronisch würden. "Kluge Arbeitgeber haben das längst begriffen und die Weichen dafür gestellt." Ärztepräsident Reinhardt hatte gesagt, die "ungefährdete Genesung" stehe an erster Stelle.
In Skandinavien wird das Modell der Teilzeit-Krankschreibung bereits praktiziert. Seit der Einführung sind die Krankentage in den nordischen Ländern teils deutlich zurückgegangen. Allerdings bekommen Arbeitnehmer etwa in Schweden ab dem zweiten Tag nur 80 Prozent ihres Lohns bei Krankheit bezahlt, weshalb sie die Regelung zur Aufbesserung ihrer finanziellen Situation nutzen. Der Vergleich ist deshalb nur bedingt auf die Situation hierzulande übertragbar, wo es die hundertprozentige Lohnfortzahlung für sechs volle Wochen standardisiert gibt.
Quelle: ntv.de, chl/dpa