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Einheit, Missbrauch, Diplomatie Kardinäle positionieren sich für Papstwahl

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In den Tagen vor dem Konklave gibt es für die Kardinäle viele Gelegenheiten, miteinander zu sprechen.

In den Tagen vor dem Konklave gibt es für die Kardinäle viele Gelegenheiten, miteinander zu sprechen.

(Foto: dpa)

Am Mittwoch beginnt im Vatikan die Papstwahl. Schon vorher diskutieren die Kardinäle intensiv über die Zukunft der katholischen Kirche. Werden sie den von Franziskus eingeschlagenen Weg fortsetzen oder sich gegen seine Reformen stellen? Die Entscheidung könnte weitreichende Folgen haben.

Vor dem Konklave wird im Vatikan derzeit intensiv darüber gesprochen, in welche Richtung sich die katholische Kirche in Zukunft bewegt. Die Kardinäle aus aller Welt sprechen vor der Wahl des neuen Papstes offen über ihre Vorstellungen vom künftigen Weg der Weltkirche, wie es im am Mittwoch beginnenden Konklave nicht mehr möglich ist.

Seine Autobiografie hatte Franziskus mit einer bescheidenen Bewertung seines Einflusses beendet - "Ich bin nur ein einziger Schritt", schrieb er. Viele gläubige Katholiken weltweit fragen sich derzeit, ob die katholische Kirche den nächsten Schritt in die von Franziskus eingeschlagene Richtung weitergeht - oder ob sich die Stimmen durchsetzen, die eine Umkehr wollen.

Auf dem Tisch liegen viele gesellschaftspolitische Fragen. Der Priestermangel belastet den katholischen Alltag, weil Gemeinden keine Seelsorger mehr haben. Eine Lockerung des Zölibats ist für viele die Antwort. Die Frauenfrage ist ungelöst, weil Franziskus das Thema der Weihe von Frauen zu Diakoninnen vertagt hat. Der Umgang mit Homosexuellen ist heftig umstritten.

Und auch der synodale Austausch, den Franziskus neu einführte, ist umstritten. Dieser Austausch bedeutet, dass die Probleme in einem breiten Dialog besprochen werden - konservative Katholiken hängen aber der Vorstellung nach, dass ein Papst oder Bischof oder auch Priester entscheidet und das Wort dann ohne weitere Debatte gilt.

Lagerbildung bei bestimmten Themen

Es bilden sich gerade bereits die Lager unter den Kardinälen. Zu den schärfsten Kritikern des Franziskus-Pontifikats zählt der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller. In Interviews nach dem Tod von Franziskus positionierte er sich etwa gegen kirchlichen Segen für homosexuelle Beziehungen und das Gendern - Themen, in denen Franziskus die Kirche lockerte.

Demgegenüber scheinen aber mehrheitlich Stimmen zu stehen, die fordern, dass die Kirche auf dem Weg des Argentiniers weitergehen solle. Die bisherige Nummer zwei im Vatikan, der italienische Kardinal Piedro Parolin, lobte in einem der neun Trauergottesdienste für Franziskus dessen "großartige Lehre", dass nur Barmherzigkeit heile. Und Kardinal Baldassare Reina rief in einem anderen Trauergottesdienst die Kardinäle auf, Franziskus' Erbe weise fortzuführen.

Auch der angesehene, wegen seines Alters von 92 Jahren aber nicht mehr im Konklave wahlberechtigte deutsche Kardinal Walter Kasper schlug sich auf die Seite der offensiven Franziskus-Unterstützer. Er würde sich persönlich wünschen, dass der neue Papst die von Franziskus gesetzten Grundlinien weiterführe, sagte Kasper dem Kölner Domradio. "Franziskus hat viele Initiativen ergriffen, viele Türen geöffnet, auch viele Fragen zugelassen."

Kasper beschreibt allerdings auch eines der größten aktuellen Probleme der Weltkirche, in der Gegensätze zutage träten, "die es eigentlich nicht geben sollte". In den westlichen Kirchen gehe es darum, ob ein Papst die Frauenweihe zulasse oder den Zölibat abschaffe - in der südlichen Hemisphäre seien Themen wie Armut, Kriege, Ungerechtigkeit zentral. Der neue Papst solle in der Lage sein, mit beiden Seiten zu reden.

"Ein Papst ist immer ein Einiger"

Völlig unkalkulierbar erscheint, wie sich das Thema sexueller Missbrauch entwickelt. In Ländern wie Deutschland oder Frankreich scheint die Aufarbeitung weitgehend abgeschlossen. In den Ländern Asiens oder Afrikas ist es aber noch immer ein Tabu, selbst in Italien gab es noch keine unabhängige Aufarbeitung.

Und auch auf dem diplomatischen Parkett warten angesichts vieler Konflikte von der Ukraine über den Sudan bis hin zu Gaza auf einen neuen Papst, der eine weltweite moralische Autorität sein will, Herausforderungen.

Der zu den möglichen Anwärtern aufs Papstamt zählende luxemburgische Kardinal Jean-Claude Hollerich sagte gerade vor Journalisten: "Ein Papst ist immer ein Einiger." Diese Einigkeit sei aber nicht zu erreichen, indem die Kirche rückwärts gehe.

Quelle: ntv.de, Clément Melki und Ralf Isermann, AFP

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