Recherchen zu "Cum-Ex"-Deals Justiz ermittelt gegen "Correctiv"-Journalist
11.12.2018, 16:22 Uhr
Seit Februar 2018 ist Oliver SChröm Chefredakteur bei "Correctiv".
(Foto: imago/Michael Wigglesworth)
Mit den Veröffentlichungen zu illegalen Aktiendeals deckt "Correctiv" einen Milliardenbetrug auf. Nun gerät der Chefredakteur des Netzwerks selbst in den Fokus der Justiz. Er soll als Whistleblower agiert haben. Kritiker sehen darin einen Einschüchterungsversuch.
Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat im Zusammenhang mit Recherchen zu milliardenschweren "Cum-Ex"-Aktiendeals in der Schweiz Ermittlungen gegen den Investigativ-Reporter Oliver Schröm aufgenommen. Es gehe um den Verdacht auf Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, sagte eine Sprecherin der Behörde. Das Verfahren gegen Schröm, der Chefredakteur des Recherchenetzwerks "Correctiv" ist, sei im Mai von der Staatsanwaltschaft in Zürich übernommen worden, seit Anfang Juni ermittele die Abteilung für Pressesachen in Zusammenhang mit dem Gesetz gegen Unlauteren Wettbewerb. Zuständig sei die Hamburger Behörde, weil Schröm in der Hansestadt lebe.
Die Ermittlungen gehen laut Schröm auf eine Veröffentlichung von 2014 zurück. Zwei Mitarbeiter einer Schweizer Bank seien damals verhaftet worden. Sie wurden verdächtigt, Schröms Informanten zu sein und Betriebsgeheimnisse verraten zu haben. Auch der Reporter geriet ins Visier der Schweizer Justiz.
DJV sieht Angriff auf Pressefreiheit
Die Ermittlungen seien ein Versuch, Journalismus zu kriminalisieren, sagte Schröm. Die Berufung auf das Wettbewerbsrecht sei lediglich ein "Hebel", um unliebsame Recherchen zu unterbinden und Whistleblower sowie Journalisten einzuschüchtern, ergänzte "Correctiv"-Publisher David Schraven, der auch Gründer des Recherche-Netzwerks ist. Frank Überall, Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), sprach von einem Angriff auf die Pressefreiheit. Die Hamburger Staatsanwaltschaft mache sich zum "Handlanger" der Schweizer Justiz.
An diesem Mittwoch will der Rechtsausschuss des Bundestages über ein neues Gesetz zu Geschäftsgeheimnissen beraten. Der aktuelle Entwurf gefährde den Informantenschutz und die journalistischer Arbeit, erklärte "Correctiv". Ohne Whistlerblower gebe es bei einem Fall wie den "Cum-Ex-Akten" keine Chance auf Aufklärung, sagte der Bundestagsabgeordnete Gerhard Schick (Grüne).
55 Milliarden Euro Schaden
Unter Federführung von Schröm hatten im Oktober 18 Medien in Europa Recherchen zu den "Cum-Ex"-Geschäften veröffentlicht, bei dem sich europaweit der Schaden auf mehr als 55 Milliarden Euro belaufen soll. Deutschland hatte das Steuerschlupfloch 2012 geschlossen.
Schröm ist seit Februar 2018 Chefredakteur des gemeinnützigen Recherchezentrums "Correctiv". Zuvor hatte er für das ARD-Magazin "Panorama" und für das Magazin "Stern" gearbeitet. Dort hatte er 2010 das Investigativ-Team gegründet und anschließend geleitet. Er ist außerdem Autor und Koautor von mehreren Enthüllungsbüchern über Terrorismus, Nachrichtendienste und Politikskandale.
Bei den Aktiengeschäften wurden rund um den Dividendenstichtag Aktien mit ("cum") und ohne ("ex") Ausschüttungsanspruch rasch zwischen mehreren Beteiligten hin- und hergeschoben. Am Ende war für den Fiskus nicht mehr ohne weiteres klar, wem die Papiere gehörten. Die Folge: Finanzämter erstatteten Kapitalertragsteuern, die gar nicht gezahlt worden waren.
Quelle: ntv.de, mba/dpa