"Vor Gericht nicht haltbar" Jurist kritisiert Infosperre im Fall Luise
17.03.2023, 19:21 Uhr
Warum musste Luise sterben? Die Staatsanwalt ermittelt, aber die Öffentlichkeit soll es nicht erfahren.
(Foto: picture alliance/dpa)
Im Fall der erstochenen Luise verhängen die Ermittlungsbehörden eine umfassende Informationssperre zum Tatmotiv und den Hintergründen, um die minderjährigen Täterinnen zu schützen. Ein Medienrechtler meint, dass diese Linie rechtlich nicht haltbar sein wird.
Die Ankündigung der Staatsanwaltschaft, im Fall der getöteten Luise keine Auskünfte zum Tatgeschehen und Motiv zu geben, stößt auf Kritik. "Über die Motive und das Tatgeschehen auch nach Abschluss des Verfahrens nicht zu informieren, halte ich für nicht tragfähig. Dafür ist die Tat zu spektakulär", sagte Medienrechtler Prof. Tobias Gostomzyk von der TU Dortmund. "Der Schutz der mutmaßlichen Täterinnen ist zu achten, kann hier aber nicht jegliche Information ausschließen, zumal sie ja bereits gestanden haben."
Der Persönlichkeitsschutz sei bei Minderjährigen zwar deutlich höher anzusiedeln als bei Erwachsenen und Schutz der Identität zweifellos gerechtfertigt, Informationen über die Tat - also nicht zu den Täterinnen im Detail - seien aber etwas anderes. "Ich glaube nicht, dass das vor Gericht Bestand haben würde, weil die Tat so erschütternd und einzigartig ist - das öffentliche Interesse also erheblich. Es ist demnach nicht gerechtfertigt, jede Information darüber zurückzuhalten, sofern die Persönlichkeitsrechte angemessen geschützt werden."
Er gehe sogar davon aus, dass die Behörden, wenn die Untersuchungen abgeschlossen sind, eine Pressekonferenz geben. "Wenn nicht, könnten die Medien ihren Auskunftsanspruch gerichtlich geltend machen." Zwar dürfe die Behörde in einem laufenden Verfahren mit Blick auf die Gefährdung der Ermittlungen Informationen zurückhalten, aber spätestens mit Abschluss der Untersuchungen falle dieser Grund weg, sagte Gostomzyk. "Und auf der anderen Seite stehe eben der rechtliche Belang des öffentlichen Interesses an Informationen." Die zwölfjährige Luise aus Freudenberg (NRW) war vor einer Woche umgebracht worden. Zwei 12 und 13 Jahre alte Mädchen haben die Tat gestanden.
"Bevölkerung meint, ein Anrecht zu haben"
Die Ermittler bekräftigten am heutigen Freitag erneut ihre Linie, keine offiziellen Antworten zum Tatgeschehen zu geben. "Wir können die rechtlichen Grenzen, die uns gesetzt sind, nicht überschreiten, nur weil die Bevölkerung meint, ein Anrecht zu haben, alle Hintergründe zu kennen", sagte Oberstaatsanwalt Patrick Baron von Grotthuss von der Staatsanwaltschaft Siegen. Hintergrund sei der Persönlichkeitsschutz der Minderjährigen. "Wir werden natürlich vollumfänglich aufklären", betonte er. Aber: Sollten sich die beiden geständigen Mädchen als Täterinnen bestätigen, "dann werden wir keine Aussagen zu Tatabläufen oder Motivlagen machen."
"Wenn wir Auskunft erteilen können und dürfen, tun wir das sicherlich", sagte von Grotthuss. In so einem speziellen Fall - Opfer und Täterinnen sind Kinder - müsse man auch mal akzeptieren, dass es gewisse Informationen gebe, die nicht für die Öffentlichkeit seien. "Damit muss man letztlich irgendwo leben", sagte er.
Quelle: ntv.de, mau/dpa