Stromausfälle und Häuserschäden"Irma" wütet über Karibikinseln

Auf mehreren Karibikinseln richtet "Irma" größere Schäden an. In Südflorida kaufen Menschen Supermärkte halbleer, während jene in Haiti teilweise gar nichts von dem Hurrikan wussten. Sollte er das krisengeplagte Land treffen, droht eine neue Katastrophe.
Mit zerstörerischer Kraft und Windgeschwindigkeiten von rund 300 Stundenkilometern ist Hurrikan "Irma" durch die Karibik gefegt. Der Wirbelsturm der höchsten Kategorie 5 erreichte die Insel Barbuda und zog dann nach Saint-Barthélemy und Saint-Martin weiter, wo ganze Küstenabschnitte verwüstet wurden. Während sich "Irma" weiter gen Nordwesten bewegt, erwarten die Menschen auf den britischen Jungferninseln und in Puerto Rico den Sturm.
Rund anderthalb Stunden verweilte das Auge des als "potenziell katastrophal" eingestuften Hurrikans auf dem französischen Überseegebiet Saint-Barthélemy, das besonders beim internationalen Jet-Set beliebt ist, dann erreichte es die zwischen Frankreich und den Niederlanden geteilte Insel Saint-Martin. Der französische Wetterdienst berichtete von heftigen Springfluten. Ganze Küstengebiete seien bereits überschwemmt.
Die Ministerin für die französischen Überseegebiete, Annick Girardin, berichtete von "größeren Schäden" auf den betroffenen Inseln. So habe der Sturm die Dächer von zahlreichen Häusern fortgerissen. Trotz der höchsten Alarmstufe weigerten sich laut Girardin aber rund 7000 Menschen bis zuletzt, ihre Häuser zu verlassen.
Macron rechnet mit vielen Opfern
Das Meer "brandete mit extremer Gewalt" an die Küsten, teilte der französische Wetterdienst mit. Bevor seine Instrumente im Sturm zerstört wurden, wurden Böen mit Spitzenwindgeschwindigkeiten von 360 Stundenkilometern gemessen. Örtliche Medien berichteten von "kolossalen Schäden" auf Saint-Martin. Auf Videoaufnahmen waren in den Fluten treibende Autos und herrenlose Boote zu sehen.
Der französische Präsident Emmanuel Macron erwartet viele Opfer durch den Hurrikan. Die Bilanz des Wirbelsturms werde "hart und grausam" sein, "wir werden Opfer zu beklagen haben", sagte Macron nach einem Besuch beim Krisenstab des Innenministeriums in Paris. Die materiellen Schäden auf den Inseln Saint-Barthélémy und Saint-Martin seien "erheblich", fügte er hinzu. Der Präsident kündigte "so schnell wie möglich" einen "nationalen Plan zum Wiederaufbau" an, für den ein Nothilfefonds eingerichtet werde.
"Irma" ist noch stärker als "Harvey"
Auf Saint-Barthélémy brach die Stromversorgung zusammen. Auch Saint-Martin sei seit 6 Uhr morgens (Ortszeit) ohne Strom. Dort wurde zudem das Gebäude der Präfektur teilweise zerstört. Der Präfekt und 23 Menschen hätten sich in einen betonierten Raum geflüchtet. Auf beiden Inseln riss der Hurrikan mehrere Dächer von Gebäuden.
Noch bevor der Sturm mit einer Ausdehnung von der Größe Frankreichs auf Land traf, hatte ihn das Nationale Hurrikanzentrum (NHC) der USA auf die höchste Kategorie 5 hochgestuft. Damit ist "Irma" noch stärker als "Harvey", der Ende August die US-Bundesstaaten Texas und Louisiana heimsuchte. Das NHC warnte, der Sturm könne katastrophale Schäden anrichten. Schon jetzt sei er als "historisch" einzustufen: Seit Beginn der Aufzeichnungen habe noch kein Sturm auf dem offenen Atlantik eine solche Stärke erreicht.
Hamsterkäufe in Miami
Inzwischen nahm "Irma" Kurs in Richtung Jungferninseln und Puerto Rico auf. Die weitere Route des Hurrikan ist noch unklar, aber laut verschiedenen Vorhersagen bedroht er auch Haiti und Florida. Zahlreiche Touristen wurden aufgefordert, die Urlauberinsel Key West zu verlassen. In Miami Beach bereiteten sich die Menschen mit Hamsterkäufen auf den herannahenden Sturm vor. In einem Supermarkt standen ganze Regalreihen leer. "Die Leute sind verrückt und kaufen alles auf", sagte die 81-jährige Gladys Bosque. Es gebe weder Wasser noch Milch oder Katzenfutter.
Örtliche Wetterdienste sagten vorher, dass die ersten Winde und Regenfälle Süd-Florida am späten Freitag erreichen könnten. US-Präsident Donald Trump rief für Florida sowie für die US-Außengebiete Puerto Rico und Virgin Islands den Notstand aus, dadurch werden Bundesmittel freigegeben. Der Gouverneur von Puerto Rico, Ricardo Rossello, setzte die Nationalgarde ein und ließ Notunterkünfte für bis zu 62.000 Menschen öffnen.
Bevölkerung auf Haiti erst spät gewarnt
Nach Schätzungen der Vereinten Nationen könnten bis zu 37 Millionen Menschen von "Irma" betroffen sein. UN-Sprecher Stéphane Dujarric sagte vor Journalisten in New York, ein Hilfsteam der Vereinten Nationen sei bereits auf die Karibikinsel Barbados gereist. In Haiti hätten sich dort stationierte UN-Mitarbeiter auf den Hurrikan vorbereitet und stünden ebenfalls bereit, Nothilfe zu leisten.
In Haiti dagegen wusste die Bevölkerung zunächst nichts von der drohenden Katastrophe. Wie AFP-Korrespondenten berichteten, waren vor allem die Bewohner in den besonders gefährdeten Armenvierteln gänzlich unwissend.
Die Behörden in dem bitterarmen Inselstaat müssen zudem ohne die Hilfe der UN-Stabilisierungsmission (Minustah) auskommen, die in Erwartung ihres baldigen Mandatsendes bereits einen Großteil ihrer schweren Ausrüstung abgezogen hat. So stehen für die rund eine Million Menschen, die rund um die Hafenstadt Cap-Haïtien leben, nur drei Krankenwagen zur Verfügung. Stabile Notunterkünfte gibt es so gut wie keine. Haiti kämpft immer noch mit den Auswirkungen von Hurrikan "Matthew", durch den im Oktober vergangenen Jahres im Süden des Landes mehr als 500 Menschen ums Leben gekommen waren.
Derweil gab das US-Repräsentantenhaus staatliche Hilfen im Volumen von 7,85 Milliarden Dollar (rund 6,6 Milliarden Euro) für die vom Hurrikan "Harvey" betroffenen Katastrophengebiete frei.