Startup

Kind aus eingefrorener Eizelle? "Social Freezing ist eine Möglichkeit der Vorsorge"

Social Freezing bezeichnet das vorsorgliche Einfrieren von unbefruchteten Eizellen.

Social Freezing bezeichnet das vorsorgliche Einfrieren von unbefruchteten Eizellen.

(Foto: picture alliance / Caro)

Mit ein paar Klicks den Fragebogen zum eigenen Kleidungsstil ausfüllen, dann die persönliche Beratung einer Stilberaterin erhalten, die passende Outfits zusammenstellt und bequem verschickt. Das ist die Idee hinter dem Startup Outfittery, das Julia Bösch vor zwölf Jahren gegründet hat. Mittlerweile ist Outfittery der europäische Marktführer für sogenanntes Online-Personal-Shopping, in zehn Ländern aktiv und ist nach eigenen Angaben mit mehr als einer Million Kundinnen und Kunden profitabel. Und zwar in einer Zeit, in der es der deutschen Fashionbranche nicht unbedingt gut geht: Seit dem Ende der Corona-Pandemie geben Menschen lieber Geld für Reisen und Erlebnisse anstelle von Mode aus. Außerdem drängen chinesische Billiganbieter auf den Markt. Schlagzeilen macht die 39-jährige Gründerin derzeit aber auch mit dem Thema "Social Freezing". Im ntv-Podcast "Startup - Jetzt ganz ehrlich" spricht sie offen darüber, wie sie sich durch das Einfrieren ihrer Eizellen ihren Kinderwunsch erfüllt hat.

ntv.de: Sie sprechen sehr offen über das Thema "Social Freezing", also die Möglichkeit einer späten Schwangerschaft. Warum ist Ihnen das wo wichtig?

Julia Bösch: Das Thema ist mir eine Herzensangelegenheit. Vor genau einem Jahr ist meine Tochter geboren und seitdem wache ich jeden Tag neben ihr auf, schaue sie an und denke mir: Wir haben so ein Glück gehabt. Ich sehe, dass wir als Frauen gerade so frei und unabhängig sind wie nie zuvor, aber gleichzeitig hat sich die Natur überhaupt nicht verändert. Sie erlaubt uns nur in einem ganz bestimmten Zeitfenster Kinder zu haben. Ich möchte die Aufmerksamkeit dafür schaffen, dass man sich vor allem als Frau früh mit seiner Fruchtbarkeit auseinandersetzt und als Teil der gesundheitlichen Vorsorge sieht. Social Freezing ist eine Möglichkeit, vorzusorgen.

"Als Unternehmerin finde ich disruptive Phasen wahnsinnig aufregend, weil die Karten neu gemischt werden", sagt Julia Bösch.

"Als Unternehmerin finde ich disruptive Phasen wahnsinnig aufregend, weil die Karten neu gemischt werden", sagt Julia Bösch.

(Foto: privat)

Was glauben Sie, warum ist das noch so ein Tabuthema?

Künstliche Befruchtung und Unterstützung im Kinderwunsch sind in Deutschland total tabuisiert. Als ich mit Anfang 30 in eine Kinderwunschklinik gegangen bin, um mich über Social Freezing zu informieren, bin ich auf viele Menschen getroffen, die bedrückt waren, ihr Basecap ins Gesicht gezogen haben und nicht gesehen werden wollten. Das hat mit vielen Faktoren zu tun. Es ist emotional herausfordernd und schwierig, wenn ich merke, es funktioniert nicht mit meinem Kinderwunsch. Aber das ist vor allem auch ein deutsches Thema. Ein Geschäftspartner aus Großbritannien hat zu mir gesagt: Julia, ich muss unseren Termin verschieben, weil wir mitten in der Behandlung für künstliche Befruchtung sind. Ich muss mich um meine Frau kümmern. Das würde in Deutschland leider niemand sagen. Das ist auch für mich Motivation, meine Geschichte zu teilen, weil ich mir wünsche, dass Menschen damit offener umgehen und sich früher Hilfe holen.

Es gibt eine Studie des Startup-Verbands, in der viele Frauen sagen: Die fehlende Vereinbarkeit von Familie und Karriere sind ein Hemmnis, ein Startup zu gründen. Ist Social Freezing die Lösung, um mehr Gründerinnen zu bekommen?

