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Wetterextrem oder Klimawandel? Experten streiten über Hochwasserursache

Satellitenbild des Hochwassers im bayrischen Passau am 5. Juni. Im historischen Stadtzentrum fließen die Flüsse Inn, Donau und Ilz zusammen. Nach tagelangen Regenfällen stieg der Wasserpegel auf 12,85 Meter - ein neues historisches Hoch.

Satellitenbild des Hochwassers im bayrischen Passau am 5. Juni. Im historischen Stadtzentrum fließen die Flüsse Inn, Donau und Ilz zusammen. Nach tagelangen Regenfällen stieg der Wasserpegel auf 12,85 Meter - ein neues historisches Hoch.

(Foto: dpa)

Das verheerende Hochwasser nach unwetterartigen Regenfällen bedroht große Teile Deutschlands und Mitteleuropas. Über die Ursachen streiten die Experten: handelt es sich um ein vom Menschen nicht zu beeinflussendes Wetterereignis? Oder ist es doch Folge der globalen Erwärmung, durch die der Luftaustausch zwischen Nord und Süd gehemmt wird?

Die verheerenden Überschwemmungen in Deutschland und anderen Ländern Zentraleuropas haben einen alten Streit unter Wissenschaftlern wieder aufleben lassen: Sind die unwetterartigen Regenfälle gefolgt von Hochwasser ein außergewöhnliches Wetterphänomen oder Folge des menschgemachten Klimawandels? Umstritten ist insbesondere eine Theorie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), derzufolge aufgrund der Klima-Erwärmung der Luftaustausch zwischen Nord und Süd auf der Erde gebremst wird - und daher extreme Wetterbedingungen über Wochen an einem Ort "festhängen" können.

Laut PIK wurde über Zentraleuropa ein Tiefdruckgebiet, das den Dauerregen brachte, eingeschlossen. "Wir denken, damit hängt auch die derzeitige Dürre in Russland zusammen", meint PIK-Klimaexperte Stefan Rahmstorf.

Temperaturunterschied wirkt wie Pumpe

Normalerweise zirkuliert Luft wellenartig um die mittleren Breiten der Erde und bewegt sich unregelmäßig zwischen den Tropen und den Polen hin und her, wie Rahmstorf erläutert. Auslösende Kraft für diese Bewegung ist der große Temperaturunterschied zwischen der kalten Arktis und dem wärmeren Süden. Wie eine Pumpe zwingt dieser Unterschied die Luft nord- oder südwärts.

Das Problem ist der Theorie zufolge aber, dass sich die Arktis stetig erwärmt und der Temperaturunterschied damit geringer wird. In der Folge nimmt auch die Luftzirkulation ab und an einem bestimmten Punkt können Wetterfronten vor Ort "eingeschlossen" werden - und dauerhaft verheerende Wetterbedingungen schaffen.

Dieser Wellenschwung der Luft sei kein lokaler Effekt, sondern über die gesamte nördliche Hemisphäre verbreitet, betont Rahmstorf. Seit 2003 wurden laut Rahmstorf mehr und mehr Extrem-Wetterphänomene beobachtet, die mit höheren Temperaturen und dem Abschmelzen des Eises in der Arktis zusammentreffen.

Höhere Temperaturen, mehr Regen

Die PIK-Theorie stößt in der Fachwelt aber auch auf Widerspruch. Andere Experten wollen nicht ein einzelnes Wetterphänomen - und auch nicht mehrere - mit dem langfristigen Klimawandel in Verbindung bringen. Um die genaue Rolle des Klimawandels etwa bei Überschwemmungen bestimmen zu können, müssten zuverlässigere und längerfristige Daten ausgewertet werden, meint die Europäische Umweltagentur EAA. Allerdings geht auch sie davon aus, dass steigende Temperaturen in Europa zu stärkeren Regenfällen führen und zu "häufigeren und heftigeren Überschwemmungen in vielen Regionen".

Rund ein Fünftel der europäischen Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern sind hochwassergefährdet. Beton und Asphalt sorgen zusätzlich dafür, dass Wasser rasch in die Flüsse abfließt. Die Umweltgruppe WWF fordert daher, Flusstäler wieder als natürliches Überschwemmungsgelände zuzulassen. Allein in Österreich werde täglich eine Fläche von der Größe von zwölf Fußballfeldern für Bauvorhaben oder für die Landwirtschaft versiegelt, vor allem in Flusstälern. So wie an der unteren Donau würden in ganz Europa diese Flächen vom Haupt-Flussbett abgeschnitten - "und die Risiken für Überschwemmungen steigen".

Quelle: ntv.de, Richard Ingham, AFP

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