Ratgeber

Gesetzentwurf schlägt WellenErben könnte teurer werden

12.08.2010, 09:26 Uhr

Erben leicht gemacht? Nicht, wenn es nach dem Willen der Bundesländer geht. Dann wird es künftig teurer und undurchsichtiger. Denn keiner wird mehr wissen, wo er einen Erbschein herbekommt.

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Erbschaft: Bislang wird der Erbschein vom Nachlassgericht ausgestellt - künftig sollen Notare diese Aufgabe übernehmen. (Foto: dpa)

Wenn es ums Erben geht, kracht es in vielen Familien. Da wird die Gültigkeit des Testaments angezweifelt und gestritten, wer was bekommt. Unabhängige Nachlassgerichte reden ein entscheidendes Wort mit. Denn sie bestimmen, wer Erbe geworden ist und stellen den Erbschein aus. Künftig sollen Notare diese Aufgabe übernehmen. Der Plan der Bundesländer macht die Sache für den Bürger teurer und undurchsichtiger.

Derzeit erteilen bundesweit weitgehend die Nachlassgerichte den Erbschein. Geht es nach dem Willen der Länder, entscheidet demnächst jedes Land in Eigenregie, ob ein Bürger stattdessen zum Notar gehen muss. Dieser soll grundsätzlich "zur zentralen Stelle für alle Fragen und Probleme" rund um die Themen Testament, Nachlass und Erbe werden, heißt es im Gesetzesentwurf zur "Übertragung von Aufgaben im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Notare" (Bundestagsdrucksache 17/1469). Mit der Idee wollen die Länder die Justiz entlasten und Kosten verringern. Das Bundesjustizministerium in Berlin steht dem "Plan grundsätzlich positiv gegenüber." Ob und wann die Neuerung kommt, steht nicht fest - zuerst muss das Grundgesetz geändert werden.

Jedes Bundesland entscheidet selbst

Im Alltag könnte es für die Bürger leicht unübersichtlich werden. Denn wo der Erbschein ausgestellt wird, dürfte jedes Bundesland anders handhaben. "Während in einem Bundesland der Notar Nachlassgericht in erster Instanz sein könnte, bliebe in einem anderen das Amtsgericht zuständig", sagt Alexander Knauss von der Arbeitsgemeinschaft Testamentsvollstreckung und Vermögenssorge. Praktisch kann dies bedeuten, dass ein Bürger in Nordrhein-Westfalen zum Nachlassgericht gehen muss. Vermacht ihm aber seine Oma aus Bayern ihr Haus, müsste er dort den Weg zum Notar antreten.

Andere Unbequemlichkeiten kämen hinzu: Erstens bliebe die Suche nach dem für die jeweilige Region zuständigen Notar den Hinterbliebenen Erben überlassen. Zweitens könnte dieser Experte "durchaus in einem ländlichen Gerichtsbezirk auch bis zu 50 Kilometer weit weg seinen Dienstsitz haben", kritisiert der Deutsche Richterbund in einer im Internet veröffentlichten Stellungnahme.

Notare könnten befangen sein

Das Deutsche Forum für Erbrecht fürchtet um die juristische Unabhängigkeit in konfliktträchtigen Erbsachen. "Über persönliche Verbindungen und Verflechtungen entsteht die Gefahr der Befangenheit der Notare", sagt Forums-Präsident Klaus Michael Groll. "Stellen sie sich vor, ein Bauträger beantragt den Erbschein bei dem Notar, dem er regelmäßig Aufträge erteilt", zeichnet Groll ein Szenario. Denkbar wäre zum Beispiel auch, dass ein Notar zugleich als Anwalt eines Betroffenen arbeitet. Solche möglichen Interessenkonflikte könnten die Neutralität trüben. Das Forum plädiert deshalb, bei den Nachlassgerichten alles beim Alten zu lassen. "Ein Richter ist unabhängig und objektiv."

Um den Letzten Willen wird häufig verbissen gekämpft. "Es sind knallharte Prozesse oft über drei Instanzen", berichtet Groll. Gestritten wird zum Beispiel darüber, ob jemand geistig im Stande war, ein Testament abzufassen oder über dessen Gültigkeit. Krach gibt es auch um die gesetzliche Erbfolge. Solche Fragen sind häufig Auslegungssache, über die ein Nachlassgericht entscheidet. In Zukunft lande der Streit möglicherweise zuerst bei dem Notar, der das Testament abgefasst hat, meint Claudia Kammermeier vom Bund deutscher Rechtspfleger. Weil "Auslegungsfragen Streitpotenzial bergen" rechnen sie und andere Fachleute im Falle der Neuregelung nicht mit weniger, sondern mehr Prozessen.

Höhere Kosten für Erben

Erben könnte zudem eine kostspielige Angelegenheit werden. Zum einen würden Hinterbliebene bereits für den Antrag auf Erbschein zur Kasse gebeten. Bisher kann der Antrag kostenlos direkt beim Gericht gestellt werden. Diese Option entfällt, sollten die Notare erste Anlaufstelle werden. Zum anderen sind auf alle Notargebühren - auch für den Erbschein - 19 Prozent Mehrwertsteuer fällig. Zusätzlich könnten Porto und anderer Aufwand weiterberechnet werden.

Für den Erbschein zahlen Bürger ohnehin schon viel Geld. "Die Kosten sind abhängig vom Wert des Erbes", erläutert Kammermeier. Maßgeblich ist das Vermögensverzeichnis. Hat die Oma 5000 Euro - egal, ob in bar oder Briefmarken - hinterlassen, kostet der Erbschein derzeit 42 Euro an Gebühren. Bei einem Wert von 200.000 Euro sind es 357 Euro, eine Million Euro schlägt mit 1557 Euro zu Buche. Alles ohne Mehrwertsteuer, weil Leistungen der Justiz davon befreit sind.

Für die Justiz sind Nachlass-Sachen also eine sprudelnde Einnahmequelle. "Nachlassgerichte arbeiten kostendeckend und machen Plus", sagt Kammermeier. In ihren Augen ein Argument mehr, dass der Staat die Sache in der Hand behalten sollte.

Quelle: dpa