Kunstwelt braucht neue Käufer "99,9 Prozent aller Kunstwerke sind ein schlechtes Investment"
11.06.2024, 18:03 Uhr
"Kunst ist ein Investment in Dich selbst, aber auch in die Karriere des Künstlers und der Galerie", sagt Magnus Resch.
(Foto: picture alliance / Anadolu)
Gute Kunst muss teuer sein und ist ein gutes Investment - mit diesen Mythen möchte Magnus Resch aufräumen und stattdessen einer neuen Generation das Kunstsammeln vermitteln. Denn neue Käufer sind das, was die Kunstwelt am meisten braucht, sagt der Kunst-Unternehmer, -Professor und -Autor im ntv-Podcast "Startup - Jetzt ganz ehrlich". "Der Kunstmarkt befindet sich seit zehn Jahren in der Rezession. Die meisten Kunstwerke werden nicht verkauft. Die Anzahl der Käufer geht jedes Jahr runter." Das schadet nicht nur der Kultur, wie Resch erklärt: "Das durchschnittliche Jahreseinkommen eines Künstlers liegt in Deutschland bei 10.000 Euro, in den USA sind es ungefähr 25.000 US-Dollar. Der Nummer-eins-Abschluss, der in den USA in die Arbeitslosigkeit führt, ist der Master of Fine Arts."

Magnus Resch ist Kunstexperte mit einem Hang zum Polarisieren - und Ahnung: Resch lehrt Kunstmanagement an der Yale University in den USA, hat mehrere Startups zum Thema Kunst gegründet und ist mehrfacher Buchautor. Das neueste Werk heißt: "Smart Kunst Kaufen. Wie man in Kunst investiert, ohne großes Budget."
(Foto: privat)
ntv.de: Warum sollte man Kunst kaufen?
Magnus Resch: Wichtig ist zuallererst, dass man sich von dem Gedanken befreit, Kunst als Investment zu sehen. 99,9 Prozent aller Kunstwerke sind kein gutes Investment. Der Wert wird nicht steigen und wahrscheinlich auch nicht halten. Aber Kunst ist ein Investment in Dich selbst, aber auch in die Karriere des Künstlers und der Galerie. Der Wert von Kunst ist für eine Gesellschaft enorm wichtig. Ohne Kunst wäre alles nur schwarz und weiß.
Das Investment in sich selbst muss man sich aber auch leisten können.
90 Prozent aller Kunstwerke werden weltweit für unter 10.000 US-Dollar verkauft. Dass Kunst teuer ist, ist falsch. Diese Idee wird von den Medien vermittelt, weil nur über Rekorderlöse von bestimmten Kunstwerken berichtet wird. Das sind die Storys, die Leute lesen wollen, aber die absolute Ausnahme. Ich kaufe regelmäßig gute Kunst für weniger als 1000 Euro von Künstlern, die ich auf Instagram finde oder in sehr jungen Galerien.
Warum hat der Kunstmarkt denn dieses mysteriöse und exklusive Image?
Der Verkauf von Kunst basiert immer noch auf alten Marketing-Strategien: Exklusivität, Velvet Rope, VIP-Zugang, möglichst wenig Transparenz. Das funktioniert nicht mehr. Unsere Generation ist es gewohnt, alle Informationen sofort frei verfügbar zu haben. Nach dem Preis zu fragen und schwammige Antworten zu bekommen, ist nicht mehr zeitgemäß. Die Konsequenzen sind dramatisch: Die meisten Kunstwerke werden nicht verkauft. Die Anzahl der Käufer geht jedes Jahr runter. Der Kunstmarkt ist seit zehn Jahren in der Rezession. Man muss sich vor Augen führen: In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Anzahl der Millionäre verdoppelt. Die Anzahl der Kunstkäufer hat sich gleichzeitig verringert, der Gesamtumsatz stagniert. Ein paar wenige Hardcore-Sammler halten den Markt am Laufen, nur 20 Künstler machen über 50 Prozent des Gesamtmarktes aus.
Lohnt es sich dann überhaupt, Künstler zu werden?
