Panorama

Ein Bergungshelfer erzählt Die roten Fähnchen des Todes

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(Foto: picture alliance / dpa)

Mehr als 600 Helfer von Bergwacht, Gendarmerie und Rotem Kreuz beteiligen sich an der schwierigen Suche nach Teilen des zerschellten Germanwings-Airbus. Ihr Job ist hart und erfordert starke Nerven - doch auch sie stoßen an ihre mentalen Grenzen.

Matthieu steht mit einer Tasse Kaffee in der Hand vor dem großen Haus am Rand der Landstraße und schaut in die Berge. Es ist kurz nach halb sieben Uhr morgens im kleinen Dorf Selonnet unweit von Seyne-les-Alpes. Der Himmel ist blau und hinter dem fast 3000 Meter hohen Massiv des Tete de l’Estrop sieht man schon die Sonnenstrahlen, die erst ein paar Stunden später ihren Weg ins Tal finden werden. "Das Wetter ist viel zu schön für den Job, den wir hier machen", sagt Matthieu. Der junge Mann mit dem markanten Kinn trägt die Uniform der Gendarmerie und ist einer der mehr als 600 Helfer, die bei der Bergung der zerschellten Germanwings-Maschine mitwirken.

"Ich bin gestern Morgen angekommen und dann den ganzen Tag im Einsatz gewesen. Heute muss ich unbedingt dran denken, mal andersherum am Hang zu stehen, damit mein linkes Bein auch so weh tut wie das rechte", sagt Matthieu. Er versucht zu lächeln. Humor hat noch jede schwierige Situation leichter gemacht.

"Teile von jemandem, verstehst du?"

In einer Stunde werden er und seine Kollegen sich mit dem halben Dutzend Mannschaftsbussen der Gendarmerie auf den Weg nach Seyne machen. Dort warten bereits die Hubschrauber. Zu der kleinen Kolonne gehört auch ein Bus der französischen Spurensicherung, der Schriftzug verrät es. "Die haben spezielle Aufgaben" ist alles, was Matthieu dazu sagen kann oder möchte. Über seinen Job redet der Mittzwanziger mit dem Kurzhaarschnitt dagegen relativ offen, obwohl er vorher eigentlich seinen Presseoffizier fragen müsste: "Aber der schläft noch" und manche Dinge brauchen eben ein Ventil.

"Wir sind die Jungs, die das Absturzgebiet Zentimeter für Zentimeter durchkämmen. Ständig muss man aufpassen, dass man keine Steine lostritt oder von welchen getroffen wird", sagt er. Dann stockt er kurz, nestelt eine Zigarette aus seiner Jackentasche, zündet sie an und zieht heftig. "Wir haben diese roten Fähnchen dabei und immer, wenn wir Teile finden, stecken wir ein Fähnchen daneben in den Boden." Kurze Pause, Rauchen, dann: "Teile von jemandem, meine ich, verstehst du?"

Gestern Abend hätten Kollegen angefangen, die menschlichen Überreste in schwarze Säcke zu verpacken und ins Tal zu bringen, "aber da war ich zum Glück schon nicht mehr dabei". Im Haus kommt Bewegung auf, Teller scheppern, Tassen klirren. Matthieu schnippt die halb gerauchte Kippe weg. "Ich muss los.“

Quelle: ntv.de

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