Fußball

Lehren des zwölften Spieltags Heynckes rettet Jamaika, Effzeh kapituliert

"Ordnung schaffen": Jupp Heynckes.

"Ordnung schaffen": Jupp Heynckes.

(Foto: imago/Sven Simon)

Der zwölfte Spieltag der Fußball-Bundesliga zerstört fast alle Hoffnungen auf eine spannende Meisterschaft. Köln fällt langsam vom Glauben ab, auf Schalke packen sie fast vergessenes Liedgut wieder aus. Und an der Weser brennt noch Licht.

1. Nur Wagner kann den FC Bayern spannend machen

Wir müssen über Frisuren reden. Nicht im Sinne von: Es ist lebenswichtig, wir müssen unbedingt klären, ob Robert Lewandowski nun Granny-Style oder verunglücktes wasserstoffblond trägt. Sondern im Sinne von: Es ist schon wieder alles so langweilig, dass es kaum andere Themen gibt beim FC Bayern München. Ein 3:0 gegen Augsburg, Tabellenführer mit sechs Punkten Vorsprung nach diesem zwölften Spieltag der Fußball-Bundesliga, kein ernsthafter Verfolger in Sicht - den Rest können Sie sich denken. Also den Rest der Saison.

Zerstört sind all die Hoffnungen auf ein echtes Rennen um die Meisterschaft, zerschellt an der fleischgewordenen Spaßbremse namens Jupp Heynckes, der so mia-san-mia nichts dir nichts eine bräsige Startruppe in eine Präzisionsmaschine verwandelt hat. "Ordnung schaffen", so umriss er bei seiner Vorstellung seine Aufgabe. Er erfüllt sie mit seiner verbindlich-unerbittlichen Aura, die selbst Christian Lindner gestern Nacht noch im Verhandlungssessel gehalten hätte. Wenn Heynckes neben seinen Spaziergängen mit Cando und durch die Liga noch Zeit gefunden hätte, Jamaika wäre gerettet und der BER fertig. Bei seiner Mission in München spielt eine eher unscheinbare Personalentscheidung eine wichtige Rolle, wie ein Blick in die Zweite Liga zeigt. Dort strauchelt Fortuna Düsseldorf, seit die Bayern Co-Trainer Peter Hermann wieder an die Seite von Heynckes lotsten. Mit ihm holten die Rheinländer 25 Punkte in zehn Spielen, ohne ihn nur acht Punkte aus sechs Partien. Immerhin waren die Düsseldorfer so klug, auf die Ablöse von 1,75 Millionen Euro einen Nachschlag von 250.000 Euro zu verlangen, falls sie in dieser Saison nicht aufsteigen.

Noch ein bisschen mehr Geld werden die Münchner wohl in die Hand nehmen müssen, um Sandro Wagner in der Winterpause als Backup für Lewandowski nach Hause zu holen. Selten wurde um einen Bayern-Transfer so dermaßen kein Geheimnis gemacht wie in diesem Fall, noch vor dem 1:1 der TSG gegen Frankfurt am Samstag sprach Trainer Julian Nagelsmann offen über den Wechselwunsch seines Stürmers. "Wir sind gesprächsbereit, aber es hängt an der Ablöse." Die soll rund 15 Millionen Euro betragen, viel Geld für einen reinen Ersatzmann. Wer Sandro Wagners Karriere verfolgt hat, weiß allerdings, dass sein Ego ohnehin auf keiner Bank der Welt genug Platz hat. Also setzen wir all unsere Hoffnung auf ein packendes Duell mit Robert Lewandowski um den Fixplatz im Bayern-Sturm, inklusive Medienzoff und Trainingsraufereien. Sonst müssen wir am Ende wirklich noch über Frisuren reden …

2. Die Nummer Eins im Pott ist S04

Jaja, Hashtag Momentaufnahme, aber was für eine: Der FC Schalke 04 hat Borussia Dortmund überholt und sich auf Rang zwei der Bundesligatabelle gesetzt. Heimlich, still und leise. Spötter würden sogar sagen: Mit einem 2:0 gegen den HSV, in dem die Schalker den Hamburgern nur in Punkto Effizienz überlegen waren. Aber wer sind wir, die Schalker Feierlaune zu trüben, wenn sie doch so schöne Blüten treibt wie den ausgelassenen Jubelgesang des verletzten Leon Goretzka auf der Tribüne, der Torschütze Guido Burgstaller zu den Tönen von "Give it Up" von KC & The Sunshine Band hochleben lässt?

Apropos Gesänge, schon früh stimmte die Arena auf Schalke ein Lied an, das ein wenig aus der Mode gekommen war: "Die Nummer Eins im Pott sind wir!" Und wie es der Spielplan so will, dürfen die Schalker das am nächsten Samstag gleich unter Beweis stellen: beim Revierderby. Das haben sie zuletzt im September 2014 gewonnen, aber was heißt das schon, wo doch jetzt die Brust "breit und heiß" ist, wie Torwart Ralf Fährmann nach dem Sieg gegen den HSV sagte?

