Leben

Um Party-Nutzung geht es nicht Anne Philippi über "Psychedelic Health"

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Magisch, erleuchtend, beruhigend, klärend: Ein bisschen Eskapismus kann Wunder wirken.

(Foto: imago images/ITAR-TASS)

Gründerin, Podcasterin, Journalistin, Buchautorin ("Giraffen") und Netzwerkerin ist Anne Philippi. Sie sagt von sich selbst: "Ich bin ganz sicher keine typisch psychedelische Person. Das Einzige, was ich darüber wusste, waren ein paar verrückte Geschichten über Timothy Leary und Hippies." Nichts davon aber habe wirklich mit ihr zu tun gehabt, sie komme eher aus einer Luxus-Welt: "Ich habe unter anderem in 'Vanity Fair' oder 'GQ' über Hollywood, die Entertainment-Industrie, Mode und berühmte Menschen berichtet, doch ich habe dabei nur an der Oberfläche gekratzt." Irgendwann hörte Philippi von Leuten aus Silicon Valley, die mit Mikro-Dosierungen von LSD oder Psilocybin experimentierten, und sie erzählten interessante Dinge: Dass sie sich wacher fühlten, konzentrierter, ausgeruhter. Und irgendwann wurde Philippi klar, dass Psychedelika etwas wirklich Nützliches in der jetzigen Zeit darstellen könnten und dass sie nichts mit Drogen im üblichen Sinne zu tun haben müssten. "2019 habe ich deswegen den New Health Club gegründet - und ich lade jeden ein, mich auf dieser Reise zu einem anderen Bewusstsein zu begleiten." ntv.de hat schon mal den Weekender gepackt und begibt sich auf einen Trip - auf einen informativen Trip vorerst. 

ntv.de: Frau Philippi, gleich zur Aufklärung: Was ist mit einem "Psychedelic Lifestyle" gemeint?

Anne Philippi: Psychedelika als Werkzeug zu betrachten, klingt für uns unbekannt bis merkwürdig. Auch weil wir diese Substanzen nur als illegale Drogen kennen. In den USA ist die Idee, diese als Tool zu sehen, seit einiger Zeit aber auf dem Weg zu einer neuen, interessanten Realität, die nichts mit "sich im Party-Kontext wegschießen" zu tun hat. Seit dem Buch von Michael Pollan "How to change your mind" ist die Idee, psychedelische Substanzen - soweit der legale Kontext das erlaubt - quasi als Lebenshilfe zu betrachten, nicht mehr vollkommen absurd. Pollan hat darin gut beschrieben, wie aus dem, was wir nur als Droge sehen, etwas Sinnvolles für die kommenden Jahren werden könnte. 

Diese Idee stammt aber nicht nur aus einem Buch, oder?

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Anne Philippi

Nein, diese Entwicklung basiert natürlich auf viel mehr. An sehr vielen Universitäten beginnen derzeit immer mehr Forschungen über Psychedelika - also Psilocybin, Magic Mushrooms und LSD - um deren mögliche antidepressive Wirkung zu testen. Und das weltweit.

Sind klassische Antidepressiva nicht mehr angesagt? 

Sie sind derzeit durchaus noch angesagt, doch seit den 90er-Jahren gibt es kaum mehr Innovationen auf dem Psychopharmaka-Gebiet, kaum neue Erkenntnisse. Da die Zahl depressiver Menschen jedoch in die Höhe schnellt, läuft die Suche nach neuen Heilmitteln auf Hochtouren. Psychedlika könnten - und ich betone ausdrücklich: könnten - zu dieser Heilung beitragen. Das Imperial College in London und das John Hopkins Institut in New York haben gerade mehrere Studien begonnen, die sich damit beschäftigen. 

Wie viele Menschen leiden denn weltweit an Depressionen?

Laut neuesten Schätzungen der WHO leiden runden 350 Millionen Menschen auf der Welt an Depressionen, Menschen mit Sucht und Angstzuständen sind nicht eingerechnet. 

Wie kommt da Ihr "The New Health Club" in Spiel?

Es geht zunächst darum, die Kultur der neuen Psychedelika zu definieren, neu einzuordnen, die Thought Leader, Innovatoren und neuen Gründer mit Podcasts und Events vorzustellen und durch ihren Input zu zeigen, wie diese neue Welt und auch dieser neue Markt aussehen kann. Wir sind die erste Medien Company für die neuen Psychedelika, doch unser Ziel ist es, das "Goop" für Psychedelics zu werden.

"Goop", Gwyneth Paltrows Firma?

Ja, "Goop" leistet in einigen Bereichen sehr interessante Arbeit, das alles natürlich in einem sehr kalifornischen Kontext. Wir haben da eine eher europäische Herangehensweise.

Wie sieht die aus und was ist das Ziel? 

Es geht um "mentale Fortbildung", um ein neues neurales Bewusstsein, wenn Sie so wollen: Wie könnte es aussehen, wenn man spirituelle Erfahrungen durch Psychedelika erlebt und diese in sein Leben integriert? Natürlich nur solche Erfahrungen, die begleitet werden und in einem ganz klaren legalen Kontext stattfinden. Man kann diese Substanzen nutzen, um sich große Lebensfragen zu beantworten. Um Party-Nutzung geht es bei uns nicht.

Was für Fragen sind das und wo kann ich einen solchen "Trip" machen?

Fragen können sein: Bin ich im richtigen Job? Warum habe ich das Gefühl, stillzustehen? Warum habe ich keine Verbindung zu meiner Familie? Es geht um Beziehungsfragen, um spirituelle Neuorientierung. Und darum, mit einem frischen Blick auf die Welt zu schauen. Oftmals sind das Fragen, die man nur mit einem Coach oder Therapeuten allein nicht mehr beantworten kann.

Sie waren neulich selbst bei einem dieser legalen Retreats, haben Sie mir im Vorfeld erzählt.

Ja bei "Synthesis" in Amsterdam, denn bisher ist das so nur in Holland möglich. Synthesis ist ein modernes, legales Psilocybin-Retreat mit sehr professioneller, medizinischer Begleitung - eine gute Möglichkeit, so etwas mal auszuprobieren. Denn Set und Setting, also der Ort und der Zustand, in dem man diese Reise antritt, sind optimal. Ein ruhiger, schöner Ort mit Experten, die ein sicheres Erlebnis garantieren. Und die schon im Vorfeld Bewerber ablehnen, für die die Einnahme psychisch gefährlich sein könnte. "Synthesis" ist ein Ort, der extrem ruhig ist, der Vertrauen ausstrahlt. Dafür sorgen auch sogenannte "Trip-Sitter", die einen die ganze Zeit begleiten, und ein Arzt ist während der ganzen "Magic Mushroom"-Zeremonie immer anwesend. 

Exzessiv zum Yoga gehen oder eine Therapie reichen also nicht mehr?

Bis zu einem gewissen Punkt bestimmt schon. Doch viele Menschen gelangen gerade in unseren äußerst herausfordernden Zeiten an einen Punkt in ihrem Leben, an dem sie mehr Informationen über sich selbst brauchen. Das geht oftmals mit Ende 30 los. So ein Retreat-Besuch in einem sicheren Umfeld kann diese Informationen liefern, man trifft nochmal ganz neu auf sich selbst.  

Das hieße ja, dass mir ein "Trip" eine Menge Psychotherapie ersparen könnte? 

Wenn er unter fachmännischer Anleitung läuft, kann es eine unglaublich tolle Ergänzung sein, eine mögliche Beschleunigung großer, zäher Fragestellungen. Dass man sich in andere "Ebenen" begibt, ist übrigens kein "new crazy Silicon Valley shit", sondern etwas, das es in sehr alten Kulturen schon immer und überall auf der Welt gab.  

LSD kann es in der griechischen Antike ja nicht gewesen sein, was zur Erleuchtung der alten Helden beitrug … 

Das waren andere Substanzen. "Magic Mushrooms" tauchen zum Beispiel in alten Abbildungen auf. Und sich in einen rauschhaften Zustand zu versetzen, war durchaus üblich, um Grenzerfahrungen zu machen. Um Dinge zu sehen, Lösungen zu finden. Steve Jobs hatte mehrfach erklärt, dass LSD-Erfahrungen ihn erst dazu gebracht haben, in Apple eine Vision, eine Ästhetik und nicht nur eine Firma zu sehen. 

Im besten Fall habe ich also etwas gesehen, etwas herausgefunden - wie gehe ich nun damit um?

Man spricht im Anschluss mit einem Therapeuten darüber und auch in der Gruppe. Das Ergebnis ist, grob gesagt, dass man als Person Schritte auf sich zu macht. Und zwar auf die Person, die man eigentlich ist. Nicht die, die man sein sollte. Man schaut sich von außen an. Das kann sehr heilsam sein. Mir ist wichtig, zu kommunizieren, dass diese Art der Selbstbefragung eine sehr normale Angelegenheit sein kann, wenn sie richtig angewandt wird. Wir schreiben beim "The New Health Club" also ein neues Narrativ. Und das finde ich sehr aufregend. 

Mit Anne Philippi sprach Sabine Oelmann

Quelle: ntv.de

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