Nach Widerspruch durch BGHAngeklagter im Revisionsprozess um Hannas Tod freigesprochen

Er war schon verurteilt, dann aber entschied der Bundesgerichtshof: Sein Prozess muss neu aufgerollt werden. Dem Angeklagten im Mordfall Hanna bringt ein Verfahrensfehler erst die Freiheit und nun auch den Freispruch.
In der Neuauflage des Prozesses um den Tod der Studentin Hanna aus dem oberbayerischen Aschau ist der wegen Mordes Angeklagte freigesprochen worden. Es seien "keine Anhaltspunkte ersichtlich geworden, dass der Angeklagte für den Tod verantwortlich sein könnte", sagte Richterin Heike Will. "Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass es im Verlaufe der Ermittlungen zu etlichen fatalen Fehlern gekommen ist." Das müsse an anderer Stelle Konsequenzen haben.
"Dieses Rechtssystem hat Ihnen großes Unrecht zugefügt", sagte die Richterin an den Angeklagten gewandt und kämpfte mit den Tränen. "Als Teil dieses Rechtssystems möchte ich mich bei Ihnen entschuldigen." Im Zuschauersaal brandete Applaus auf.
Der Prozess habe zwar nicht aufklären können, was mit Hanna geschehen ist, sagte Will. Er habe aber geklärt, dass der Angeklagte nicht verurteilt werden könne. "So unbefriedigend es auch erscheinen mag: Für dieses Verfahren, für dessen Nicht-Schuldspruch ist die Frage, ob es ein Unfallgeschehen oder Fremdverschulden war, nicht mehr von Relevanz."
Denn "vermeintliche Geständnisse" des Angeklagten Dritten gegenüber hätten in diesem "reinen Indizienprozess" vor Gericht nicht standgehalten. Die Richterin nannte eine Freundin des Mannes "unglaubwürdig", die der Polizei von einem Geständnis des Angeklagten berichtet hatte. Der 23-jährige Angeklagte muss laut Gerichtsentscheidung für die bisherige Haft entschädigt werden. In einem ersten Prozess war er wegen Mordes verurteilt worden.
Im neuen Prozess hatte nun selbst die Staatsanwaltschaft Freispruch gefordert, weil sie dem Mann die vorgeworfene Tötung nicht nachweisen konnte. Die Verteidigung sagte, dass das erneute Verfahren die Unschuld des jungen Mannes bewiesen habe.
Neun Jahre Jugendstrafe
Hanna war in der Nacht zum 3. Oktober 2022 nach einer Partynacht in der Aschauer Disco "Eiskeller" tot und mit vielen Verletzungen im Fluss Prien entdeckt worden. Einige Wochen später wurde ein junger Mann festgenommen und später wegen Mordes angeklagt. Im März 2024 verurteilte ihn das Landgericht Traunstein wegen Mordes zu einer Jugendstrafe von neun Jahren. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil aber wegen eines Verfahrensfehlers auf. Der Fall wurde deshalb Ende September neu aufgerollt.
Die Verteidigung ging von einem Unfall aus. Hanna habe sich die Verletzungen am Kopf und Oberkörper zugezogen, als sie rund zwölf Kilometer im Fluss trieb. Der Angeklagte war schon zu Prozessbeginn auf freiem Fuß, da Gutachten die Glaubwürdigkeit einer wichtigen Zeugenaussage in Zweifel gezogen hatten. Das Verfahren fand aus Platzgründen im Amtsgericht Laufen statt.
Die Eltern Hannas hatten sich bereits im Oktober aus dem Prozess zurückgezogen. Ihr Anwalt begründete die Entscheidung unter anderem mit der Verfahrensführung der zuständigen Kammer des Landgerichts Traunstein: "Die Strafkammer hat die Verhandlungsführung nahezu vollständig der Verteidigung überlassen", schrieb er. "Die Verteidigung nutzt diesen Umstand nicht nur zu einer unerträglichen Selbstdarstellungsinszenierung, sondern lässt auch keine Gelegenheit aus, Polizei, Staatsanwaltschaft sowie die vormals entscheidende Strafkammer zu diskreditieren."
Richterin Will äußerte Verständnis dafür, dass das Ergebnis des Prozesses, der die Frage, wie Hanna zu Tode kam, nicht klären konnte, "unbefriedigend" sei. Sie sprach der Familie der Studentin "tiefstes Mitgefühl" aus.