Dinosaurier-Debatte Hälse waagerecht getragen
04.04.2009, 10:00 UhrAnders als auf vielen Abbildungen zu sehen, reckten langhalsige Dinosaurier ihre Hälse vermutlich nicht ständig in hohe Baumwipfel. Denn um das Blut mehrere Meter hoch in den Kopf zu pumpen, hätte das Herz gewaltig groß sein müssen. Roger Seymour von der Universität Adelaide in Australien sieht noch einen anderen wichtigen Aspekt: Mit nach oben gerecktem Hals hätte so ein Saurier etwa die Hälfte aller aufgenommenen Nahrungsenergie für seinen Blutfluss aufwenden müssen, argumentiert er in den "Biology Letters" der britischen Royal Society.
Bei einem Mamenchisaurus mit neun Meter langem Hals hätte sich ein hoch gereckter Kopf insgesamt elf Meter über dem Herzen befunden, erläutert Seymour. Bei dem Brachiosaurus-Skelett im Naturhistorischen Museum in Berlin liege der Kopf etwa neun Meter über der Stelle, an der früher das Herz saß. Um in dieser Haltung nicht sofort ohnmächtig umzukippen, hätte der Saurier einen Arterienblutdruck von etwa 750 Millimetern Quecksilbersäule – kurz mmHg – haben müssen, rechnet der Paläontologe vor. Zum Vergleich: Giraffen haben "nur" einen Blutdruck von bis zu 400 mmHg. Das ist etwa das Zweifache des Durchschnittswertes bei Säugetieren. Der systolische Blutdruck eines gesunden Menschen liegt etwa bei 120 mmHg.
Der Giraffenvergleich
Die Herzwandung eines langhalsigen Dinos mit derartig hohem Blutdruck hätte fünfmal dicker und das Herz 15 Mal schwerer sein müssen als bei einem gleich großen Tier mit einem Blutdruck von 100 mmHg, schreibt Seymour. Zu den Platz- und den mechanischen Problemen komme noch ein weiteres: So ein "Megaherz" hätte gewaltig viel Energie verbraucht –ungefähr die Hälfte der insgesamt mit der Nahrung aufgenommenen. Für Giraffen – die ihre langen Hälse aufrecht tragen, aber viel kleiner sind – haben Forscher errechnet, dass sie knapp ein Fünftel der Nahrungsenergie für die Aufrechterhaltung des Blutdrucks nutzen.
Es sei zu bezweifeln, dass die Blätter in den Baumwipfeln einen derartigen Aufwand Wert waren, schlussfolgert Seymour. Energetisch viel sinnvoller sei es für die Tiere gewesen, den Hals maximal einige Grad über die Horizontale hinaus zu bewegen. Der Saurier habe dann ja immer noch alles in null bis sechs Meter Höhe wegfressen können, ohne gleich ernsthafte Herzprobleme zu bekommen. Zum Vergleich: Eine Giraffe ist etwa viereinhalb Meter hoch. Abschließend merkt Seymour an, dass ein meterlanger Schritt nach vorn dem Saurier ohnehin mehr neues Futter in Reichweite gebracht habe als das Anheben des Kopfes um einen Meter.
Die Halsstellung langhalsiger Sauropoden wird unter Wissenschaftlern nach wie vor debattiert. Einige Forscher vermuten, dass die riesigen Pflanzenfresser zusätzliche Pumpstationen im Hals hatten oder auch ein spezielles Blut, welches leichter aufsteigen konnte.
Diskutiert wird auch die Annahme, dass zumindest Saurier mit langen Vorderbeinen wie der Brachiosaurus ihre Hälse zum Fressen senkrecht nach oben reckten. Forscher wie Seymour erklären die langen Beine dagegen damit, dass so das im Vorderkörper liegende Herz deutlich angehoben wurde – und die Saurier so ihren Hals ein wenig mehr aus der Horizontale heben konnten als kurzbeinigere Verwandte, ohne dass ihnen schwarz vor Augen wurde.
Quelle: ntv.de