Panorama

Apps belohnen Oberflächlichkeit Menschen werden in die "Online-Dating-Falle" gelockt

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Angeblich verspricht ein Abo mehr Chancen auf die Liebe, doch das können viele nicht bestätigen.

Angeblich verspricht ein Abo mehr Chancen auf die Liebe, doch das können viele nicht bestätigen.

(Foto: picture alliance / dpa-tmn)

Wo lernt man denn heutzutage jemanden kennen und lieben? An der Supermarktkasse eher selten - stattdessen suchen viele online nach Liebe oder Sex. Doch die Plattformen und Apps sind möglicherweise weniger an Erfolg interessiert, als es den Nutzenden lieb sein kann.

Für viele Menschen ist Online-Dating inzwischen die wichtigste Art, jemanden kennenzulernen. 2024 ergab eine Umfrage, dass rund 50 Prozent der 25- bis 34-Jährigen in Deutschland schon einmal Dating-Apps verwendet haben. Im selben Jahr gaben in einer anderen Umfrage 21 Prozent der Befragten an, dass ihre Partnersuche über das Internet oder eine Dating-App erfolgreich war.

Doch längst nicht jeder und jede findet im Netz die Liebe. Das liege an einem Systemfehler der Apps und Partnerschaftsplattformen sagt Thomas Köhler. Der Softwareunternehmer, Unternehmensberater und Hochschullehrer hat gerade das Buch "Die Online-Dating-Falle" veröffentlicht.

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"Der größte Fehler der Dating-Plattformen liegt in ihrem Geschäftsmodell", sagt Köhler. "Diese Apps sind nicht darauf ausgelegt, dass Menschen tatsächlich einen Partner finden, jedenfalls nicht dauerhaft. Denn wer fündig wird, steigt aus."

Und das bedeute in jedem einzelnen Fall zwei verlorene Kunden, keine Swipes, keine Klicks, kein Abo mehr, betont Köhler. "Genau darin liegt ein fundamentaler Widerspruch: Eine App, die vorgibt, bei der Partnersuche zu helfen, verdient am meisten an denen, die erfolglos bleiben."

Bildung, Charisma und Humor bleiben online auf der Strecke

Online-Dating ist längst ein Massenphänomen. Viele Millionen in Deutschland machen es. Laut einer Umfrage des IT-Branchenverbands Bitkom nutzen Jüngere vornehmlich Apps wie Tinder, Bumble, Hinge oder Grindr. "61 Prozent der deutschen Internet-Nutzerinnen und -Nutzer von 16 bis 29 Jahren haben schon einmal eine solche Dating-App genutzt, über alle Altersklassen hinweg ist es ein Drittel (33 Prozent)." Bei 30- bis 49-Jährigen liegen demnach Dating-Apps knapp vor Partnervermittlungsplattformen. Ältere Internet-Nutzer sind in erster Linie bei Online-Partnervermittlungen wie Parship oder ElitePartner aktiv.

Köhler zufolge haben alle gängigen Apps einen Konstruktionsfehler: "Sie reduzieren die Begegnung auf Äußerlichkeiten und oberflächliche Kriterien wie Alter, Ort und Körpergröße. Intelligenz, Bildung, Charisma, Humor, Toleranz und anderes, was den Nutzerinnen und Nutzern wichtig ist, ist online nicht darstellbar und bleibt auf der Strecke." Dies führe zu einem Wettbewerb der Oberflächlichkeiten, in dem oft gewinne, wer am dreistesten die Realität schönfärbe.

In den Fokus von Forscherinnen und Forschern geriet zuletzt auch die Gefahr des sogenannten Online-Dating-Burnouts. Das sei zwar keine eigenständige Krankheit, äußere sich aber etwa in emotionaler Erschöpfung, Zynismus und verminderter Leistungsfähigkeit, wie die Psychologin Wera Aretz (Hochschule Fresenius, Köln) 2024 im "Journal of Business and Media Psychology" schrieb.

Politik längst auch Riesenthema beim Dating

Ein ganz anderes Phänomen ist außerdem heutzutage die Politisierung des Datings. So zeigen Nutzerinnen und Nutzer etwa mit einem Wassermelonen-Emoji im Profil ihre Haltung. Dessen Farben Schwarz, Weiß, Grün und Rot (wie die Flagge Palästinas) sollen Solidarität mit Palästinensern ausdrücken und Haltung gegen den Gaza-Krieg zeigen, manchmal aber auch gegen ganz Israel.

Köhler sagt allgemein zu Politik und Liebesleben: "Beim Dating ist Politik längst ein Riesenthema. Viele Apps bieten heute die Möglichkeit, die eigene politische Ausrichtung anzugeben. Es lohnt sich, diese Funktion zu nutzen und einen Blick auf die Einstellung potenzieller Matches zu werfen. Das erspart Enttäuschungen, denn die zunehmende Polarisierung unserer Gesellschaft macht auch vor Beziehungen nicht halt."

Quelle: ntv.de, sba/dpa

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