Sorgfalt bei nächster Warnstufe Netzagentur warnt vor "Marktkräften" bei Gas-Notfall
21.06.2022, 11:01 Uhr Artikel anhören
Die Netzagentur nannte die Lage zur Gasversorgung zuletzt "angespannt".
(Foto: IMAGO/Sven Simon)
Aktuell befindet sich Deutschland angesichts der Gasversorgung in der Frühwarnstufe. Bei einer höheren Warnstufe könnte die Bundesregierung politisch eingreifen. Die Bundesnetzagentur rät davon ab, denn davon wären Industrieanlagen, Wertschöpfungsketten und Arbeitsplätze betroffen.
Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, sieht derzeit keinen Anlass zum Ausrufen der Gas-Notfallstufe. "Ich werbe sehr dafür, sorgfältig zu prüfen, wann der richtige Zeitpunkt für die höchste Alarmstufe ist, weil das Marktkräfte freisetzen würde", sagte der Behördenchef im Bayerischen Rundfunk. Ihn drängele "nichts danach".
Die Bundesregierung hatte im März wegen der Versorgungskrise angesichts des Ukraine-Kriegs die Frühwarnstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Das bedeutet, dass die Regierung unter Leitung des Wirtschaftsministeriums die Lage am Gasmarkt genau beobachtet. Ein Krisenteam aus Behörden, Energieversorgern, Fernleitungsnetzbetreibern und Vertretern der Bundesländer tritt regelmäßig zusammen und berät die Regierung. Gasversorger und Netzbetreiber liefern der Bundesregierung regelmäßige Lageeinschätzungen.
In dem Notfallplan - er beruht auf einer europäischen Verordnung von 2017 - folgen die Alarmstufe und die Notfallstufe. Bisher war in Deutschland noch nie Gebrauch von dem Notfallplan gemacht worden.
Netzagentur rät zu "milderen Maßnahmen"
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger hatte am Montagabend die Bundesregierung angesichts der "sehr ernsten" Lage in der Gasversorgung aufgefordert, die Notfallstufe auszurufen. "Das würde der Bundesregierung deutlich mehr Möglichkeiten geben, politisch in die kritische Versorgungslage einzugreifen", argumentierte er.
Netzagentur-Chef Müller lehnte das ab. Das wäre eine "harte Entscheidung" und hätte "Auswirkungen auf Arbeitsplätze, Wertschöpfungsketten und Industrieanlagen". Er werbe vielmehr dafür, erstmal noch "mildere Maßnahmen" zu nutzen.
Sollte die Notfallstufe ausgerufen werden, müsste die Bundesnetzagentur bestimmen, wer noch Gas bekommt. Haushalte gehören dann weiterhin zu den geschützten Kunden. Zu den sogenannten geschützten Kunden würden auch Feuerwehr, Krankenhäuser, Polizei, Schulen, Kitas, Gefängnisse und die Bundeswehr zählen. Ebenfalls geschützt seien alle Gewerbebetriebe mit bis zu 1,5 Millionen Kilowattstunden Gasverbrauch im Jahr, darunter Bäckereien oder Supermärkte. Hingegen müssten sich Freizeiteinrichtungen als Erstes auf Abschaltungen einstellen, zum Beispiel Schwimm- und Spaßbäder.
Die Lage hält auch die Netzagentur derzeit für angespannt - besonders mit Blick auf den kommenden Winter, wenn die Speicher voll sein müssen. Zur Abfederung der Versorgungsprobleme wird derzeit der Einsatz von Kohle als Ersatz für Gas diskutiert.
Quelle: ntv.de, mba/AFP