Panorama

"Kölle Alaaf! Kölle Schalom!" Karnevalisten feiern unter ungewöhnlichen Umständen

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Karnevalisten feiern auf dem Heumarkt den Beginn der Saison.

Karnevalisten feiern auf dem Heumarkt den Beginn der Saison.

(Foto: dpa)

"Es ist in Ordnung, Karneval zu feiern", sagt die Kölner Oberbürgermeisterin Reker zum Auftakt der neuen Saison mit Blick auf die Kriege weltweit. Jüdische Jecken rufen zu Solidarität auf. Gefeiert wird ordentlich - die Kölner Innenstadt ist bald überfüllt.

In Düsseldorf, Köln und anderen Hochburgen des Karnevals ist um 11.11 Uhr die neue Saison eröffnet worden. "Es ist in Ordnung, Karneval zu feiern", sagte die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker zum Karnevalsauftakt in der Altstadt vor Tausenden Feiernden. "Das heißt nicht, dass wir nicht an diejenigen denken, die von Krieg und Gewalt betroffen sind." Aus Solidarität mit allen jüdischen Bürgerinnen und Bürgern erklang zuvor im Historischen Rathaus von Köln der Ruf: "Kölle Alaaf! Kölle Alaaf! Kölle Schalom!"

Reker appellierte an die Jecken, für Demokratie und Vielfalt einzustehen. "Von allen Akteurinnen und Akteuren im Kölner Karneval erwarte ich ein eindeutiges Bekenntnis gegen Antisemitismus - und klare Zeichen der Solidarität mit Israel sowie den Jüdinnen und Juden in Köln!"

Aaron Knappstein, Präsident des jüdischen Karnevalsvereins "Kölsche Kippa Köpp", sagte bei dem Empfang, die Jüdinnen und Juden in Köln seien in Not und bräuchten alle Bürger an ihrer Seite. "Wir haben immer mehr Menschen auch in Köln, die uns absprechen, Kölnerinnen und Kölner zu sein. Die uns sagen, dass wir nicht mehr hierhingehören."

"Karneval ist ein Akt der Selbstfürsorge"

Karnevalspräsident Christoph Kuckelkorn versicherte Knappstein, der Karneval stehe fest an seiner Seite. "Das Gespenst, das wir eigentlich besiegt gesehen haben, ist wieder zurück in unserer Zeit, und das macht mir richtig Angst", so Kuckelkorn. Er erinnerte an die belastete Geschichte des Karnevals in der NS-Zeit: "Auch der Karneval war damals, in der Zeit des Nazi-Regimes, ein Teil der Maschinerie, war Teil der Propaganda, hat sich total hingegeben."

Reker besuchte anschließend die größte Kölner Synagoge. "Wir denken natürlich an die Not und Verzweiflung, die unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger im Moment erleben", sagte die parteilose Politikerin. "Hier wird unweit der Synagoge jetzt Karneval gefeiert. Viele Menschen brauchen diese Zeit des Feierns. Andere können die Gedanken an die gewaltsamen Übergriffe der Hamas und die Konsequenzen nicht verdrängen."

Erwartungsgemäß gab es in Köln einen Riesenandrang von Feiernden. Schon am frühen Vormittag waren die Altstadt und die Zülpicher Straße im Studentenviertel "Kwartier Latäng" voll, die Einlässe wurden gesperrt. Die Stadt Köln appellierte an alle Feiernden, auf andere Stadtviertel auszuweichen. Um den Frohsinn in halbwegs geregelte Bahnen zu lenken, waren in Köln etwa 1000 Polizisten, 180 Ordnungsamtsmitarbeiter und mehr als 1000 private Sicherheitskräfte im Einsatz. Bereits in den vergangenen Jahren war die Zahl der Feiernden in Köln immer weiter gestiegen. In Düsseldorf erwachte am Vormittag die Karnevalsfigur Hoppeditz. Auch in anderen Städten begann die neue Saison - oder Session, wie Karnevalisten sagen.

Der Psychologe Stephan Grünewald hält Karnevalsfeiern vor dem Hintergrund von Krieg und Krisen für legitim. "Karneval ist ein Akt der Selbstfürsorge und steigert auch die persönliche Resilienz", sagte der Buchautor und Chef des Kölner Rheingold-Instituts. Die Alternative wäre, sich grübelnd ins stille Kämmerlein zurückzuziehen. "Ich glaube aber, jemand, der in der Lage ist zu feiern, ist auch zum Mitleid fähig, weil er dann die Ressource dazu hat." Es gehe ja nicht ums Durchfeiern, sondern um einen kurzen Lichtblick in einer sich verdunkelnden Welt.

Quelle: ntv.de, mli/dpa

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