Panorama

Orkantief im AnmarschDer Norden rüstet sich für "Xaver"

04.12.2013, 17:59 Uhr
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Wie schlimm wird "Xaver"? Meteorologen warnen vor dem neuen Orkantief, das am Freitag auf die Nordseeküste treffen soll. Hamburg hat die Signale erkannt und rüstet sich für eine Sturmflut. Auch in Schleswig-Holstein und Niedersachsen müssen Flug- und Bahnreisende auf der Hut sein.

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Im Oktober hielt Sturmtief "Christian" die Republik auf Trab und sorgte wie hier bei Brunsbüttel für kräftige Wellen auf der Nordsee. Jetzt steht "Xaver" vor der Tür - die Behörden rechnen mit Wellen von bis zu 17 Metern Höhe. (Foto: dpa)

Der Norden Deutschlands rüstet sich für den großen Sturm: In Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen bereiten sich die Menschen auf die Ankunft des Orkans "Xaver" vor. Nach Einschätzung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) wird dieser voraussichtlich in Schleswig-Holstein am stärksten wüten. Die lange Dauer über eineinhalb Tage ist laut Wetterdienst das Besondere an dem Tief, das von Island über Skandinavien kommen wird. Laut dem n-tv-Meteorologen Björn Alexander sind Windstöße von bis zu 190 Stundenkilometern möglich. Er rechnet zudem besonders in Berglagen mit Schneeverwehungen. Aber auch im Flachland könne es eine geschlossene Schneedecke und Glatteis geben.

Orkan- und Sturmböen seien bis nach Nordrhein-Westfalen, Berlin und Sachsen-Anhalt hinein möglich. Laut Alexander erreichen die Böen dort Geschwindigkeiten von 90 bis 120 Stundenkilometern. Die Windgeschwindigkeiten an der Küste würden insgesamt aber wahrscheinlich unter denen des Sturmtiefs "Christian" bleiben. Dieses war Ende Oktober über West- und Nordeuropa gezogen und hatte schwere Schäden angerichtet.

Für die norddeutsche Küste und Hamburg besteht dem DWD zufolge auch die Gefahr einer Sturmflut. Für genauere Prognosen sei es aber noch zu früh. Die Wetterlage ähnele jener, die 1962 zur berüchtigten Hamburger Sturmflut geführt habe. "Die Deiche würden einer solchen Flut aber standhalten", betonte das Institut.

Erinnerungen an Sturmflut 1962

Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) gab bis zum Morgen keine amtliche Sturmflutwarnung heraus. Das habe gegenwärtig noch keinen Sinn, sagte ein Sprecher. "Wir rechnen für Freitag mit 2,50 Meter über dem Mittleren Hochwasser." Er warnte zugleich vor vorschnellen Vergleichen mit 1962. "Die Sturmflut, die kommt, ist nicht so ungewöhnlich." Die genauere Entwicklung sei aber noch nicht absehbar.

Von einer Sturmflut wird an der Nordseeküste gemäß offizieller Definition ab einem Wasserstand von etwa 3,5 Meter über Normalnull oder etwa 1,5 Meter über dem mittleren Hochwasser gesprochen. Von einer schweren Sturmflut ist ab 4,5 Metern über Normalnull (etwa 2,5 Meter über mittlerem Hochwasser) die Rede.

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Zurzeit liegt die Nordsee spiegelglatt da - es ist die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm. (Foto: dpa)

Bei der Hamburger Sturmflut von 1962 stieg das Wasser auf 5,70 Meter über Normalnull. Anders als damals sind die Deiche der Hansestadt inzwischen aber alle auf Wasserstände von mindestens 7,50 Meter über Normalnull ausgelegt, teils sogar für mehr als neun Meter. Sie sind zudem auch wesentlich stabiler gebaut.

Auch in Niedersachsen rechnen die Behörden für den Höhepunkt der Flut am Freitag nur mit einem Wasserstand von zwei Metern über dem mittleren Hochwasser. Dabei sei mit der Überflutung von Stränden oder Hafenflächen zu rechnen, hieß es auf der Homepage des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz. Auf den Baustellen der Offshore-Windparks in der deutschen Nordsee ist die Arbeit weitgehend eingestellt.

Baumtrupps bei der Bahn

Sturmflut: Sonne und Mond ziehen mit

Dass mit "Xaver" eine besonders heftige Flut an der Nordseeküste zu erwarten ist, liegt auch an der derzeitigen Konstellation von Erde, Mond und Sonne.

