Haiti bekämpft KinderhandelElf Tage unter Trümmern
Wie durch ein Wunder finden Helfer nach elf Tagen noch einen Mann lebend unter den Trümmern eines Hotels in Haiti. Die Regierung bemüht sich derweil, das Chaos nach dem Erdbeben in den Griff zu bekommen, und geht gegen den aufkommenden Kinderhandel vor.
Obwohl die Suche nach Überlebenden unter den Trümmern in Haiti nach dem verheerenden Erdbeben offiziell schon beendet war, haben Helfer noch einen jungen Mann retten können. Der Mann, dessen Name mit Richmond angegeben wurde, hatte elf Tage unter den Trümmern des Hotels "Napoli Inn" gelegen. Am Samstag konnte ihn ein französisches Suchteam befreien, nachdem er zuvor mit Klopfzeichen auf sich aufmerksam gemacht hatte.
Unter dem Applaus Hunderter Schaulustiger wurde der Mann auf einer Trage liegend aus den Trümmern des Hotels getragen. Die Zahl der registrierten Toten erhöhte sich unterdessen auf 112.226, teilte der Zivilschutz in Haiti mit. Die Zahl der Toten war bisher auf 200.000 geschätzt worden.
Wie die britische BBC berichtete, hatte Richmond in einem Hohlraum unter meterhohem Schutt überlebt und dort möglicherweise auch Zugang zu Lebensmitteln gehabt. Ein Rettungsexperte betonte, der Mann könne nur so lange überlebt haben, weil er zumindest an Wasser gekommen sein müsse. Der Überlebende, der nach Berichten von Augenzeugen seine Hände und Beine bewegen konnte und ansprechbar war, wurde in ein Lazarett gebracht. Er habe angegeben, in den ersten Tagen noch Geräusche von anderen Überlebenden unter der Ruine gehört zu haben. Diese seien jedoch vor etwa zwei Tagen verstummt.
Kampf gegen Kinderhandel
Bislang konnten Rettungskräfte insgesamt 133 Menschen lebend aus zerstörten Gebäuden ziehen. Alle Menschen, die eine Möglichkeit hätten, die zerstörte Hauptstadt Port-au-Prince zu verlassen, wurden aufgefordert, das möglichst bald zu tun. Die Vereinten Nationen schätzten, dass etwa eine Million Überlebende aufs Land fliehen werden.
Die Regierung bemüht sich derweil die Lage in den Griff zu bekommen und etwa den Kinderhandel in Haiti zu stoppen. Informationsministerin Marie-Laurence Jocelyn Lassègue sagte, die Regierung habe neue Adoptionen verboten, beziehungsweise vorerst gestoppt. Nur solche Adoptionen haitianischer Kinder werden erlaubt, die bereits positiv beschieden waren, sagte Jocelyn Lassègue. Bis auf weiteres werden keine neuen Anträge bearbeitet. Nach dem Jahrhunderterdbeben waren Berichte über einen zunehmenden Kinderhandel im Armenhaus Amerikas publik geworden.
Chaos und Plünderungen
Nach Angaben der Regierung existieren in der Erdbebenzone Haitis etwa 330 wilde Camps mit je Tausenden von Obdachlosen. Die Regierung schicke jetzt verstärkt medizinische Dienste dorthin, um Verletzte zu suchen und sie angemessen medizinisch zu behandeln, sagte die Ministerin. Fachleute befürchten, dass auch viele Leichtverletzte an Wundinfektionen sterben könnten.
Bei der Verteilung von Hilfsgütern in Haiti mussten UN-Truppen am Samstag Tränengas einsetzen und Warnschüsse abfeuern. Der Zwischenfall ereignete sich auf einem ehemaligen Militärflugplatz in der Hauptstadt Port-au-Prince. Hunderte Überlebende der Erdbebenkatastrophe hätten zunächst ruhig in Zweierreihen angestanden, um Nahrungsmittel, Wasser und Radiogeräte zu erhalten. Dann habe es kleinere Rangeleien gegeben, schließlich habe sich die Menge auf die zu verteilenden Güter gestürzt. Brasilianische UN-Blauhelme hätten daraufhin Warnschüsse in die Luft abgegeben und Tränengas eingesetzt. Nach dem verheerenden Erdbeben war die Hilfe nur schleppend angelaufen.
Am Samstag trafen weitere US-Soldaten für den Hilfseinsatz in Haiti ein - damit sollen es insgesamt 20.000 US-Soldaten in Haiti oder auf Schiffen vor der Küste sein.
Hilfe für den Wiederaufbau
Dank der internationalen Hilfsaktionen und der unermüdlichen Arbeit tausender Helfer konnte das Leiden der bis zu drei Millionen Überlebenden etwas gelindert werden. Erstmals machten auch wieder Geldtransfer-Firmen und Banken sowie Restaurants oder ein scharf bewachter Supermarkt auf. Nach Angaben des UN-Büros zur Nothilfe- Koordinierung in New York (OCHA) sind auch 30 Prozent der Tankstellen wieder in Betrieb.
Als Vorbereitung einer geplanten Geberkonferenz für den Wiederaufbau Haitis wollen ab diesem Sonntag mehr als 20 Länder im kanadischen Montréal diskutieren. Zu dem Krisentreffen reisen unter anderem US-Außenministerin Hillary Clinton, ihr französischer Kollege Bernard Kouchner und Vertreter der Vereinten Nationen, internationaler Finanzinstitutionen sowie 21 weiterer Staaten an.
Finanzielle Unterstützung für den Wiederaufbau kommt auch Dank prominenter Hilfe: Die Spendengala amerikanischer Stars für die Erdbebenopfer von Haiti hat bislang 58 Millionen Dollar (41 Millionen Euro) eingebracht. Dabei würden die Spenden auch einen Tag nach dem Konzert aus Los Angeles, New York und London nicht abreißen, berichtete CNN. Nach Angaben des Senders ist dieser Betrag ein Rekord für eine Spendenshow nach einer Naturkatastrophe.
Die Bundesregierung kündigte eine Aufstockung ihrer Hilfen für Haiti an. Entwicklungsminister Dirk Niebel sagt der "Welt am Sonntag", sein Haus stelle weitere fünf Millionen Euro bereit, um den zahlreichen Obdachlosen schnell eine Unterkunft bereitzustellen. Insgesamt erhöhe die Bundesregierung damit die bilaterale Hilfe für Haiti auf 15 Millionen Euro, hieß es. Darüber hinaus ist die Bundesregierung an den EU-Hilfen aus Brüssel mit etwa 66 Millionen Euro beteiligt und unterstützt das von der Weltbank angekündigte Engagement in Höhe von insgesamt 100 Millionen US-Dollar.