Ganz anders die Gemütslage in Dortmund. Die "Waz" hämmerte mit dem ganz großen Schlägel auf die Alarmglocke und konstatierte, ein Punkt aus den vergangenen fünf Spielen, das sei "die Bilanz eines Absteigers". Eine Analyse, die Peter Bosz wohl nicht uneingeschränkt teilen würde, eines musste aber auch er einräumen: Am Freitag in Stuttgart spielte sein BVB zwar nicht wie ein Absteiger, kassierte aber Tore wie einer. "Wenn man so einfach die Tore rein bekommt, dann wird es schwer zu gewinnen", sagte Bosz. "Das ist fast lächerlich." Das "fast" können wir getrost streichen: Für den doppelten Aussetzer von Marc Bartra und Roman Bürki in Minute fünf taugt eigentlich nur Verunsicherung als Erklärung, das entscheidende 2:1 für den VfB entstammte einer Mischung aus Nachlässigkeit und Naivität. Dieser Giftcocktail sollte vor dem Champions-League-Spiel gegen Tottenham dringend raus aus den Dortmundern, wenn Peter Bosz nicht ausgerechnet im Revierderby in ein Schicksalsspiel gehen will.

3. Es geht immer noch schlimmer für den FC

"Man kann einen ehrlichen Mann nicht auf seine Knie zwingen", sangen die großen Arbeiterromantiker von Superpunk 2001. Sie ahnten nichts vom Videobeweis. Sie ahnten nichts von dieser 42. Minute in Mainz, als sich das Drama der Kölner Saison wie ein Game-of-Thrones-Staffelfinale ins Unerträgliche zuspitzte, als jede Hoffnung aus Fans und Spielern entwich: Mainz' Pablo de Blasis schmiss sich zu Boden, Schiedsrichter Felix Brych zeigte auf den Elfmeterpunkt, eine Entscheidung, die er sofort in Gelb wegen Schwalbe geändert hätte, wenn er sich die Zeitlupe selbst angeschaut hätte. Doch Videoschiedsrichter Tobias Welz hatte einen Kontakt am Knie gesehen, vielleicht weil auf dem Second Screen das YouTube-Video mit den schönsten Tackles von Vinnie Jones lief.

So gab es Elfmeter und das letztlich entscheidende 1:0 für Mainz. In der Halbzeit, so sagte es Kölns Trainer Peter Stöger, waren seine Spieler kaum ansprechbar. "Sie hatten kein anderes Thema, als dass sie sich betrogen fühlen, nicht das erste Mal." Wer Konstantin Rausch gesehen hat, wie er im Interview nach dem erneuten Nackenschlag bei "Sky" an seiner Gesprächspartnerin vorbei bis nach Sandhausen starrte, bekam eine Ahnung von der Grabesstimmung in der Kabine. Hauptsache, sie haben die Finger von den Smartphones gelassen, denn dann wäre kalte Wut dazu gekommen - der DFB fand keinen besseren Zeitpunkt als die Minuten nach der grotesken Fehlentscheidung, um Schiedsrichter Felix Brych auf Twitter zur WM-Nominierung zu gratulieren.

Gebrochen vom Schicksal, blieben dem FC auch noch Pech und Unvermögen treu. In der 37. Minute humpelte Simon Zoller vom Feld und begab sich bis zur Winterpause ins Lazarett zu Dominik Heintz, Marcel Risse und natürlich Nationalspieler Jonas Hector, der seit Mitte September fehlt. Und dann wäre da noch der Punkt, den der FC selbst zu verantworten hat: Mittlerweile spielt der Vorjahresfünfte auch wie ein Absteiger. Nur vier Tore nach zwölf Spielen, so schlecht war noch keine Mannschaft der Bundesliga-Geschichte. Zehn Spieler haben schon allein mehr Treffer auf dem Konto als der Effzeh insgesamt. Dass noch kein Team mit zwei Punkten nach zwölf Spielen den Abstieg noch vermied - so ein Omen braucht es schon gar nicht mehr. "Ich bin nicht unten, ich bin nicht verschwunden", sangen Superpunk tapfer. Der Effzeh ist ganz unten, und wenn nicht ein Wunder geschieht, wird er bald Richtung Liga Zwei verschwinden.

4. Kohfeldt besteht erste Bewährungsprüfung

Wenn das mal nicht nach steiler Karriere riecht: Vor drei Jahren noch in Paderborn Praktikant seines Kontrahenten André Breitenreiter, aktuell prekär beschäftigt als Trainer auf Bewährung beim SV Werder Bremen - aber seit Sonntag endgültig der Hoffnungsträger von der Weser. Florian Kohfeldt führte seine Bremer zum ersten Bundesliga-Sieg seit dem 29. April dieses Jahres, und der gelang gleich in der Manier eines Befreiungsschlags. Ein 4:0 gegen den bislang so stabilen Aufsteiger aus Hannover, ein Hattrick von Max Kruse, jetzt kann die Saison so richtig beginnen in Bremen. Noch-Verlegenheitslösung Kohfeldt bekam im Interview das Grinsen nicht weg, mühte sich aber um Zurückhaltung: "Wir haben noch einen langen Weg vor uns." Wie lange er ihn mitgehen darf, entscheidet der wankelmütige Sportdirektor Frank Baumann zum Ende der Hinrunde. Vielleicht liegt für Kohfeldt also eine Festanstellung unterm Christbaum.

