Zum 50. Mal Iditarod Härtestes Schlittenhundrennen der Welt beginnt
07.03.2022, 10:35 Uhr (aktualisiert)
Nach einer coronabedingt verkürzten Version letztes Jahr findet das Schlittenhundrennen Iditarod 2022 wieder in Originalform statt: 1800 Kilometer Strecke quer durch die Wildnis von Alaska.
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Iditarod ist ein extrem strapazierendes Schlittenhundrennen am Rand des Polarkreises. Wie es sich anfühlt, beim härtesten Rennen dieser Art dabei zu sein, schildert einer, der das sieben Mal miterlebt hat. 49 Gespannlenker treten in diesem Jahr gegeneinander an.
Schneestürme, extreme Minustemperaturen und eine einsame Strecke durch die Wildnis von Alaska - über 1800 Kilometer lang: Zurecht hat das Iditarod den Ruf als das härteste Schlittenhundrennen der Welt. An diesem Wochenende gehen 49 Musher, also Gespannlenker, mit ihren Hunden an den Start, darunter 17 Frauen.
"Es ist eines der letzten großen Abenteuer", sagt der Deutsche Sebastian Schnülle im dpa-Interview. Der gebürtige Wuppertaler, in Ostfriesland aufgewachsen, kennt es aus eigener Erfahrung. Seit 2005 war er sieben Mal dabei. 2009 schaffte er die Strecke von Anchorage bis Nome in zehn Tagen und fünf Stunden - und ging damit als Zweiter durchs Ziel.
Pause gibt es nur für die Hunde
Die meisten Teilnehmer sind gebürtige Alaskaner, nur eine Handvoll Ausländer - in diesem Jahr aus Norwegen, Schweden, Dänemark und Frankreich - trauen sich das harte Abenteuer zu. Was ist das Schwierigste daran? "Mit Abstand der Schlafentzug", sagt Schnülle ohne eine Sekunde zu zögern. Denn nach rund sechs Stunden Fahrt dürfen die Hunde pausieren, doch für den Musher geht die Arbeit weiter.

Der gebürtige Wuppertaler Sebastian Schnülle hat schon sieben Mal am Iditarod-Schlittenhundrennen teilgenommen.
(Foto: picture alliance/dpa/privat)
"Man ist Koch, Masseur und muss sich um alles kümmern", erzählt der 51-jährige Wahl-Kanadier. Das Futter für die Hunde wird zubereitet, deren Gelenke und Pfoten massiert, die Schuhe der Tiere müssen gewechselt werden. Für die Schlittenlenker bleibt kaum Zeit zum Schlafen. Dann geht es schon zum nächsten Checkpoint weiter.
Als Musher ist Schnülle nun im Ruhestand, doch als Rennrichter ist er bei dem Wettbewerb weiter dabei. Wegen Corona war das Rennen im vorigen Jahr verkürzt worden, einige Ortschaften wurden umfahren. Doch in diesem Jahr - dem 50. Jubiläum - geht es wieder auf die traditionelle Strecke bis ins entlegene Nome an der Beringsee, ein Ort, der nur per Schiff oder Flugzeug, aber nicht mit dem Auto zu erreichen ist.
Schneemobile vs. Hunde
Das Iditarod-Rennen verdankt seinen Namen einem alten Pfad, der seit Ende des 19. Jahrhunderts entlegene Goldgräber- und Hafenorte im hohen Norden verband - durch menschenleere Tundren, dichte Wälder und über vereiste Flüsse hinweg. Berühmt wurde die Strecke 1925, als eine Diphterieepidemie vor allem die Kinder der Ureinwohner in Nome bedrohte. Musher transportierten damals rettendes Serum in den entlegenen Ort.
1973 ging es um eine andere Rettungsaktion. "Damals wurden die Schlittenhunde in den Orten immer mehr von motorisierten Schneemobilen verdrängt", erzählt Chas St. George, Mitglied im Iditarod-Vorstand. Um die Tradition zu retten, riefen eine Handvoll Musher das Rennen ins Leben.
"Liebe zu Hunden und zum Abenteuer" als Antrieb
1985 gewann die 29 Jahre alte Libby Riddles als erste Frau das Rennen - in 18 Tagen. Inzwischen liegt der Streckenrekord bei gut acht Tagen. Doch das Motiv, warum Musher diese Strapazen auf sich nehmen, ist für Schnülle gleichgeblieben: "Es ist die Liebe zu den Hunden und zum Abenteuer", sagt der Deutsche.
Schnülle studierte Umwelttechnik in Deutschland, als er auf einer Reise in Kanada seine erste Hundeschlittentour mitmachte. Wenig später, mit 26 Jahren, wanderte er nach Yukon aus. Dort gründete er seine eigene Hundeschlittenfirma, scheiterte allerdings "kläglich" bei seinem ersten langen Rennen, dem Yukon Quest, gibt Schülle lachend zu. Doch langsam lernte er dazu. Bei seinem ersten Iditarod im Jahr 2005 lag er abgeschlagen auf dem 38. Platz - doch da habe er "Blut geleckt", sagt Schnülle.
Im Sommer bot der vollbärtige Wahl-Kanadier auf Gletschern in Alaska Touren für Touristen an, im Winter trainierte er für die Rennen. Der Sport sei sehr teuer geworden, mit rasant steigenden Kosten für Hundefutter und Ausrüstung, kritisiert Schnülle. 2018 gab er die Schlittentouren auf, eine wirtschaftliche Entscheidung, die auch mit dem Klimawandel zu tun hatte. Eine kürzere Saison im Eis, ein höheres Risiko durch gefährliche Gletscherspalten.
Trotz Polarkreiserwärmung: aktuell kein Schneemangel
Am Polarkreis wird es wärmer und das macht auch den Iditarod-Teilnehmern in den letzten Jahren zu schaffen. Wegen Schneemangel musste schon mal die Strecke weiter nach Norden verlegt werden. "In diesem Jahr haben wir genug Schnee, aber der Klimawandel ist eine große Sorge, es gibt mehr extreme Stürme", sagt Rennorganisator Chas St. George. 2019 sei bei stürmischem Wetter das Eis am Meeresrand eingebrochen. Es müssten häufig mehr Eisbrücken gebaut werden, damit die Musher die Strecke abfahren können.
Schnülle, der in der Yukon-Wildnis naturverbunden in einer Holzhütte lebt, gerät schnell ins Schwärmen. Mit den Iditarod-Rennen habe er sich ein "Lebensabenteuer" erfüllt. Dort erlebe man Kameradschaft, nicht nur mit den anderen Schlittenlenkern und den Dorfbewohnern, auch mit den Hunden, die wie Partner ans Herz wachsen. "Da liegt man im Sturm in einem Schlafsack, mitten im Nichts, und man ist absolut im Hier und Jetzt", beschreibt Schnülle den Reiz des Extrem-Sports.
(Dieser Artikel wurde am Samstag, 05. März 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, Barbara Munker, dpa