"Ins Blaue hinein" abgenickt Ermittler klagen zwei weitere Wirecard-Vorstände an
06.08.2024, 15:29 Uhr Artikel anhören
Der ehemalige Vorstandsvorsitzende Markus Braun bestreitet jegliche Betrugsvorwürfe.
(Foto: picture alliance / SVEN SIMON)
Im Wirecard-Prozess geraten zwei weitere Vorstände in den Fokus der Münchener Staatsanwaltschaft. Die beiden treten bisher gar nicht oder nur als Zeugen auf, um den verschwundenen Marsalek zu belasten. Die Finanzermittler wollen sie jedoch wegen Untreue vor Gericht stellen.
Die Münchner Staatsanwaltschaft hat zwei weitere Vorstände des insolventen Zahlungsabwicklers Wirecard ins Visier genommen und Anklage gegen den ehemaligen Finanzvorstand Alexander von Knoop und die im Vorstand für Produktentwicklung zuständige Susanne Steidl erhoben, wie das Gericht mitteilte. Ermittler werfen den beiden Untreue in mehreren Fällen vor, bei von Knoop auch Beihilfe zur Untreue. Von Knoop und Steidl sollen im Wirecard-Vorstand Kredite und andere Zahlungen an obskure Geschäftspartner "ins Blaue hinein" ohne genauere Prüfung abgenickt haben, obgleich diese teilweise mit den Zinsen im Rückstand waren und die Rückzahlung der Darlehen fraglich war.
"Durch all diese Untreuehandlungen entstand der Wirecard AG ein Schaden von mehreren hundert Millionen Euro", hieß es in der Mitteilung der Staatsanwaltschaft. Ob sich die beiden vor Gericht verantworten müssen, entscheidet die 12. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München. Wirecard hatte sich im Juni 2020 für insolvent erklärt, nachdem sich angebliche Guthaben von über 1,9 Milliarden Euro auf den Philippinen als nicht existent entpuppt hatten. Die Pleite des ehemaligen DAX-Unternehmens ist einer der größten Finanzskandale der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Ex-Vorstandschef Markus Braun, der damalige stellvertretende Finanzchef Stephan von Erffa und der Wirecard-Statthalter in Asien, Oliver Bellenhaus, stehen derzeit wegen Betrugs und Bilanzfälschung in München vor Gericht. Nach Ansicht von Staatsanwaltschaft und Insolvenzverwalter waren die fehlenden Milliarden frei erfunden. Bellenhaus hat die Vorwürfe weitgehend eingeräumt, Braun und von Erffa bestreiten sie.
Steidl und von Knoop geben Marsalek Alleinschuld
Ex-Vorstand Jan Marsalek, der als Verantwortlicher für das Asien-Geschäft im Mittelpunkt der Machenschaften stand, hatte sich nach der Pleite abgesetzt und wird in Russland vermutet. Ende 2023 hatte die Staatsanwaltschaft Anklage gegen von Knoops Vorgänger Burkhard Ley erhoben. Sie wirft ihm unter anderem Bilanzfälschung, Marktmanipulation, Betrug und Untreue vor. Ley bestreitet eine Mitschuld. Bei von Knoop und Steidl geht es nur um Untreue.
Die Anwaltskanzlei, die Steidl vertritt, wollte sich nicht zu der Anklageerhebung äußern. Als Zeugin im Prozess gegen Braun hatte sie Marsalek belastet. Er habe mit der Verschiebung der Gelder auf den angeblichen Treuhandkonten von Singapur auf die Philippinen von Knoop gegen sich aufgebracht. Sie selbst habe in das Drittpartnergeschäft in Asien keinen Einblick gehabt. Von Knoop war nicht für eine Stellungnahme erreichbar. Er ist im Prozess bisher nicht als Zeuge aufgetreten. Vor einem Untersuchungsausschuss des Bundestages hatte er ausgesagt, er habe von kriminellen Machenschaften nichts gewusst. Marsalek sei dafür im Vorstand allein zuständig gewesen.
Quelle: ntv.de, gri/rts