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Timo Ulrichs bei ntv"Gibt kein haltbares Argument gegen Impfung"

15.07.2021, 15:45 Uhr
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Impftermine gibt es, doch die Zahl der verabreichten Dosen geht zurück. (Foto: dpa)

Impfstoff gibt es genug, bloß die Impflinge gehen Deutschland langsam aus: Epidemiologe Timo Ulrichs spricht sich bei ntv gegen eine Impfpflicht aus - auch wenn sanfter Druck sicher helfen mag. Am Ende müssen die Menschen überzeugt werden, sagt Ulrichs.

Impfstoff gibt es genug, bloß die Impflinge gehen Deutschland langsam aus: Epidemiologe Timo Ulrichs spricht sich bei ntv gegen eine Impfpflicht aus - auch wenn sanfter Druck sicher helfen mag. Am Ende müssen die Menschen überzeugt werden, sagt Ulrichs.

ntv: Laut RKI haben sich seit Februar 5000 Menschen, die vollständig gegen Corona geimpft waren, infiziert. Wie sicher ist man wirklich mit der zweiten Impfung?

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Der Epidemiologe Timo Ulrichs ist Professor für Medizin, Mikrobiologie und Katastrophenhilfe an der Akkon-Hochschule in Berlin.

Timo Ulrichs: Man muss das beziehen auf alle, die schon vollständig geimpft worden sind, und das sind ja Millionen. Das heißt, es ist zu erwarten, dass unter den vollständig Geimpften auch immer welche sind, die aufgrund eines geschwächten Immunsystems, eines Immundefektes oder aus anderen Gründen keinen vollständigen Immunschutz aufbauen. Umso wichtiger ist es, dass sich möglichst viele um diese Leute herum impfen lassen, damit man da eine Sicherheit bekommt. Das ist das Entscheidende, was wir auch anstreben mit der Herdenimmunität.

Es gibt aber Fälle von Menschen, die kaum oder gar keine Antikörper entwickeln. Wie viele Antikörper braucht man ungefähr, um wirklich geschützt zu sein?

Da gibt es keinen absoluten Wert, sondern höhere Antikörpertiter sind natürlich gut, und je höher, desto besser. Allerdings gibt es keine Untergrenze. Nur bei ganz niedrigen Werten, da würde man bezweifeln, ob das ausreicht. Und dann ist auch noch die zweite Frage, wann man die Antikörpertiter bestimmt. Das heißt: Wie weit ist gerade zeitlich gesehen die Immunantwort, die nach der Impfung hochfährt? Ist die immer noch stark oder geht die schon langsam zurück? Selbst dann gibt es noch die Gedächtniszellen, die würden dann im Falle eines Angriffs des Virus sofort wieder die Antikörperproduktion hochfahren.

Biontech und Pfizer arbeiten an einer dritten Impfung. Rechnen Sie damit, dass es da bald eine Empfehlung geben wird?

Das ist ja eigentlich alles noch ein bisschen früh. Wir sehen jetzt zwar, dass die Delta-Variante sich weiter ausbreitet, aber dass die vorhandenen Impfstoffe, unter anderem der zugelassene von Biontech/Pfizer, das Ganze immer noch gut abdecken. Das heißt, wir brauchen keine weitere Impfung zurzeit, die nochmal die Delta-Variante voll umfasst. Aber man kann sich natürlich gut darauf vorbereiten. Das heißt also, dass man diese Informationen nutzen kann, wie die Oberflächenstrukturen der Delta-Variante sich verändert haben im Verhältnis zu den früheren Varianten. Das geht relativ schnell, dann einen entsprechend spezifischen oder gut abdeckenden Impfstoff herzustellen.

Das Impftempo in Deutschland nimmt ab und gleichzeitig machen die USA uns vor, was eine Impfkampagne eben auch bedeuten kann. Da hat jetzt eine Schauspielerin bei einem Treffen mit dem US-Präsidenten im Weißen Haus für das Impfen geworben und über Social Media geteilt. Brauchen wir sowas auch, um junge Menschen zu erreichen, oder glauben Sie, dass der indirekte Druck, der auch durch Forderungen nach kostenpflichtigen Schnelltests erzeugt wird, der richtige Weg ist?

Wir brauchen wohl beides. Was wir bisher gemacht haben an Informationskampagne, an öffentlichkeitswirksamer Darstellung der Impfung, das ist ja schon mal nicht schlecht. Das Thema ist schon im Bewusstsein der Bevölkerung. Es wird ja auch ständig darüber berichtet. Aber natürlich wären noch mal mehr altersspezifische Ansprachen gut. Und Aufklärung über die Gegenargumente: Es gibt eigentlich kein haltbares Argument gegen das Impfen. Das noch mal darzustellen, ist ganz wichtig.

Markus Söder möchte ab Herbst die Clubs nur für vollständig Geimpfte öffnen. Denken Sie, dass man erreicht, dass Leute zum Impfen gehen, indem man Ungeimpfte ausschließt?

Das ist vielleicht nicht der richtige Weg. Viel besser wären Anreize und natürlich vor allen Dingen Überzeugungen, dass man gut informiert. Aber es ist ganz klar, dass auch gezeigt werden soll, dass vollständig Geimpfte wieder die Möglichkeit haben, in die Normalität zurückzukommen, während Nichtgeimpfte weiterhin mit Einschränkungen, vor allen Dingen mit den Testungen als Sicherheitslinie, leben müssen. Tests müssen weiterhin verpflichtend sein, um das Risiko für Nichtgeimpfte niedrig zu halten. Und diese Testungen könnte man dann schließlich auch kostenpflichtig machen für alle Nichtgeimpften. Da gibt es eigentlich keinen Grund, wieso das weiterhin vom Staat übernommen wird.

Mit Timo Ulrichs sprach Nele Balgo

Quelle: ntv.de

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