Panorama

Virologin Protzer im Interview "Lasst uns doch einfach die Maske anlassen"

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Angesichts steigender Corona-Fallzahlen ist eines klar: So kann es nicht weitergehen. Um gegen die vierte Welle anzukommen, ist neben den gängigen Hygienemaßnahmen auch eine engagiertere Impfkampagne vonnöten, sagt Virologin Ulrike Protzer. Im Interview mit ntv verrät sie, was für ein sicheres Weihnachtsfest in der Familie zu tun wäre.

ntv: Die bundesweite Inzidenz liegt heute bei deutlich über 200, und es gibt Berechnungen, die zeigen, dass sie Ende November bei 400 liegen könnte, wenn wir jetzt nicht in irgendeiner Form eingreifen. Vor diesem Hintergrund: Wie bewerten sie das, was die zukünftigen Ampel-Koalitionäre nun in ihrem Maßnahmenpaket vorgelegt haben?

Ulrike Protzer: Ich glaube, es ist ganz unstrittig, dass wir eingreifen müssen. Und wir müssen eingreifen indem wir zum einen uns wieder erinnern, dass es die Hygienemaßnahmen gibt - also Masken, Abstandhalten. Das haben wir einfach ein bisschen vergessen über den ja doch relativ ruhigen Sommer. Wir müssen eingreifen, indem wir die Belastung der Krankenhäuser reduzieren. Das können wir, wenn wir gucken, wer kommt in die Krankenhäuser? Das sind hauptsächlich die Ungeimpften und jetzt auch ältere Menschen, bei denen die Immunantwort nachlässt. Das heißt, wir müssen Booster impfen und wir müssen die Impfung einfach noch breiter und unkomplizierter anbieten, damit wir da möglichst viele erwischen.

Wo kann denn die Politik da aktiv tätig werden? Also was muss von der Politik kommen, sprich auch von den Koalitionären, die jetzt gerade darüber debattieren, um das zu gewährleisten?

Ulrike Protzer ist Professorin für Virologie an der Technischen Universität München.

Ulrike Protzer ist Professorin für Virologie an der Technischen Universität München.

(Foto: ntv)

Ich glaube, die können vor allem bei der Einrichtung dieser mobilen Impfstationen aktiv werden und natürlich, wenn es um die Boosterimpfung geht. Da sagen wir, wir gucken, dass wir mobile Impfteams haben, die in die Pflegeheime gehen. Wir erlauben zum Beispiel den Apotheken zu impfen. Also irgendwo, wo ältere Leute sehr einfach und schnell hingehen können und sich nicht ins volle Wartezimmer, wo alle Erkältungskrankheiten sitzen, beim Hausarzt setzen müssen. Was man noch machen könnte: Man könnte die Personen wirklich gezielt einladen. Das ließe sich dann auch in Hausarztpraxen organisieren, dass man einfach einen Slot freihält, und man kennt ja seine älteren Patienten. Die werden dann gezielt eingeladen, ein Termin verschickt. Die würden alle auch kommen.

Mitunter kommt bei den Menschen das Gefühl auf, wenn wir jetzt boostern müssen, damit die Impfung überhaupt irgendeine Wirkung zeigt, ist dann der Impfstoff überhaupt wirkungsvoll? Also wie kann man dem entgegentreten, dass nicht noch mehr Zweifel entstehen durch die Boosterimpfung?

Da erinnere ich immer ganz gerne an alle klassischen Totimpfstoffe, und hier ist das ja auch ein Totimpfstoff, den wir haben. Da brauchen wir immer drei Impfungen. Wenn man sich überlegt, Polioimpfung, Tetanusimpfung, Keuchhusten, Hepatitis: Wir müssen immer dreimal impfen und das ist hier auch so. Warum? Weil das Immunsystem nach einer Zeit von etwa sechs Monaten einfach nochmal daran erinnert werden muss, damit diese Memoryzellen, diese Gedächtniszellen, die wir haben, noch mal so richtig gut ansprechen, und das hilft dann auch. Die Zahlen aus Israel sagen, dass die Boosterimpfung den Schutz vor Infektion nochmal um das Elffache erhöht. Den Schutz davor, ins Krankenhaus zu kommen, sogar um das Zwanzigfache. Was natürlich für alle, die älter und gefährdet sind, sehr gute Nachrichten sind.

Wir haben jetzt Mitte November. Die Menschen fangen langsam an, ihre Weihnachtsferien und die Weihnachtsfeiertage zu planen. Und da steht natürlich auch wieder zur Debatte: Fahr ich zu den Eltern? Fahr ich zu den Großeltern? Was glauben Sie, in welcher Situation werden wir zu Weihnachten sein und wenn man sich booster-impfen lässt, zumindest auch die alten Leute, was bringt uns das zu Weihnachten noch?

Das geht ganz schnell. Die Antwort auf die Boosterimpfung ist nach 10 bis 14 Tagen voll da. Das heißt, wenn man die älteren Menschen jetzt zu einer Boosterimpfung einlädt, ist das bis Weihnachten auf jeden Fall ein optimaler Schutz. Wenn ich dann sage, ich möchte mich zusätzlich noch schützen und ich habe vielleicht noch keine Boosterimpfung gehabt, oder ich habe irgendeinen Grund mich wirklich nicht impfen zu lassen, dann würde ich empfehlen, einen tagesaktuellen Test zu machen, um dann einigermaßen sicher zu sein: Ich habe nichts! Und idealerweise nicht nur an dem Tag, sondern an zwei Tagen hintereinander. Weil gerade diese Antigen-Schnelltests nur zu 50 Prozent funktionieren. Und wenn ich dann an zwei Tagen hintereinander das mache, dann habe ich doch eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass ich wirklich auch negativ bin.

Also Boosterimpfung und tagesaktueller Test, dann kommen wir um Kontaktbeschränkungen rum?

Kontaktbeschränkungen heißt ja nicht, dass wir jetzt alle Restaurants wieder zu machen müssen, oder alle Konzerte wieder aufhören müssen. Aber ich glaube, wenn wir so hohe Inzidenzen haben, wie wir im Moment haben, und das kann man regional regulieren, dann würde ich sagen: Lasst uns doch einfach die Maske anlassen, wenn wir im Kino, wenn wir im Konzert, wenn wir im Theater sitzen. Wo viele Menschen beieinander sind. In öffentlichen Verkehrsmitteln. Und natürlich die Überlegung, kann vielleicht der eine oder andere auch wieder aus dem Homeoffice arbeiten, ist eine wichtige Überlegung um zu verhindern, dass wir wieder Schulen zumachen oder eben drastischere Maßnahmen ergreifen müssen.

Mit Prof. Ulrike Protzer sprach Katrin Neumann

Quelle: ntv.de

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