Nach Antisemitismus-Eklat Documenta-Chefin Schormann legt Amt nieder
16.07.2022, 13:54 Uhr
Das Banner des Künstlerkollektivs Taring Padi wurde nach heftiger Kritik abgehängt.
(Foto: dpa)
Ein antisemitisches Banner auf der diesjährigen Documenta kostet die Generaldirektorin der Kunstschau, Sabine Schormann, den Job. Die Entscheidung fällt in einer nächtlichen Sitzung des Aufsichtsrats. Der gibt sich nach dem Eklat auch selbstkritisch - und verspricht Besserung.
Die Generaldirektorin der diesjährigen Documenta in Kassel, Sabine Schormann, legt ihr Amt nieder. Man habe sich einvernehmlich geeinigt, ihren Dienstvertrag aufzulösen, teilte der Aufsichtsrat der Kunstausstellung mit. Es werde zunächst eine Interimsnachfolge angestrebt.
Der Aufsichtsrat und Schormann zogen damit die Konsequenz aus dem Antisemitismus-Eklat auf der diesjährigen Schau. Ein Werk mit antisemitischer Bildsprache war nach einer Welle der Empörung nur wenige Tage nach Beginn der Weltkunstausstellung abgebaut worden. Schon Monate zuvor hatte es Antisemitismus-Vorwürfe gegen das indonesische Kuratorenkollektiv Ruangrupa gegeben.
Der Aufsichtsrat distanzierte sich deutlich von dem Werk. "Die Präsentation des Banners 'People's Justice' des Künstlerkollektivs Taring Padi mit seiner antisemitischen Bildsprache war eine klare Grenzüberschreitung und der Documenta wurde damit ein erheblicher Schaden zugefügt." Der Vorfall müsse zeitnah aufgeklärt werden.
Am Freitagabend war der Aufsichtsrat dann zusammengekommen. Die Sitzung war erst spät in der Nacht zu Ende. Im Aufsichtsrat sind die Stadt Kassel und das Land Hessen vertreten. An der Spitze stehen Oberbürgermeister Christian Geselle als Aufsichtsratsvorsitzender und Kunstministerin Angela Dorn. Sie hat die Sitzung nach eigenen Worten beantragt. Dem Aufsichtsrat gehören aktuell zehn Personen an. Der Bund ist im Aufsichtsrat nicht vertreten. Kulturstaatsministerin Claudia Roth begrüßte jedoch den Rücktritt. Der "Frankfurter Rundschau" sagte die Grünen-Politikerin: "Es ist richtig und notwendig, dass nun die Aufarbeitung erfolgen kann, wie es zur Ausstellung antisemitischer Bildsprache kommen konnte, sowie die nötigen Konsequenzen für die Kunstausstellung zu ziehen."
Dorn fordert strukturelle Änderungen
In den vergangenen Wochen waren immer wieder Rücktrittsforderungen gegen die 60-jährige Schormann erhoben worden. Ihr wurde unter anderem Untätigkeit bei der Aufarbeitung des Skandals vorgeworfen. Zuletzt hatte sich der Leiter der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, als Berater der Documenta zurückgezogen. Er hatte eigentlich Teil einer Expertenkommission sein sollen, die die verbliebenen Werke der Documenta auf weitere antisemitische Inhalte prüfen sollte. Schormann habe ihren Ansagen aber keine Taten folgen lassen, kritisierte er. In der Folge erklärte mit Hito Steyerl eine der international wichtigsten Künstlerinnen, ihre Werke von der Documenta abzuziehen.
Dorn fordert - ebenso wie Kulturstaatsministerin Claudia Roth - strukturelle Änderungen bei der Kunstschau. "Wir brauchen eine Struktur, die uns für die laufende Documenta, aber auch für die Zukunft Empfehlungen geben kann", sagte Dorn am Donnerstag im hessischen Landtag. "Wir sind an einen Punkt gekommen, wo wir gemeinsam einsehen müssen, dass einige Prozesse in der Krisenbewältigung nicht gut laufen."
Schormann war im Herbst 2018 als Generaldirektorin nach Kassel gewechselt. Im Jahr zuvor war die gemeinnützige Documenta GmbH wegen eines Millionendefizits bei der Documenta 14 im Jahr 2017 in die Schlagzeilen geraten. Die damalige Geschäftsführerin, die Kunsthistorikerin Annette Kulenkampf, hatte daraufhin ihr Amt niedergelegt. Übergangsweise hatte zunächst der Musikmanager Wolfgang Orthmayr die Geschäfte geführt.
Vor ihrem Wechsel zur Documenta war Schormann in Doppelfunktion Direktorin der Niedersächsischen Sparkassenstiftung und der VGH-Stiftung gewesen. Zu ihren Aufgaben in Kassel gehörte unter anderem die Vorbereitung und Organisation der Documenta Fifteen. Die gebürtige Bad Homburgerin ist Germanistin und Kulturmanagerin. In den 1980er-Jahren studierte sie Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte an der Universität Mainz. 1992 wurde sie zu einem Thema über Bettina von Arnim promoviert.
Quelle: ntv.de, jug/dpa