Nach Barbaras Tod im Krankenhaus Leidet Bush am Broken-Heart-Syndrom?
25.04.2018, 20:34 Uhr
George H. W. Bush und seine Frau Barbara 2008 in Texas.
(Foto: dpa)
Sie küsste nie einen anderen Mann als ihn, er schrieb ihr Liebesbriefe von der Front. Jetzt ist Barbara Bush tot - und ihr Ehemann George H.W. liegt auf der Intensivstation. Wird die Trauer über den Tod seiner Frau sein Leben beenden?
Es ist Weihnachten 1941 und die Welt steckt mitten in einem grausamen Krieg, als George H. W. Bush die Liebe seines Lebens trifft. Das Mädchen mit den Locken sticht dem Jungen, der fast 50 Jahre später der Präsident der Vereinigten Staaten wird, auf einem Schulball sofort ins Auge. Das Mädchen, Barbara Pierce heißt es, ist gerade einmal 16 Jahre alt. Aber dass sie zusammen gehören, das wissen Barbara und George schon damals. Als Navy Pilot im Zweiten Weltkrieg wartet er sehnsüchtig auf ihre Briefe aus der Heimat. Im September 1944 wird er über dem Pazifik abgeschossen. Er überlebt, kehrt in die USA zurück und nimmt Barbara zur Frau. 73 Jahre sind die beiden bis zu deren Tod verheiratet - so lange wie kein anderes US-Präsidentenpaar zuvor.
73 Jahre lang teilen die beiden ihr Leben, werden Eltern von sechs Kindern und Großeltern von 17 Enkelkindern. Dann, am vergangenen Mittwoch, stirbt Barbara Bush mit 92 Jahren. Nur einen Tag nach ihrer Beerdigung wird Witwer George in ein Krankenhaus in Texas eingeliefert. Eine schwere Entzündung habe sich auf sein Blut ausgeweitet, heißt es. Verschlimmerte sich der Gesundheitszustand des Ex-Präsidenten etwa aufgrund seines gebrochenen Herzens?
Fakt ist: Das Broken-Heart-Syndrom beschäftigt Kardiologen bereits seit Anfang der 1990er-Jahre. Die sogenannte Stress-Kardiomyopathie kann bei schweren Verlusten, Trennungen und psychischer Belastung auftreten, sagte Jürgen Pache, ehemaliger Chefarzt der Kardiologie an der Schön Klinik Starnberger See. Wie bei einem Infarkt krampft dann das Herz und schmerzt die Brust - Ursache ist allerdings keine verschlossene Ader sondern die stressbedingte Verengung der Herzkranzgefäße. Psychischer Stress wie Trennungen, Todesfälle oder Mobbing können zudem den Blutdruck nach oben treiben, so Pache: "Das sind extreme psychische Belastungen, die ganz gewaltige Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System haben."
Trauma kann Brustschmerzen auslösen
Eine der ersten Studien, die einen Zusammenhang zwischen Trauer und der Verschlechterung des Gesundheitszustands herstellte, führten Ärzte an der Johns Hopkins School of Medicine in Baltimore durch. Sie untersuchten Patienten, die nach einem traumatischen Ereignis – dem Tod des Ehepartners etwa – Schmerzen in der Brust hatten, ohne jedoch die klassischen Zeichen eines Herzstillstandes aufzuweisen. Etwa ein Prozent aller emfpundenen Herzinfarkte, schätzen Mediziner in den USA, sind die Folge eines Broken-Heart-Syndroms.
Auf den Ex-Präsidenten George H.W. Bush scheint das erst einmal nicht zuzutreffen - schließlich machen ihm nicht Herzprobleme zu schaffen, sondern eine Infektion. Doch auch hier könnte es einen Zusammenhang mit der Trauer um seine Frau geben. "Viele Dinge passieren im Körper, wenn Menschen von Trauer überwältigt sind", sagte Ilan Wittstein, der die Studie an der Johns Hopkins School of Medicine leitete, der "New York Times". "Neuroendokrine Veränderungen etwa, zu denen auch der Anstieg des Stresshormons Cortisol gehört, können die Immunantwort unterdrücken."
Eine direkte Verbindung zwischen dem Tod eines Menschen und der Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Hinterbliebenen festzustellen, ist trotzdem schwierig. Immerhin haben die Betroffenen in solchen Fällen nicht selten bereits ein stolzes Alter erreicht - und dass sich der Gesundheitszustand von Bush Senior mit 93 Jahren verschlechtert, ist auch unabhängig vom Tod seiner Frau nicht gänzlich überraschend.
Alles nur selektive Wahrnehmung?
Für den Statistiker Donald Berry vom MD Anderson Cancer Center in Houston entspringt das Broken-Heart-Syndrom deshalb vor allem unserer eigenen romantischen Vorstellung - und unserer selektiven Wahrnehmung: "Wir kennen alle Beispiele, wo Ehemann und Ehefrau innerhalb einer Woche gestorben sind", sagte Berry der "New York Times". "Sie bleiben in unserem Gedächtnis kleben, wir erinnern uns an sie." Da ist Schauspielerin Debby Reynolds, die nur einen Tag nach ihrer geliebten Tochter Carrie Fisher starb. Oder Johnny Cash, der seiner Frau June nach 35 Ehejahren kurz nach deren Tod folgte.
Aber es gibt eben auch die anderen Ehepartner. Die, die überleben. "Die Pflegeheime sind voll von ihnen", kommentierte Brian Skyrms, Professor der Wirtschaftsphilosophie an der University of California, gegenüber der "New York Times". Und ganz egal, ob George H. W. Bush seiner Ehefrau in Kürze in den Tod folgt oder sie noch um Jahre überlebt - dass die beiden eine große Liebesgeschichte verband, steht sowieso außer Frage.
Quelle: ntv.de, mit dpa