Es ist im Wesentlichen die Anziehungskraft des Mondes, die Ebbe und Flut in den Meeren der sich drehenden Erde hervorruft. Die Sonne verstärkt die Wirkung des Mondes durch ihre Anziehungskraft, wegen ihrer großen Entfernung zur Erde allerdings nur um etwa die Hälfte. Stehen Sonne und Mond mit der Erde auf einer Achse, fällt die Flut besonders stark aus. Das ist bei Vollmond und Neumond der Fall. "Springtide" nennt man das Phänomen.

Dieses stärkere Hochwasser kann nun noch zusätzlich verstärkt werden, wenn ein starker Wind das Wasser gegen das Land drückt. Das ist Donnerstag und Freitag mit "Xaver" der Fall. Aber auch die Topographie der Küste spielt eine Rolle: Besonders stark fallen Sturmfluten an trichterförmigen Meeresbuchten oder Flussmündungen aus.

Wer morgen oder am Freitag verreisen möchte oder in den betreffenden Gebieten im Nahverkehr unterwegs ist, sollte auf jeden Fall damit rechnen, dass es länger dauern könnte. Die Deutsche Bahn bereitet sich laut eigenen Aussagen "intensiv" auf das Orkantief vor. Für das Räumen von Bahnsteigen und Gleisen sowie zur Reparatur von Oberleitungen sind die Bereitschaftsdienste mobilisiert. In Hamburg werden am Donnerstag alle U-Bahn-Strecken sowie Buslinien verstärkt, außerdem soll mehr Servicepersonal eingesetzt werden. Vier "Baumtrupps" zur Unterstützung der Einsatzkräfte seien abrufbereit, sollten wie beim Orkan "Christian" im Oktober umgestürzte Bäume den Verkehr behindern. Die Hochbahn will über die aktuelle Situation auf der Schiene im Internet (Facebook) sowie über den Twitterdienst (#xaver) informieren.

Zusätzliche Mitarbeiter sollen an den Bahnhöfen Kunden über mögliche Änderungen informieren. Verstärkung gibt es auch an den Einsatzstellen für Zugbegleiter und Lokführer sowie bei der Disposition der Züge. Mit Einschränkungen und auch Einstellungen rechnet die Bahn im nördlichen Niedersachsen, in Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein. Der Sylt-Shuttle zwischen Niebüll und Westerland muss ab Windstärke zwölf eingestellt werden. "Da auch der Straßenverkehr betroffen sein wird, können Busersatzverkehre voraussichtlich nur begrenzt realisiert werden", heißt es bei der Bahn. Fahrgäste, die wissen wollen, ob ihr Zug pünktlich kommt, können sich bei Verspätungen alarmieren lassen.

Flugbetrieb könnte gestört werden

Auch wer morgen fliegen will, könnte die Folgen des Sturmtiefs zu spüren bekommen – nur wo, das ist noch unklar. Die Hamburger Flughafenleitung rechnet auf jeden Fall mit Betriebsstörungen und fordert Passagiere auf, sich regelmäßig über die aktuelle Wettersituation in den kommenden beiden Tagen zu informieren. Die Lufthansa rechnet laut eigener Aussage "an einzelnen Standorten" mit Beeinträchtigungen und Ausfällen und will versuchen, die Auswirkungen "so gering wie möglich zu halten". Ähnliches ist von Air Berlin zu hören.

Welche Flüge betroffen sind, lässt sich zur Stunde noch nicht sagen. "Ob geflogen wird, entscheidet letztlich immer der Pilot", sagt Heinz Joachim Schöttes von Germanwings. Nähere Informationen gibt es auf den Websites der jeweiligen Fluggesellschaften. Air Berlin verweist auch auf die Social Media-Kanäle Facebook und Twitter. Wer die entsprechenden Kontaktdaten hinterlegt hat, bekommt bei der Lufthansa auch Infos über Verspätungen aufs Handy, Germanwings schickt zumindest bei Ausfällen eine Nachricht.

Eine Bevölkerungsgruppe dürfte sich über den gefürchteten Sturm allerdings freuen: Die Schüler. An Schleswig-Holsteins kompletter Nordseeküste fällt am Donnerstag der Unterricht aus. Neben den Kreisen Nordfriesland samt Inseln und Halligen sowie Dithmarschen gilt dies auch für den Kreis Ostholstein inklusive Fehmarn, die Stadt Flensburg und den Kreis Schleswig-Flensburg.

Quelle: ntv.de, ino/vpe/AFP/dpa

Deutscher WetterdienstBundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie