Ungewisse Zukunft So geht es dem Bitcoin
31.10.2018, 06:45 Uhr
Der zehnte Geburtstag von Bitcoin ist für die Anhänger der Kryptowährung kein Anlass für eine große Party. Der Kurs ist in diesem Jahr schließlich kräftig nach unten gerauscht. Kann sich der Bitcoin neu erfinden?
Vom Überflieger zur Crashwährung: Vom Rekordhoch im Dezember 2017 ist der Bitcoin regelrecht abgestürzt und krachend auf dem Boden der Realität gelandet. Zuvor war er allerdings um mehrere tausend Prozent gestiegen, was viele vom schnellen Geld träumen ließ.
Daran änderten auch die Warnungen vieler Skeptiker nichts. So hatte Nouriel Roubini, als "Doctor Doom" bekannter Wirtschaftsprofessor an der New York University, den Rausch um den Bitcoin als Mutter aller Blasen bezeichnet. Er behielt recht.
Doch der Zustand von Bitcoin lässt sich nicht nur am Kurs festmachen. Als die digitale Währung während der Finanzkrise 2008 aus der Taufe gehoben wurde, sollte sie eine Alternative zu herkömmlichen Währungen werden. Mittlerweile hat sich der Bitcoin tatsächlich zu einem der großen wirtschaftlichen Phänomene unserer Zeit entwickelt.
Fraglich ist jedoch, inwiefern sich die Kryptowährung jemals als alternatives Zahlungsmittel etabliert. Hier gibt es zwar durchaus Ansätze. Ein Beispiel: Angesichts von Hyperinflation nutzen einige Venezolaner Bitcoin als Alternative zum heimischen Bolivar, der rasant an Wert verliert. Selbst der extrem schwankende Bitcoin ist stabiler als die Währung des Krisenlandes.
Als Geld in normal funktionierenden Volkswirtschaften ist Bitcoin aber ungeeignet. Geld hat eine soziale Funktion. Es soll ermöglichen, dass damit jederzeit alle Güter gekauft und verkauft werden können. Und deshalb ist Bitcoin schon allein wegen der heftigen Schwankungen als Zahlungsmittel fürchterlich unpraktisch. Denn niemand weiß, ob ein Gut in einer Woche 100, 1000 oder 10 Bitcoin wert ist. Die Kryptowährung ist vor allem ein Spekulationsobjekt.
"Bitcoin kennt jeder"
Im Gegensatz zu den offiziellen Währungen wie Euro und Dollar steht hinter den Bitcoins keine Zentralbank. Vielmehr werden sie an leistungsstarken Rechnern produziert, sie können gestückelt werden. Ihre Menge ist begrenzt, irgendwann soll es höchstens 21 Millionen Bitcoins geben. Im Prinzip sind Bitcoins Goldkörner, die mit einer Seriennummer versehen sind. An bestimmten Börsen können sie in reales Geld getauscht werden
Hinter der digitalen Währung steht die komplexe Blockchain-Technologie. Ihr wird zugetraut, herkömmliche Verfahren zur Absicherung des Zahlungsverkehrs abzulösen. Das heißt: Sie funktioniert wie ein virtuelles Kassenbuch, über das sich Geschäfte direkt zwischen den Parteien durchführen lassen. Einen Abwickler für die Geschäfte - wie etwa eine Börse - braucht es nicht mehr.
Das Prinzip einer Blockchain ist, dass verschlüsselte Daten über alle Transaktionen auf mehreren Rechnern gespeichert werden. Dabei werden neue Informationen wie weitere Blöcke in chronologischer Reihenfolge an die Kette vorheriger Daten angehängt - daher auch der Name (etwa: Blockkette).
Der technischen Basis hinter dem Bitcoin, der Blockchain-Idee, wird dagegen durchaus eine Zukunft zugetraut. Grob beschrieben werden alle Transaktionen nacheinander registriert - versucht jemand, an dieser Kette von Datenblöcken herumzudoktern, fällt das sofort auf, weil es viele Kopien gibt. Eine Verwendung von Blockchain wird von Banken sowie in vielen anderen Industrien von der Musik- bis zu Autobranche geprüft. Dass Ketten-System sei zu aufwendig und langsam, warnen allerdings Kritiker. Befürworter entgegnen, dass die Probleme lösbar und die Sicherheitsvorteile groß seien.
Bitcoin werde so schnell nicht verschwinden, sagt Mati Greenspan, Senior Market Analyst bei der Social-Trading-Plattform Etoro, die neben Bitcoin zahlreiche andere Kryptowährungen zum Handel anbietet: "Bitcoin kennt inzwischen jeder, und die Kryptowährung hat sich seit der Entstehung besser entwickelt als viele geglaubt haben. Neue Bitcoin-Anwendungen entstehen fast täglich".
Der Bitcoin-Einsatz kam nur langsam in Gang und wurde von zahlreichen Rückschlägen begleitet. Die erste Transaktion hat rund 1,5 Jahre nach Gründung auf sich warten lassen. Am 22. Mai 2010 hatte Programmierer Laszlo Hanyecz sich zwei Pizzen für 10.000 Bitcoins bestellt, für die er damit selbst nach dem Kurssturz in diesem Jahr heute mehr 60 Millionen Dollar bezahlt hat.
Zu den ersten, die von den Vorzügen einer weitgehend anonymen Digitalwährung profitieren wollten, gehörten Online-Kriminelle. Auf Untergrund-Marktplätzen wie Silk Road konnten mit Bitcoin unter anderem Drogen oder Waffen bezahlt werden. Später hat etwa die Pleite der japanischen Kryptohandelsplattform Mt. Gox das Vertrauen in den Bitcoin erschüttert.
Regulierer warnen
Vor allem das Aufbewahren stellte sich als Problem heraus, aber hier ist man einen Schritt weiter. Vor wenigen Tagen hat der Handelsplattformbetreiber Coinbase in New York die Erlaubnis bekommen, Depotgeschäfte mit allen dazugehörigen Dienstleistungen für die großen digitalen Währungen zu betreiben - wie bei herkömmlichen Bankgeschäften. "Das ist ein großer Schritt, Kryptowährungen in den Mainstream der Finanzmärkte zu integrieren", meint Greenspan.
Den Anfang dieser Entwicklung hat es im Vorjahr bei der Einführung eines Bitcoin-Futures gegeben, was die Handelsmöglichkeiten dadurch vergrößert hat. Ein weiterer Schritt in diese Richtung wäre die Einführung von Bitcoin-ETFs, also börsengehandelten Indexfonds, wie sie bei anderen Anlagen wie Aktien oder Anleihen längst existieren. ETF-Anbieter machen sich hierfür stark, doch die US-Aufsichtsbehörden haben dieses Verlangen bisher immer abgelehnt.
Regulierer warnen zwar regelmäßig vor Risiken für Verbraucher, die sich in den wechselhaften Bitcoin-Markt trauen. Doch obwohl der Bitcoin in diesem Jahr rund zwei Drittel seines Werts verlor, ist die Goldrausch-Stimmung noch nicht verflogen: Schließlich könnten nach Einschätzung von Experten erst in rund 20 Jahren alle erstellbaren Bitcoin generiert sein.
"Die Technologie steckt noch in den Kinderschuhen und muss zunächst ausreifen, indem sie für zusätzliche Anwendungszwecke weiterentwickelt wird", sagt Christoph Meinel, Direktor des Hasso Plattner Instituts der Universität Potsdam. Das sehen auch andere so: "Blockchain kann revolutionieren, wie alle - Unternehmen, Regierungen, Organisationen, Menschen - zusammenarbeiten", meint die Investmentbank Goldman Sachs. Denn sie biete einen einfachen und sicheren Weg, praktisch jede Art von Transaktion zu verifizieren.
Quelle: ntv.de, mit dpa