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"Nur noch Haut und Knochen" Dschungel-Kindern blieb nicht mehr viel Zeit

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Manuel Ranoque will das Sorgerecht für die einjährige Cristin und den fünfjährigen Tien.

Manuel Ranoque will das Sorgerecht für die einjährige Cristin und den fünfjährigen Tien.

(Foto: AP)

40 Tage lang bangt die Welt um vier Kinder, die nach einem Flugzeugabsturz im kolumbianischen Dschungel umherirren. Ihre Rettung wird schließlich als Wunder gefeiert. Jetzt wird klar: Beinahe hätten nicht alle Geschwister überlebt.

Der Vater von zwei der vier im kolumbianischen Regenwald geretteten Kinder glaubt, sie hätten keine zwei Tage länger im Dschungel überlebt - vor allem sein fünfjähriger Sohn Tien nicht. "Sie waren nur noch Haut und Knochen", sagt Manuel Ranoque, der selbst die gesamte Zeit mitsuchte, dem "Stern".

Die Kinder im Alter zwischen einem und 13 Jahren waren nach einer aufwendigen Suche 40 Tage nach einem Flugzeugabsturz Anfang Juni gefunden worden. Drei Erwachsene an Bord der havarierten Maschine, darunter die Mutter der Kinder, waren beim Absturz am 1. Mai ums Leben gekommen.

Ausschlaggebend für die Rettung seiner Kinder war nach Ansicht des Vaters der Einsatz eines Schamanen. Nach der Einnahme eines halluzinogenen Tranks habe der den Rettern den Weg zu den Kindern gewiesen. "Es war die Ultima Ratio, als nichts mehr übrigblieb", so der Vater.

Spirituelle Hilfe

Auch General Pedro Sánchez, Kommandant der "Operation Hoffnung" und Chef der Eliteeinheit CCOES des kolumbianischen Militärs, glaubt, "das Mystische und Spirituelle" habe eine große Rolle bei der Rettung der vier Kinder gespielt. Dem "Stern" sagte Sanchez, er habe als gläubiger Katholik zum ersten Mal im Leben zur Mutter Erde gebetet, damit sie die Kinder herausrücken möge. "Ich hatte da schon zur ganzen Welt gebetet - außer zum Teufel natürlich."

Die Militärs hätten während der wochenlangen Suche sogar Rauschmittel ins Suchgebiet im Regenwald transportiert, damit die indigenen Suchtrupps, mit denen die Soldaten kooperierten, ihren Ritualen und seherischen Fähigkeiten nachgehen konnten. Wochenlang durchkämmten indigene Suchmannschaften und die Armee, unterstützt von Spürhunden, den Urwald auf der Suche nach den Geschwistern. Dass die Kinder vom indigenen Volk der Huitoto oder Witoto trotz Gefahren wie Schlangen und Jaguaren wochenlang im Dschungel überlebten, verdankten sie der Führung und Entschlossenheit der 13-jährigen Lesly und ihren Kenntnissen über den Amazonas-Regenwald.

Ranoque zufolge waren die Erlebnisse im Dschungel für seine Kinder traumatisch. Der kleine Tien frage noch immer, wann seine Mutter wieder lebendig werde, wenn er ihn im Militärkrankenhaus von Bogotá besuche, wo die Kinder aktuell versorgt werden. "Sie schläft", antworte er dann, um das Wort "tot" zu vermeiden, "eines Tages werden wir sie wiedersehen". Zur Ablenkung lese er seinem Sohn Märchen vor.

"Kinder Kolumbiens"

Astrid Cáceres, die Leiterin der kolumbianischen Jugendschutzbehörde, sagte dem Magazin, es gehe den Kindern den Umständen entsprechend gut, sie würden in dem Militärkrankenhaus auch psychologisch betreut. Die einjährige Cristin, das jüngste der geretteten Kinder, werde ständig überwacht. "Sie will dauernd umarmt werden und spielen. Sie spricht die ersten Wörter", so Cáceres. "Ab und zu sehen sich die Kinder. Das hilft sehr beim Heilungsprozess."

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Derweil hat zwischen den Angehörigen ein Kampf um das Sorgerecht für die Kinder begonnen. Ranoque, beansprucht es für die kleine Cristin und den fünfjährigen Tien, seine leiblichen Kinder. Die Eltern der verstorbenen Mutter Magdalena Mucutuy fordern das Sorgerecht für alle vier Kinder. Dem Vater werfen sie vor, die Stieftöchter Lesly und Soleiny missbraucht zu haben. Der weist diese Vorwürfe zurück und bestätigt gleichzeitig, dass es Kämpfe mit seiner Frau gegeben habe. Vor allem wenn Alkohol im Spiel war, habe es Streit gegeben.

Kolumbiens oberste Jugendschützerin Cáceres betonte, ihre Behörde werde sich mit der Entscheidung über das Sorgerecht für die vier geretteten Kinder Zeit lassen. "Wir haben sechs Monate Zeit, um das zu entscheiden", so Cáceres zum "Stern". "Wir werden sie nie alleinlassen, sie sind jetzt die Kinder Kolumbiens."

Quelle: ntv.de, sba

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