Wirtschaft

Menschen halten Geld zusammen "Angst-Sparen" senkt die Verschuldung der Verbraucher

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Knapp 8,1 Prozent der Deutschen sind überschuldet. Ihr Anteil ist gesunken.

Knapp 8,1 Prozent der Deutschen sind überschuldet. Ihr Anteil ist gesunken.

(Foto: picture alliance/dpa)

Nie in den vergangenen beiden Jahrzehnten waren weniger Menschen überschuldet. Die erfreuliche Entwicklung hat jedoch einen ernsten Grund: Angesichts der zahlreichen Krisen halten Verbraucher ihr Geld zusammen.

Die Verschuldung in Deutschland ist leicht gesunken. Doch nach Ansicht von Experten hat dies einen ernsten Hintergrund. "Die deutschen Verbraucher sind verunsichert und haben Angst vor der Zukunft. Deshalb halten sie ihr Geld zusammen", sagt der Leiter der Creditreform-Wirtschaftsforschung, Patrik-Ludwig Hantzsch. Er spricht sogar von "Angst-Sparen".

Die Zahl der überschuldeten Menschen in Deutschland ist in diesem Jahr um 94.000 auf 5,56 Millionen gesunken, wie die Wirtschaftsauskunftei Creditreform bekannt gab. Dies sei der niedrigste Wert seit Beginn der Auswertungen, heißt es im neuen "Schuldneratlas Deutschland 2024". Die Überschuldungsquote, also der Anteil überschuldeter Personen im Verhältnis zu allen Erwachsenen, sei von 8,15 auf 8,09 Prozent gesunken. Als überschuldet gilt, wer seinen finanziellen Verpflichtungen langfristig nicht nachkommen kann.

Der von den Experten im vergangenen Jahr für 2024 vorausgesagte starke Anstieg blieb damit aus. Anschaffungen würden vielfach verschoben, so Hantzsch. Die ausgeprägte Sparneigung führe dazu, dass sich die Überschuldungsfälle verringerten. Ursache dafür seien die anhaltend schwierige wirtschaftliche Lage, die Politik der Bundesregierung, der Krieg in der Ukraine sowie die Wahlen in den USA.

Laut HDE-Konsumbarometer und dem Konsumklimaindex der Nürnberger Forschungsinstitute GfK und NIM hat sich die Stimmung in Deutschland zuletzt zwar etwas verbessert, ist aber weiter schlecht. Die Menschen kaufen nur zurückhaltend ein und sparen mehr. Im ersten Halbjahr 2024 legten sie dem Statistischem Bundesamt zufolge rund elf Prozent ihres verfügbaren Einkommens zurück. Aktuell deutet wenig auf einen Stimmungswechsel hin. Laut einer Umfrage der Unternehmensberatung EY rechnet nur jeder Vierte damit, dass sich seine finanzielle Situation im kommenden Jahr verbessert.

Arbeitslosigkeit wird wieder bedrohlicher

Mit Blick auf 2025 erwartet Hantzsch, dass sich die Situation bei der Überschuldung in Deutschland verschärfen könnte. "Bei vielen Verbrauchern sind Ersparnisse aufgebraucht, sie halten das Geld teils aus Angst zusammen. Gerade für Menschen mit geringem Einkommen führt das irgendwann zu einer finanziellen Überlastung", sagt er.

Creditreform wertet anonymisierte Daten aus amtlichen Registern, von Online-Händlern und anderen Quellen aus. Die Methodik zur Berechnung der Überschuldung wurde im vergangenen Jahr umgestellt. Die Zahl 5,56 Millionen ist daher nicht mit den Daten vor 2023 vergleichbar. In den vergangenen Jahren ist die Überschuldung in Deutschland laut Creditreform zurückgegangen.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung sieht dennoch keinen Anlass zur Entwarnung. "Die Zahl der betroffenen Personen ist immer noch deutlich zu hoch. Wir können den Bedarf nicht bedienen", sagte Geschäftsführerin Ines Moers. Viele Beraterstellen seien unbesetzt. Kommunen und Bundesländer stellten immer weniger Geld zur Verfügung für die Angebote, die betroffenen Menschen helfen sollen.

Laut Creditreform machen vor allem Geringverdienern die hohen Energie- und Lebensmittelpreise zu schaffen. Überdurchschnittlich oft betroffen sind der Studie zufolge auch alleinerziehende Frauen. Dennoch sind Männer insgesamt häufiger überschuldet. Die höchsten Überschuldungsquoten in Deutschland gab es 2024 in Bremerhaven, Pirmasens, Gelsenkirchen, Herne und Neumünster.

Seit diesem Jahr ist nicht mehr Arbeitslosigkeit der häufigste Auslöser für Überschuldung. Die meisten Fälle (18 Prozent) wurden vielmehr durch Erkrankung, Sucht oder Unfall verursacht. Hantzsch prognostiziert jedoch: "Für das laufende und kommende Jahr wird der Verlust von Arbeitsplätzen wieder mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken."

Ratenkredite können zur Schuldenfalle werden

Wenn es darum geht, wie sich Menschen überschulden, spielen weiter Ratenkredite eine große Rolle. Dazu zählen Angebote, bei denen die Rechnung erst später beglichen werden muss. Dies wird immer stärker nachgefragt, wie Daten der Schufa zeigen. Inzwischen ist fast jeder zweite neu aufgenommene Ratenkredit ein Kleinkredit unter 1000 Euro.

Mehr zum Thema

Auch Verbraucherschützer warnen vor den Angeboten. Dies könne dazu verlocken, mehr zu bestellen, als man sich eigentlich leisten kann. "Zinsen können außerdem dafür sorgen, dass Sie deutlich mehr für einen Artikel bezahlen als bei sofortiger Zahlung", schreibt die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen und rät, derartige Angebote nur in Ausnahmefällen zu nutzen.

Abhilfe schaffen soll eine im Oktober 2023 in Kraft getretene EU-Verbraucherkreditrichtlinie, die bis Ende 2025 in nationales Recht umgesetzt werden muss. Die sieht auch bei der Vergabe kleinerer Kredite eine Prüfung vor. Wenn man sich Geld bei der Bank leiht, soll künftig außerdem verständlicher informiert werden, was das kostet.

Quelle: ntv.de, jwu/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen