Neues Schwarzbuch erschienen Brücke ins Nichts und teures WC - Lobbyverein prangert Verschwendung an
09.10.2024, 15:21 Uhr Artikel anhören
Überbordende Bürokratie und unsinnige Projekte - Jahr für Jahr setzt der Staat öffentliches Geld in den Sand. Der Bund der Steuerzahler legt diese im jährlich erscheinenden Schwarzbuch offen. Die Lobbygruppe wünscht sich Besserung.
Trotz klammer Kassen verschwendet der Staat nach Ansicht des Steuerzahlerbunds weiterhin viele Millionen Euro an Steuergeld. Auch überbordende Bürokratie verursache hohe Kosten, kritisierte der Verein. "Jahr für Jahr versickern Milliarden Euro Steuergeld durch die wuchernde Bürokratie mit oft nur fragwürdigem Nutzen oder gar echtem wirtschaftlichen Schaden", heißt es im neuen Schwarzbuch des Lobbyverbands. Mit 100 Beispielen aus Kommunen sowie der Landes- und Bundesebene beleuchtet der Verein darin zum 52. Mal, wo aus seiner Sicht öffentliche Gelder in den Sand gesetzt werden.
"Wir müssen immer wieder feststellen, dass oft gesunder Menschenverstand durch bürokratische Regeln ersetzt wird", bemängelte Vereinspräsident Reiner Holznagel bei der Präsentation des Buches. Um Bürokratie abzubauen, forderte Holznagel die Politik auf: "Haben Sie mehr Mut, Unsinniges zu streichen, Strukturen zu verändern oder zu überdenken." Die seit 2015 geltende "One-in-One-Out"-Regel reicht laut Holznagel nicht aus. Diese sieht vor, dass für jede gesetzlich eingeführte Belastung der Wirtschaft spätestens bis zum Ende der Legislaturperiode eine mindestens gleich hohe Entlastung herbeigeführt werden muss.
Der Bund der Steuerzahler fordert eine Verschärfung: eine "One-in-Two-Out"-Regel. "Das heißt, wer eine neue bürokratische Regelung schafft, der muss zwei andere abschaffen, damit es endlich weniger wird und die Menschen mehr Freiraum haben", führte Holznagel aus. Neben dem Schwerpunkt-Kapitel über Bürokratie nimmt der Verein auch unter anderem Kosten bei "Brücken, Straßen und Verkehr" sowie die skurrile Nutzung öffentlicher Gelder unter die Lupe. Einige Beispiele:
Die "Alte Postbrücke" im südhessischen Lorsch
Das denkmalgeschützte Bauwerk war demnach wegen einer Beschädigung seit 2016 gesperrt und wurde für mehr als 300.000 Euro saniert. Die Bürgerinnen und Bürger könnten die Brücke nun wieder begehen, erklärte der BdSt. "Aber am Ende der Brücke in Richtung Weschnitzinsel geht es nicht weiter – dort wurde nämlich ein meterhoher Zaun errichtet." Hinter dem Zaun befindet sich ein Naturschutzgebiet, dessen Renaturierung 2017 abgeschlossen wurde. Inzwischen darf der frühere Weg durch das Gebiet nicht mehr benutzt werden. Nach Ansicht des Steuerzahlerbundes hätte womöglich eine günstigere Teilsanierung der Brücke ausgereicht.
Hamburgs teuerstes WC
Hamburg hat die unterirdische öffentliche Toilette an der Einkaufsmeile Mönckebergstraße ein gutes Jahr lang für rund zwei Millionen Euro sanieren lassen. Ursprünglich seien Kosten in Höhe von 1,4 Millionen Euro eingeplant gewesen. Doch nach nur rund drei Monaten Betrieb musste die Toilette wegen eines Wasserschadens erneut geschlossen und in den Rohbauzustand zurückversetzt werden. Nach Senatsangaben war bei der Sanierung keine wasserdichte Wanne hergestellt worden. "Obwohl es dieses Mal nur um eine Toilette geht, ist der Schaden gigantisch: 2,08 Millionen Euro wurden sprichwörtlich bereits im Klo versenkt", erklärte der Steuerzahlerbund. Und es sei unklar, was nun an weiteren Kosten folge.
Das Krötentunnelsystem in Blankenese
Das Bezirksamt Altona hat in Blankenese nach eigenen Angaben für 465.848 Euro entlang des Falkensteiner Ufers und des Falkensteiner Wegs ein 465 Meter umspannendes Amphibienleitsystem mit vier Tunneln angelegt. Aus Sicht des Steuerzahlerbundes eine in mehrerlei Hinsicht zweifelhafte Investition. Denn zum einen liege die Anlage an einer Fahrradstraße, die lediglich von sehr wenigen Anwohnern mit dem Auto befahren werde. "Hier stellt sich durchaus die Frage, ob da nicht Hinweisschilder ausgereicht hätten", erklärte der Bund der Steuerzahler. Und zum anderen sei überhaupt nicht klar, ob der Verkehr für den festgestellten Rückgang der Krötenpopulation verantwortlich ist. Es gebe dazu bislang keine Zahlen.
Fahrradparkhaus in Kiel
Das Uniklinikum Kiel erhält für mehr als 15 Millionen Euro ein Fahrradparkhaus für 1.340 Fahrräder. Dazu gehören Ladestationen für E-Bikes, Spinde für Fahrradbekleidung und ein Serviceraum für Reparaturen. Das mache mehr als 11.000 Euro je Fahrradparkplatz. Zu teuer, moniert der BdSt. Besser wäre es aus seiner Sicht, überdachte Fahrradstellplätze auch an Kliniken zu bauen, die noch keine Abstellanlagen hätten.
Beamter soll im Homeoffice vergessen?
Die Verbandsgemeinde Betzdorf-Gebhardshain im Westerwald hat nach Darstellung des Steuerzahlerbunds einen Beamten fünf Jahre lang im Dauer-Homeoffice vergessen. Er habe keine Aufgaben bekommen, sei aber weiter bezahlt worden. Den Sachschaden beziffert der Steuerzahlerbund auf rund 600.000 Euro.
Quelle: ntv.de, jog/dpa