5. Jede Serie geht einmal zu Ende

Geht doch: Yunus Malli und Trainer Martin Schmidt.

Geht doch: Yunus Malli und Trainer Martin Schmidt.

(Foto: imago/Hübner)

In Wolfsburg kennen sie sich natürlich aus mit Serienproduktion, aber irgendwann musste jetzt mal Schluss sein: Siebenmal in Folge hatten sie unter dem nicht mehr so frischen Trainer Martin Schmidt Remis gespielt, ein weiteres Unentschieden gegen Freiburg hätte sie auf einer Stufe mit Klaus Schlappners Waldhof Mannheim in die Rekordbücher gebracht - "leider haben wir das nicht geschafft", sagte Yannick Gerhardt im Interview und lachte dabei vielsagend. Erleichterung auch bei Sportchef Olaf Rebben, der erste Sieg unter Schmidt erlaubte es ihm endlich, seine Verpflichtung ausgiebig zu loben. "Wir sehen eine Entwicklung, seit er hier ist." Festzumachen war die beim 3:1 über die Breisgauer an Doppeltorschütze Yunus Malli, den eine besondere Geschichte mit Schmidt verbindet: 22 seiner 32 Bundesliga-Treffer erzielte er, während der Schweizer an der Linie stand. "Er weiß, wie er mich einsetzen muss", schwärmte der türkische Nationalspieler. Nun muss Schmidt beweisen, dass er auch eine Siegesserie hinlegen kann - derzeit weist Wolfsburg 14 Punkte auf, liegt also genau in der Mitte der Liga, sechs Punkte vor dem Relegationsrang und sechs hinter Europa.

6. Es geht eng zu in der Liga - abseits von Rang 1

Die Tabellenkonstellation hatte auch Herthas Manager Michael Preetz im Blick: "Mit zwei Siegen in Folge kann man plötzlich oben stehen", sagte er, ein wunderlicher Hinweis nach einer 2:4 Heimschlappe gegen Borussia Mönchengladbach, bei der die Hertha nach 20 Minuten schon 0:3 hinten gelegen hatte. Recht hat der Mann trotzdem - bis auf die Abstiegskandidaten HSV, Werder, Freiburg und Köln hat noch kein Klub den Anschluss an die internationalen Ränge verloren. Die Borussia freute sich, dass die Berliner Luft das Phantom Raffael wieder auftauchen ließ, und Zugang Denis Zakaria erinnerte einen Loddarmaddäus sogar an den jungen Loddarmaddäus, was wohl so ziemlich das höchste Lob ist, das einem Loddarmaddäus über die Lippen kommt. "Ich bin froh, dass Gladbach wieder so eine Perle gefunden hat. Ich habe mir in seinem Alter die ersten Sporen bei der Borussia verdient."

Gefunden hat Bayer 04 Leverkusen in dieser Saison seine Widerstandskraft, was wohl damit zu tun hat, dass sie sich auch noch einen zweiten Bender gekauft haben, was einen unschätzbaren Vorteil bringt: Es erhöht die Wahrscheinlichkeit, wenigstens einen Bender auf dem Platz zu haben, während der andere gerade an einer offenen Wunde getackert wird oder wie Sven gegen Leipzig am Samstag mit Rippenbruch gar nicht erst im Kader steht. Jedenfalls trotzten die Mannen von Heiko Herrlich den Rasenballsportlern ein Remis ab, obwohl sie in der 52. Minute in Unterzahl und Rückstand gerieten. Eine "tolle Mentalität" attestierte Herrlich seinem Team und trauerte sogar den vergebenen Chancen auf den Sieg nach.

Sportchef Rudi Völler machte die neu entdeckte Kampfkraft seiner Mannschaft derart wuschig, dass er von einem Remis gegen "Lok Leipzig" redete, ein Versprecher, den wir mit spontanem Applaus versehen möchten. Vielleicht war es auch ein kleiner Insider, auch Trainer Herrlich frotzelte herum und sprach in seiner Spielanalyse von einer Chance als "Dosenöffner". Wohl die Aspirin mit dem Smiley drauf zum Frühstück gehabt, die Jungs von Bayer. Jedenfalls lauern die Leverkusener nun mit 17 Punkten auf Platz neun, vier Punkte sind es nur bis zum ersten Champions-League-Rang, auf dem die Borussia aus Mönchengladbach steht. Neben den üblichen Verdächtigen und Frankfurt und Hoffenheim will also auch die Werkself ein Wörtchen mitreden um die Plätze, die Europa bedeuten - immerhin das verspricht Spannung für die Zeit ab März, wenn Jupp Heynckes und seine Bayern den Titel eingefahren haben.

Quelle: ntv.de

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