Es gibt die falsche Wahrnehmung, dass man Social Freezing aus Karrieregründen macht. Die meisten Frauen entscheiden sich wie in meinem Fall dafür, weil sie keinen Partner haben und die Wahrscheinlichkeit, später Kinder zu bekommen, erhöhen wollen. Seit ich meine Tochter habe, weiß ich: Es ist herausfordernd, ein Startup zu führen und gleichzeitig eine Familie zu haben. Aber es birgt auch Chancen, denn ich kann als Gründerin und CEO die Kultur von Outfittery prägen und meine eigenen Regeln machen. Das ist für mich als Gründerin sogar einfacher, als wenn ich in einem großen Konzern Führungskraft wäre und mich anpassen müsste.

In den USA wird Social Freezing teilweise vom Arbeitgeber bezahlt - mutmaßlich auch, um den Fokus der Frauen möglichst lange auf den Job zu halten. Was sagen Sie dazu?

Ich bin zwiegespalten. Ich habe auch überlegt, ob ich das meinen Beschäftigten finanzieren will. Das ist nämlich extrem teuer. Ich habe ungefähr 10.000 Euro bezahlt für die verschiedenen Zyklen, das Einfrieren der Eier, das Lagern und das Einsetzen. Ich habe mich aber dagegen entschieden, das für Beschäftigte zu finanzieren. Denn für mich ist die Frage, ob jemand Kinder bekommen möchte und wann, eine so intime und wahrscheinlich die persönlichste überhaupt ... Als Arbeitgeber möchte ich keinen Anreiz schaffen, in keinerlei Richtung. Ich finde es schwierig, wenn Unternehmen das finanzieren. Andererseits ist es natürlich so, dass Unternehmen es dadurch zugänglich für mehr Menschen machen. Das ist auch toll.

Als Unternehmerin stehen Sie zudem vor der Herausforderung, dass es der deutschen Modebranche gerade nicht gut geht. Immer mehr traditionelle Modehändler melden Insolvenz an. Woran liegt das?

Es sind hauptsächlich zwei Faktoren: Seit dem Ende der Corona-Pandemie nehmen die Menschen Teile ihres Fashionbudgets und geben es für Reisen aus. Außerdem drücken vor allem chinesische Unternehmen gerade sehr stark mit niedrigeren Preisen in den Markt und sind damit wahnsinnig erfolgreich.

Wie geht ihr damit um?

Als Unternehmerin finde ich solch disruptive Phasen wahnsinnig aufregend, weil die Karten neu gemischt werden und es die Möglichkeit gibt, sich neu zu positionieren. Die Online-Shopping-Experience hat sich seit der Erfindung des Internets nicht verändert. Ich gucke immer noch einen riesigen Katalog an und mache den Check-out. Unter dieser Disruption gibt es die Möglichkeit, das neu zu erfinden. Wir haben jetzt Beispiele, wie die Shopping-Experience der Zukunft funktionieren kann. Das andere ist die Niedrigpreis-Konkurrenz aus China. Das betrifft uns nicht, weil wir ein anderes Kundensegment haben. Eher mittel- bis hochpreisig, das schützt uns.

Mit Julia Bösch sprach Janna Linke. Das Gespräch wurde zur besseren Verständlichkeit gekürzt und geglättet. Vollständig können Sie es im ntv-Podcast "Startup - jetzt ganz ehrlich" anhören.

Startup - Jetzt ganz ehrlich

Was verbirgt sich hinter der schillernden Fassade der Startup-Szene? Janna Linke weiß es. Im Podcast "Startup - Jetzt ganz ehrlich" wirft sie jede Woche einen Blick hinter die Kulissen der Gründerszene und spricht über Themen, die gerade Schlagzeilen machen. Sie ordnet ein, hakt nach. Persönlich, ehrlich und mit einem echten Mehrwert. Dafür spricht sie mit Persönlichkeiten der Szene, Expertinnen und Experten und gibt euch den absoluten Rundumblick. Gemeinsam taucht ihr tief ein in die Startup-Welt.

"Startup - jetzt ganz ehrlich" - der Podcast mit Janna Linke. Auf RTL+ und überall, wo es Podcasts gibt: Amazon Music, Apple Podcasts, Spotify, RSS-Feed

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen