Gefragte Experten Als Rentner gelegentlich weiter arbeiten
25.11.2013, 11:44 UhrEs gibt Arbeitnehmer, die zählen sehnsüchtig die Tage bis zur Rente. Und es gibt die, die am liebsten gar nicht aufhören wollen. Sie können ihr Wissen als Senior-Experten weitergeben, in der alten Firma oder auch im Ausland.
Siegfried Müller ist Metzgermeister. Sein ganzes Berufsleben hat er sich mit Fleisch beschäftigt - und dabei viel Fachwissen angesammelt. Dieses Wissen gibt er nun als Rentner weiter: In Debre Zeyit, einem kleinen Ort südöstlich von Addis Abeba in Äthiopien. Müller ist einer von rund 11.000 Fachleuten, die beim Senior-Experten Service (SES) in Bonn registriert sind. "Wenn wir Anfragen bekommen und Experten mit Fachwissen haben, senden wir sie los", erklärt Susanne Nonnen, Geschäftsführerin der gemeinnützigen Gesellschaft.
Wenn Berufstätige heute in Rente gehen, wollen sich viele noch nicht zur Ruhe setzen. "Viele, die aus dem aktiven Arbeitsleben ausscheiden, wollen nicht nur die Kinderwagen der Enkel schieben", erzählt Personalberaterin Helga Krausser-Raether. Oft seien sie topfit und wollten etwas erleben. Und das können sie – indem sie im alten Beruf tätig bleiben. Der SES ist eine der Organisationen, die Rentner dabei unterstützt.
In der alten Firma bleiben
Egal, ob ehrenamtlich oder entlohnt, bei Stiftungen oder Organisationen: Rentner sind als Senior-Experten vielerorts im Einsatz. Zum Teil auch beim alten Arbeitgeber. So hat die Firma Otto in Hamburg erst 2012 die "Otto Group Senior Expert Consultancy" gegründet, eine Pensionärsfirma. "Die Rentner sollen helfen, etwaige Lücken in Arbeitsprozessen zu schließen", erzählt Sandra Widmaier, Personalchefin bei Otto.
Die Senioren bekommen einen Beratervertrag und ihr altes Gehalt, das an die heutigen Verhältnisse und den zeitlichen Einsatz angepasst wird. Im Rahmen der geringfügigen Beschäftigung dürfen auch Rentner an 50 Tagen sozialversicherungsfrei arbeiten.
"Die Senioren haben mehr Überblick und einen anderen Karrierebegriff", sagt Beraterin Krausser-Raether. "Sie müssen niemandem mehr etwas beweisen und den nächsten Karriereschritt planen." Unabhängig seien die Rentner und zu nichts verpflichtet - eine gute Ausgangssituation, auch für all jene Ruheständler, die mit dem SES ins Ausland gehen.
Wiedersehen mit alter Technik
Was einst als Idee aus Industrie und Wirtschaft entstand, hat sich während der vergangenen Jahrzehnte zu einem Selbstläufer entwickelt. "Im ersten Jahr haben wir bei 22 Anfragen geholfen, heute sind es pro Jahr rund 1600 Einsätze im Ausland", sagt Geschäftsführerin Nonnen. Der klassische Experte sei Diplom-Ingenieur oder Meister in einem Handwerk. Auch Facharbeiter sind gefragt. Diese kennen sich häufig mit älteren Maschinen aus, die in Entwicklungs- oder Schwellenländern noch im Einsatz sind.
Die Experten arbeiten immer ehrenamtlich. Der Auftraggeber übernimmt die Kosten, die vor Ort entstehen: Übernachtung, Transport, wenn nötig auch einen Dolmetscher. Die Einsätze im Ausland dürfen maximal ein halbes Jahr dauern. "Im Schnitt sind die Experten vier bis sechs Wochen unterwegs", berichtet Nonnen. Im besten Fall bekommen sie bei ihrem Einsatz nach Renteneintritt Wertschätzung und ein bisschen Abenteuer, während sich ihre Altersgenossen womöglich zu Hause langweilen.
Quelle: ntv.de, Verena Wolff, dpa