Der Nummer-eins-Abschluss, der in den USA in die Arbeitslosigkeit führt, ist der Master of Fine Arts. Das durchschnittliche Jahreseinkommen eines Künstlers liegt in Deutschland bei 10.000 Euro, in den USA sind es ungefähr 25.000 US-Dollar. Es ist extrem schwer, Künstler zu sein. Auch Galerien überleben nicht lange. Das tut verdammt weh, denn Künstler und Galeristen arbeiten hart, um Kunst zu zeigen. Sie haben es verdient, für ihre Arbeit auch einen Ertrag zu sehen. Hier möchte ich mit meinem Buch ansetzen. Es geht darum, mehr Leute in den Kunstmarkt zu bringen. Der gesamte Markt wird wachsen und profitieren, wenn mehr Leute Kunst kaufen.
Social Media vermittelt einem das Gefühl, dass sich immer mehr junge Menschen für den Kunstmarkt interessieren.
Ja, aber die Kaufentscheidung fällt einfach nicht. Es gibt eine große Schere zwischen Besuchern und Käufern. Die Conversion Rate war noch nie so mies wie jetzt. In den USA gehen mehr Leute in Kunstmuseen als zu NFL- oder NBA-Spielen. Die Galeristen und Künstler arbeiten bis zur Erschöpfung, um Kunst zu zeigen, haben aber kaum Verkäufe. Das liegt vor allem an der fehlenden Kenntnis der Käufer, aber auch daran, dass es der Kunstmarkt selbst wahnsinnig schwierig macht, Kunst zu kaufen.
Weil die meisten Käufer denken, nur teure Kunst sei gute Kunst?
Genau. "Gute Kunst" ist doch total subjektiv. Ich habe in einer Studie eine halbe Million Künstler angeschaut, um herauszufinden, was eigentlich einen Künstler finanziell erfolgreich macht. Warum kostet eine blanke weiße Leinwand mehrere Millionen Euro und ein Künstler, der zwölf Monate an einem Werk arbeitet, bekommt gerade so 5000 Euro? Wir konnten zeigen, dass der Wert von Kunst nicht von der Kunst selbst definiert wird. Unsere Studie zeigt, dass kleine Netzwerke von Galerien und Museen, die eng zusammenarbeiten, den Erfolg eines Künstlers treiben. Von den 20.000 Galerien, die existieren, haben 19.900 keine Relevanz für den finanziellen Erfolg eines Künstlers. Es ist schwierig, im Kunstmarkt Geld verdienen zu wollen.
Und wie gehe ich ganz konkret vor, wenn ich mein erstes Kunstwerk kaufen möchte?
Als Erstes muss man sich von jeglichen finanziellen Ideen befreien. Kunst ist kein gutes Investment. Kunst kaufen, ist Fleißarbeit. Man muss so viel wie möglich sehen. Galerien und Instagram sind dafür hervorragende Kanäle. Wenn Dir dann eine Arbeit gefällt, frage nach dem Preis. Galeristen und Künstler sind tolle Gesprächspartner und reden gerne über ihre Werke. Kaufe aber nicht die erste Arbeit, die Dir gefällt. Man muss die Augen trainieren, bevor man die erste Kaufentscheidung trifft. Der wichtigste Tipp, den 200 der größten Sammler, die ich für mein Buch interviewt habe, teilen: Der erste Kunstkauf ist immer der schönste. Du kannst nichts falsch machen. Der einzige Fehler, den man vermeiden sollte, ist zu viel Geld auszugeben. Bleib bei Deinem Budget! Und jetzt geh' raus, und kauf' Kunst!
Mit Magnus Resch sprach Janna Linke. Das Gespräch wurde zur besseren Verständlichkeit gekürzt und geglättet. Vollständig können Sie es im ntv-Podcast "Startup - jetzt ganz ehrlich" anhören.
Was verbirgt sich hinter der schillernden Fassade der Startup-Szene? Janna Linke weiß es. Im Podcast "Startup - Jetzt ganz ehrlich" wirft sie jede Woche einen Blick hinter die Kulissen der Gründerszene und spricht über Themen, die gerade Schlagzeilen machen. Sie ordnet ein, hakt nach. Persönlich, ehrlich und mit einem echten Mehrwert. Dafür spricht sie mit Persönlichkeiten der Szene, Expertinnen und Experten und gibt euch den absoluten Rundumblick. Gemeinsam taucht ihr tief ein in die Startup-Welt.
"Startup - jetzt ganz ehrlich" - der Podcast mit Janna Linke. Auf RTL+ und überall, wo es Podcasts gibt: Amazon Music, Apple Podcasts, Spotify, RSS-Feed
Quelle: ntv.de