Urteil vom Bundesfinanzhof offen Grundsteuerreform: Finanzgerichte kämpfen gegen Klagewelle
21.09.2025, 12:08 Uhr Artikel anhören
Die Grundsteuer gehört zu den Betriebskosten, die vom Vermieter auf den Mieter umgelegt werden können.
(Foto: dpa)
Bundesweit klagen zahlreiche Immobilieneigentümer gegen die neue Grundsteuer - bisher mehrheitlich ohne Erfolg. Doch 14 Prozesse erreichen den Bundesfinanzhof in München. Das wegweisende Urteil vom höchsten Steuergericht steht noch aus.
Über 2000 Immobilieneigentümer haben sich bisher juristisch gegen die neue Grundsteuer gewehrt, wie eine Umfrage bei 18 deutschen Finanzgerichten ergeben hat. Spitzenreiter ist Hessen mit 636 Klagen, gefolgt von Nordrhein-Westfalen mit rund 425. Hunderte Verfahren ruhen derzeit, weil die Prozesswelle auf die entscheidende Phase zusteuert: 14 Revisionsverfahren haben mittlerweile den Bundesfinanzhof in München erreicht.
In erster Instanz haben die Finanzgerichte viele Klagen abgewiesen, in etlichen anderen Fällen haben die Eigentümer ihre Klagen selbst zurückgenommen. Das neue Grundsteuer-Gesetz gilt seit Anfang des Jahres. Notwendig war die Novelle, weil das Bundesverfassungsgericht die frühere Regelung 2018 für verfassungswidrig erklärt hatte. Die der Grundsteuer zugrundeliegenden Grundstückswerte waren im Westen seit 1964 nicht mehr aktualisiert worden, im Osten seit 1935.
Das Grundsteuer-Gesetz betrifft nahezu die gesamte Bevölkerung: Selbst zahlen müssen zwar nur Eigentümer. Doch Vermieter legen die Kosten in der Regel auf ihre Mieter um. Von großer Bedeutung ist die Grundsteuer für die Kommunen, da die alljährlichen Milliardeneinnahmen Städten und Gemeinden zufließen. Bis der Bundesfinanzhof als höchstes Steuergericht seine Entscheidungen getroffen hat, setzen die Finanzgerichte in der ersten Instanz ihre Bearbeitung ähnlich gelagerter Fälle aus.
Der Wert von Immobilien hat sich in den vergangenen Jahrzehnten je nach Region unterschiedlich entwickelt. "Auch die geringe Höhe einer Steuer rechtfertigt die Verwendung solcher realitätsfernen Bewertungsregeln nicht", heißt es in dem sieben Jahre alten Karlsruher Urteil.
Nicht alle Bundesländer nutzen sogenanntes "Bundesmodell"
Da etliche Landesregierungen gegen die Vorschläge des Bundes bei der Grundsteuerreform rebellierten, ließ dieser den Ländern mit einer Öffnungsklausel freie Hand: Sie konnten sich für das sogenannte "Bundesmodell" entscheiden oder eine eigene Regelung treffen. Davon Gebrauch machten Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen. Dementsprechend muss der Bundesfinanzhof nun Grundsatzentscheidungen in Serie treffen.
Im Saldo soll die neue Grundsteuer aufkommensneutral sein - zumindest auf dem Papier. Das bedeutet aber nicht, dass auch jeder Eigentümer künftig genau so viel oder wenig zahlt wie zuvor. Einzelne Immobilienbesitzer profitieren - für andere wird es entsprechend teurer. Die Kommunen können individuelle Hebesätze für die Grundsteuer festlegen.
Bundesfinanzhof: Mündliche Verhandlungen ab November
Im Bundesmodell sind für die Berechnung maßgeblich der Bodenrichtwert und die Nettokaltmiete. Außerdem fließen unter anderem Größe und Art des Grundstücks ein sowie das Alter des Gebäudes. Bayern entschied sich für ein einfacheres Modell, bei dem die Fläche den Ausschlag gibt. Hessen wählte einen ähnlichen Weg. Dennoch sind in Hessen rund zehnmal so viele Klagen eingegangen wie im weiß-blauen Freistaat. In Baden-Württemberg sind es Grundstücksfläche plus Bodenrichtwert.
Da viele Städte und Gemeinden finanziell in Not sind, fürchten etliche Eigentümer Steuererhöhungen. Der Eigentümer-Verband Haus & Grund kritisierte die Reform schon früh als "Grundsteuer-Ungeheuer". "Wir unterstützen aktuell Verfahren in Chemnitz, Düsseldorf, Köln und Berlin/Brandenburg, die allesamt schon beim Bundesfinanzhof liegen", sagte Anwältin Sibylle Barent. Diese Klagen richten sich alle gegen das Bundesmodell.
Der Bundesfinanzhof bereitet derzeit für den November die ersten mündlichen Verhandlungen zum Bundesmodell vor, wie eine BFH-Sprecherin sagte. Die Termine sind aber noch nicht endgültig festgelegt. Die Ländergesetze sollen dann ab 2026 an die Reihe kommen.
Quelle: ntv.de, bho/dpa