Leben

Problem Overtourism Wohin mit den Urlaubermassen?

Mallorca geht mit vielen Regeln gegen den ausufernden Tourismus und seine Folgen vor.

Mallorca geht mit vielen Regeln gegen den ausufernden Tourismus und seine Folgen vor.

(Foto: picture alliance / Julian Strate)

Immer mehr Menschen besuchen dieselben Reiseziele. Viele in der Tourismusbranche sehen das Problem, doch Beschränkungen wollen nur wenige.

Mehr als 20 Millionen Menschen besuchten im vergangenen Jahr Bangkok. Auch die Metropolen London und Paris gehören nach Angaben des "Global Destination Cities Index" von Mastercard zu den Top 3 der meistbesuchten Städte der Welt. Das im Vergleich relativ kleine Palma de Mallorca zählte fast 8,8 Millionen Besucher und liegt damit auf Platz 16.

Die immens hohen Besucherzahlen führen in manchen Touristenhochburgen zu einem Ausnahmezustand mit spürbaren Folgen. Die Orte werden von Besuchern regelrecht überrannt. Teilweise verdrängen Urlauber die einheimische Bevölkerung. Normale Wohn-Apartments werden in Ferienwohnungen für Kurzzeitgäste umgewandelt. Die Städte verlieren zunehmend an Atmosphäre, wenn dort nur noch wenige Einheimische wohnen.

Dabei sind Städtereisende oft nur wenige Stunden vor Ort, in denen sie von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten hetzen. Die Urlauber kommen emotional erst gar nicht am Reiseziel an. Statt in die Kultur einzutauchen, arbeiten viele Besucher nur noch eine Reise-Bucketlist ab. Das schafft auch bei den Bewohnern wenig Akzeptanz. Wenn sich schließlich an einem Ort zu viele Besucher sammeln und zur Belastung für die Einheimischen werden, dann handelt es sich um das Phänomen Overtourism.

Auf der diesjährigen Reisemesse ITB war der touristische Overkill das Topthema, wie auch schon 2018. Die Branche sieht die Herausforderung und will Antworten finden. Doch wie funktioniert das, ohne den wichtigen Wirtschaftszweig Tourismus zu beschädigen und gleichzeitig nachhaltige Ziele zu verfolgen? Reiseunternehmen wie Travelzoo versuchen die Wege der Urlauber zu analysieren. Vorstandsmitglied Sharry Sun macht das Thema Overtourism an einer beeindruckenden Zahl fest: "Die 20 am stärksten besuchten Destinationen der Welt ziehen so viel Interesse auf sich wie alle übrigen Reiseziele." Die Lösung wird ihrer Ansicht nach nicht leicht zu finden sein. "Es ist nicht das Ziel, Reisende zu stoppen, sondern sie zu einem klugen und verantwortlichen Reisen zu bringen."

Der Chef des Online-Riesen Tripadvisor sieht Overtourism hingegen als Problem, das nur wenige Orte betrifft und nicht allzu viele Menschen interessiert: "Ich denke, dass Overtourism für die Mehrheit der Urlaubsdestinationen kein Problem ist", erklärt CEO Stephen Kaufer n-tv. Doch natürlich müssten die jeweiligen Tour Anbieter sich in den betreffenden Städten darum kümmern. Das Thema werde außerdem gerade "gehypt".

Wie viel Verantwortung tragen die Reedereien?

Der Handlungsdruck aber wächst und besonders die Passagierschifffahrt steht im Zentrum der Debatte. Der Vorsitzende des internationalen Kreuzfahrtverbandes Clia, Adam Goldstein, weiß, dass die Touristen anders verteilt werden müssen: "Menschen sind hungrig darauf, die Welt zu entdecken. Wir sind ein Teil davon und müssen deshalb auch Verantwortung übernehmen und gemeinsam mit den Städten und NGOs nach Lösungen suchen. (…) Es darf nicht die Lebensqualität der Menschen vor Ort beeinflussen", sagt er im Interview mit n-tv. Die Beteiligten sehen zwar das Problem, wiegeln aber ab und verweisen immer wieder auf andere Gruppen, die Vorschläge machen sollen. Eine befriedigende Lösung für die Einheimischen in den Urlaubsorten ist das nicht.

Denn Goldstein relativiert auch den Einfluss der Schiffe. Aus seiner Sicht seien die großen Schiffe deutlich sichtbar, deshalb werde ihr Einfluss auf das Problem von Regierungen und Medien als übertrieben dargestellt. Doch in den nächsten Jahren kommen immer mehr Schiffe auf der Markt. Allein in diesem Jahr sind es 21 und sie transportieren immer mehr Passagiere von Hafen zu Hafen. Der Kreuzfahrtverband rechnet 2019 mit 30 Millionen Schiffsreisenden weltweit.

Regierungen wehren sich

Auf der Baleareninsel Mallorca spitzt sich die Urlauber-Situation beispielsweise seit Jahren immer mehr zu. Inzwischen begrenzt die Regierung die Lizensierung von Ferienwohnungen, damit sich an den Küstengebieten weniger Touristen aufhalten. Auch gegen den Wohnungsvermittler Airbnb geht die mallorquinische Verwaltung vor, um illegale Vermietungen zu verbieten und die Urlauberströme besser kontrollieren zu können. Mallorca ist wohl eine der wenigen Destinationen, die sich wünschen, dass deutlich weniger Menschen dort ihren Urlaub verbringen. Teile der Inselbevölkerung sind mittlerweile nicht mehr gut auf die Besucher zu sprechen. So kam es schon öfter zu großen Aktionen von Mallorquinern, die sich gegen die Urlauber auflehnten.

Ein weiteres Beispiel ist Venedig: Das italienische Stadt, die besonders unter den Tagesausflügen der Kreuzfahrttouristen leidet, erhebt nun eine Eintrittsgebühr von bis zu 10 Euro. Offiziell heißt es, dass damit die Instandhaltung Venedigs finanziert werden soll. Aber man hofft vielleicht auch, dass dadurch ein paar Menschen weniger den Markusplatz besuchen. In Spitzenzeiten strömen rund 130.000 Touristen pro Tag die Lagunenstadt.

Nicht zu unterschätzen ist auch die Anziehungskraft, die Filmorte auf Touristen haben. Maya Beach Bay in Thailand wurde durch den Hollywood-Film "The Beach" weltberühmt. Nachdem der Film im Jahr 2000 in die Kinos kam, zog er massenhaft Urlauber an, die sich in der türkisblauen und fotogenen Bucht drängelten. Doch dann musste die thailändische Regierung durchgreifen: Zu viele Menschen verschmutzten den Strand, seitdem ist er auf unbestimmte Zeit für Urlauber gesperrt.

 

Quelle: ntv.de

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