Aus für Europa-Werk in Tilburg Ist das Tesla-Werk in Grünheide in Gefahr?
25.03.2021, 19:48 Uhr
Das Tesla-Werk im niederländischen Tilburg bei der Eröffnung 2015.
(Foto: picture alliance / Scanpix Denmark)
Elon Musk zieht seiner Produktionsstätte in den Niederlanden den Stecker. Die Endmontage rentiert nicht mehr. Was bedeutet das für das Werk im brandenburgischen Grünheide? Unmittelbar dürfte der Standort profitieren, sagt Autoexperte Dudenhöffer ntv.de. Probleme git es trotzdem reichlich.
Tesla wird seine Europa-Fabrik im niederländischen Tilburg "sehr kurzfristig" schließen. Das berichtet das Portal Nu.nl unter Berufung auf Insider. Die Endmontage lohne sich finanziell nicht mehr, lautet die Begründung. Das Personal in der Fabrik sei vergangenen Donnerstag informiert worden. Insgesamt arbeiten hier 540 Menschen. Das Werk war erst 2015 eröffnet worden. Könnte so ein schnelles Aus auch dem deutschen Werk im brandenburgischen Grünheide blühen?
Vier Jahre sind eine kurze Lebenszeit für eine Produktionsstätte für Autos. Das stimmt skeptisch. Auch in Grünheide zeichnet sich ab, dass das Werk sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht einfach rechnen wird. Hohe staatliche Subventionen bei der Batterieproduktion wären daher willkommen. Die gewünschten Kapazitäten, für die das Werk ausgelegt ist, wird Tesla nur schwer in der nächsten Zeit am Markt unterbringen können. So viel ist schon heute klar. Die Konkurrenz sitzt Tesla mit alternativen E-Modellen im Nacken. Schon jetzt sind die Gewinnmargen deutlich kleiner als bei den Wettbewerbern. Das lässt zumindest aufhorchen.
Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Institut der Uni Duisburg-Essen sieht ein Schicksal wie in Tilburg trotzdem nicht für das neue Werk Grünheide kommen. Vermutlich werde das Werk in Brandenburg unmittelbar sogar profitieren, sagt der Autoexperte ntv.de. Dass das niederländische Europawerk nur eine Übergangslösung gewesen sei, um den europäischen Markt zu testen, sei von Anfang an klar gewesen. "Vor zwei bis drei Jahren konnte man den Markt noch gar nicht einschätzen", so Dudenhöffer. Ein reines Montagewerk umzuziehen - zum Beispiel nach Grünheide - sei nicht schwer. Wahrscheinlich passiere das jetzt auch gerade, so Dudenhöffer weiter.
Für die Modelle S und X gibt es kaum noch Käufer
In Tilburg wurden in den vergangene Jahren die hohlen Karosserien der Modelle Typ S und Typ X mit Elektromotoren und Batterien ausgestattet. Nach einem Facelift der Modelle habe sich die Technik geändert, sodass sich die Montage nun nicht mehr lohne, heißt es aus den Niederlanden. Bislang hatte Tesla dort von einem Steuertrick profitiert. Dadurch, dass leere Karosserien in die Hallen kamen, sparte sich der Elektroautopionier die Kfz-Einfuhrsteuer sowie die Transportkosten für "potenziell gefährliches Gut". Diese Rechnung geht nun offenbar nicht mehr auf, die Kosten für die nachträgliche Montage übersteigen die Ersparnis bei Transport- und Einfuhrkosten. Schwergefallen sein dürfte die Entscheidung für die Werksschließung auch aus einem anderen Grund nicht: Für die Modelle S und X gibt es ohnehin kaum noch Käufer.
Das Problem ist, dass Tesla nicht nur ein spezielles, sondern auch ein grundsätzliches Kostenproblem hat. Und das wirft auch einen Schatten auf die Produktion in Grünheide: Die Gewinnmargen der Tesla-Modelle sind im Vergleich zu den Wettbewerbern gering, wie aus einer kürzlich veröffentlichten Studie des CAR-Instituts hervorgeht. Ohne den Gewinn aus CO2-Zertifikaten machte Tesla im vierten Quartal 2020 nur einen Gewinn um die 1000 US-Dollar pro Fahrzeug. Ein traditioneller Autobauer wie Mercedes verdiente im Vergleich - trotz hoher Transformationskosten wegen der E-Mobilitätswende - vor Steuern 5000 Euro pro Fahrzeug.
In Grünheide sollen zwar ab Sommer die gefragteren Modelle Model 3 und Tesla Y vom Band rollen, aber Tesla könnte laut Dudenhöffer in der Wachstumsfalle stecken. Die gewünschten Kapazitäten von 500.000 Teslas, die in der ersten Ausbaustufe in Grünheide pro Jahr gebaut werden sollen, wird Musk nach jetzigem Stand nur schwer im Markt platzieren können. Im gesamten vergangenen Jahr lieferte Tesla insgesamt nur knapp 500.000 Autos aus, das entspricht einer Kapazitätsauslastung der heutigen Tesla-Werke von lediglich 50 Prozent. Es sei eine Situation, "mit der man im Autogeschäft mehr als nur graue Haare bekommt", fasste es der Autoexperte zusammen. Eine Auslastung von unter 85 Prozent sei mit deutlichen Verlusten verbunden. Damit Tesla sein Produktionsziel von einer Million noch erreichen kann, muss sich laut der Studie der Weltmarkt für vollelektrische Fahrzeuge im Jahr 2021 verdoppeln. Gleichzeitig müsste Tesla seine Marktanteile mindestens stabil halten.
Konkurrenz macht erfolgreich Jagd auf Tesla
Abzusehen ist das nicht. Teslas Problem ist, dass die Konkurrenz aufgeholt hat. Nicht nur neue E-Autobauer, sondern auch traditionelle Autokonzerne haben erfolgreich die Verfolgungsjagd aufgenommen und sitzen Tesla mittlerweile dicht im Nacken. Tesla rangierte mit seinem Model 3 bei den verkauften Elektroautos im vergangenen Jahr in Deutschland nur auf Platz 3 (mit 15.202 verkauften Autos). Platz 1 und 2 eroberten der Renault Zeo (30.376) und der VW e-Golf (17.438). Fabriken zusammenzulegen, scheint insofern für Tesla aus finanziellen wie aus Auslastungsgründen sinnvoll. Je mehr Arbeit es für das Werk in Grünheide gibt, umso besser.
Dafür muss die Baustelle nun allerdings auch fertig werden. Noch immer kämpft das Werk mit vielen Problemen: Die endgültige Baugenehmigung lässt weiter auf sich warten. Alle Genehmigungen erfolgen kleckerweise. Hartnäckig und teilweise sehr emotional werden auch die Auswirkungen auf die Wasserversorgung, Tier- und Pflanzenwelt, Lärmbelästigung und vieles weitere diskutiert. Nicht zuletzt sucht Musk immer noch geeignetes Personal - und hier vor allem Führungskräfte. Ist hier eine Lösung in Sicht, in dem Sinne, dass Grünheide vieleicht auch von den Arbeitskräften profitiert, die in Tilburg nicht mehr gebraucht werden? Dudenhöffer glaubt nicht, dass Grünheide hier zum Zuge kommen wird. Ein Umzug für die Arbeitskräfte in den Niederlanden nach Deutschland sei wenig attraktiv, dafür sei die Bezahlung in Deutschland zu schlecht.
Quelle: ntv.de