Panorama

Virologe Streeck bei ntv "Boostern schließt unsere Impflücke nicht"

Hendrik Streeck ist Direktor des Instituts für Virologie und HIV-Forschung an der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn.

Hendrik Streeck ist Direktor des Instituts für Virologie und HIV-Forschung an der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn.

(Foto: picture alliance/dpa)

Deutschland läuft in die vierte Welle hinein und diskutiert über Booster-Impfungen. Laut Virologe Hendrik Streeck sind diese zwar wichtig, lösen aber das derzeit größte Problem nicht. Dass in dieser Corona-Saison keine flächendeckenden kostenlosen Tests zur Verfügung stehen, bedauert Streeck ausdrücklich.

ntv: Sieht so aus, als würde das doch kein "Corona light"-Winter. Müssen die Maßnahmen wieder verschärft werden?

Hendrik Streeck: Das wichtigste Mittel, das wir haben, ist die Impfung. Je mehr Menschen wir dazu bewegen können, sich impfen zu lassen, desto weniger Belegung mit Covid-19 werden wir auf den Intensivstationen haben. Was ich schade finde, ist, dass wir das flächenhafte Testen aufgegeben haben. Die kostenfreien Testangebote haben uns gut durch den letzten Herbst und Winter gebracht. Und ich glaube, es ist wichtig, über diese Tests einen guten Überblick zu haben, wie sich das Infektionsgeschehen in Deutschland verhält.

Wären Sie dafür, die kostenlosen Tests wieder einzuführen?

Das war ein wichtiges Standbein im letzten Herbst und Winter. Und es gibt dem Bürger eine gewisse Selbstverantwortung: Man hat vielleicht das Gefühl, man hatte einen Risikokontakt und geht dann aus Eigenverantwortung schnell testen. Das gilt sowohl für Geimpfte als auch für Ungeimpfte, denn wir sehen ja auch manchmal, dass bei Geimpften Ausbrüche oder auch Übertragungen stattfinden können.

Was würde eine Ausweitung der 2G-Regel denn aus virologischer Sicht bringen?

Das ist eine politische Entscheidung, ob man 3G gegen 2G eintauscht. Letztendlich sehen wir ja auch eine Übertragung bei Geimpften und gelegentlich auch, dass ein Geimpfter das Virus weitergeben kann. Daher hat es ein wenig den Anschein, als ob es nur noch eine Pandemie der Ungeimpften wäre. Und das ist nicht richtig, sondern wir sind alle Teil der Pandemie. Und ich würde eher an alle Bürger appellieren, dass man sich klarmacht, dass wir diesen Herbst und Winter alle nochmal mit verantwortlich sind und jeder seine Verantwortung übernehmen muss. Natürlich gilt das noch mehr für die Ungeimpften.

Stichwort: Boostern - viele fragen sich, ob sie das jetzt wirklich machen sollten, wenn noch nicht mal klar ist, um wie lange sich die Immunität dadurch verlängert. Wie sehen Sie das?

Die STIKO hat sich mit dem Nutzen einer Booster-Impfung sehr genau beschäftigt. Das ist sinnvoll für Menschen im Alter von über 70 Jahren oder solchen, die eine Vorerkrankung und damit ein höheres Risiko für einen schwereren Verlauf haben. Die Booster-Impfung hat aber nicht den Effekt, dass es unsere Impflücke schließt. Vor allem bei den über 60-Jährigen müssen wir durch gezielte Ansprache, vielleicht durch die Krankenkassen oder den Hausarzt, erreichen, dass sich dort mehr Menschen impfen lassen. Denn das sind die Personen, die am Ende einen schweren Verlauf haben können.

Mit Hendrik Streeck sprach Mara Bergmann

Quelle: ntv.de

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