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Trotzdem: "Es ist revolutionär" New Yorker reagieren irritiert auf neue Mülltonnen

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Manche New Yorker tun sich schwer mit dem "neuen" Abfallentsorgungssystem.

Manche New Yorker tun sich schwer mit dem "neuen" Abfallentsorgungssystem.

(Foto: AP Photo/Yuki Iwamura)

Seit dem Jahr 1968 wird in der Metropole New York der Müll in Plastiksäcken an den Straßenrand gestellt, wo er von den Mitarbeitern der Abfallentsorgung einfach gegriffen und in ihre Fahrzeuge geworfen wird. Damit ist jetzt Schluss. Die Stadt ordnet Mülltonnen an. Doch die Bewohner tun sich schwer.

Seit einem halben Jahrhundert haben New Yorker ihren Müll zum Abholen in Plastiksäcken verstaut, die sie dann unsanft auf den Bürgersteigen deponieren. Oft kommt es vor, dass die Säcke undicht werden oder Risse entstehen und der stinkende Inhalt auf die Straßen fließt - ein wahrer Festschmaus für Ratten. Im Winter werden die Haufen von Müll manchmal von Schnee bedeckt und bleiben Tage, ja bisweilen Wochen lang an Ort und Stelle eingefroren, was den Ruf der Stadt als schmutzig manifestiert.

Jetzt sind New Yorker langsam dabei, sich an eine radikal neue Methode zur Müllentsorgung zu gewöhnen, radikal jedenfalls für die Einwohner der größten amerikanischen Stadt: Sie müssen ihren Müll in Tonnen verstauen. Mit Deckeln. Das ist seit November für alle Wohngebäude mit weniger als zehn Wohneinheiten vorgeschrieben und gilt damit für die Mehrheit der New Yorker Wohnimmobilien. Städtische Unternehmen mussten schon früher in diesem Jahr auf die Tonnen umsteigen.

Das alles klinge sicherlich absurd für die Menschen in fast jeder anderen Stadt auf der Welt, wenn sie davon hörten, sagt Jessica Tisch, die früher Beauftragte für die Abwasser- und Abfallentsorgung in New York war und in dieser Funktion die Einführung der neuen Maßnahme beaufsichtigte, bevor sie dann Polizeipräsidentin wurde. "Aber es ist gemessen an den Standards von New York City revolutionär, denn seit 50 Jahren haben wir den Müll direkt an den Bordsteinen platziert."

20 Millionen Kilo Müll jeden Tag

Einwohner, die eine Müllentsorgung in Behältern schon von anderswo her kennen, sagen, dass der Umstieg längst überfällig sei. "Du siehst offene Plastiksäcke mit verrottenden Abfällen und stinkend, und dann ergießt es sich über den Bürgersteig und auf die Straße", sagt John Midgley, der ein Haus im Stadtteil Brooklyn besitzt und in London, Paris und Amsterdam gelebt hat. Der Gestank nehme ständig zu, "eine Woche nach der anderen".

New Yorker Haushalte, Firmen und Einrichtungen deponieren jeden Tag insgesamt etwa 20 Millionen Kilo an Müll auf den Bürgersteigen, 11 Millionen Kilo davon werden von der Behörde für Stadtreinigung eingesammelt. Ein großer Teil des Rests wird von privaten Müllabfuhrunternehmen abgeholt.

Im frühen 20. Jahrhundert war es in New York vorgeschrieben, Abfall in Metallbehältern zu verstauen. Aber im Zeitalter vor dem verbreiteten Gebrauch von Plastiktüten wurde Unrat direkt in diese Tonnen geworfen und verschmutzte sie. Dann, 1968, traten die städtischen Müllabfuhrarbeiter in den Streik. Mehr als eine Woche lang liefen Mülltonnen über, häufte sich der Abfall auf Bürgersteigen und drang auf Straßen. Es war ein Albtraum.

Bisher wurden Abfallsäcke einfach am Straßenrand abgestellt und in die Müllautos geworfen.

Bisher wurden Abfallsäcke einfach am Straßenrand abgestellt und in die Müllautos geworfen.

(Foto: AP Photo/Yuki Iwamura)

Hersteller von Plastiksäcken spendeten Tausende Exemplare, um dabei zu helfen, die Schweinerei zu beseitigen, und dann bürgerten sich die Säcke rasch ein, wie der auf öffentliche Angelegenheiten spezialisierte Steven Cohen von der Columbia University sagt. "Es hatte mit Zweckdienlichkeit zu tun. Nach dem Streik bevorzugten die Müllarbeiter den modernen Fortschritt leichterer und scheinbar sauberer verschlossener Plastiksäcke." Plastik hielt den Geruch besser zurück, verglichen mit den alten Metallbehältern, und Arbeiter konnten die Säcke leichter aufheben und in die Müllwagen werfen.

Bald auch neue Müllautos in New York

Aber die Stadtregierung unter Bürgermeister Eric Adams, der einen geradezu leidenschaftlichen Krieg gegen die notorischen Ratten in der Stadt führt, hat die Berge von Säcken sozusagen zum öffentlichen Feind Nummer 1 erklärt. Für die Nager ist es relativ leicht, an den Inhalt eines Plastiksacks zu kommen. Langlebige Tonnen mit festen Deckeln zum Verschluss sollten sie, jedenfalls theoretisch, besser fernhalten.

Die am 12. November in Kraft getretene neue Vorschrift bringt indes eigene Herausforderungen mit sich. Eine davon ist es, Platz für große Tonnen mit Rädern in Gegenden zu finden, in denen die meisten Gebäude keine Gärten, Wege zwischen Grundstücken oder Garagen haben. Vermieter und Hausbesitzer müssen außerdem die Tonnen herausstellen und nach der Leerung vom Bürgersteig holen - im Gegensatz zu den Plastiksäcken.

So schildert Caitlin Leffel, die in Manhattan lebt, dass Einwohner ihres Wohnblocks sich zusammengeschlossen hätten, um jemanden "zu einem erstaunlich hohen Preis" für diese dreimal in der Woche anfallende Aufgabe anzuheuern. Auch Hausmeister murren über die zusätzliche Arbeit. Eine Vereinigung von ihnen hat sogar unlängst vor dem New Yorker Rathaus gegen die neue Vorschrift protestiert.

Wird mit den neuen Tonnen das Rattenproblem bewältigt?

Wird mit den neuen Tonnen das Rattenproblem bewältigt?

(Foto: AP Photo/Yuki Iwamura)

Zu einem späteren Zeitpunkt werden größere Wohngebäude mit mehr als 31 Einheiten ihre eigenen bestimmten Müllcontainer an der Straße haben, die dann von neuen Müllwagen mit automatisierten Greifern an der Seite geleert werden sollen - wiederum etwas, das in vielen anderen Ländern längst gang und gäbe ist.

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Aber vorläufig werden Arbeiter den Müll weiter manuell in ihre Wagen befördern, was seine eigenen Nachteile hat, wie Harry Nespoli, Chef einer 7000 Mitglieder starken Gewerkschaft von Stadtreinigungs-Arbeitern, sagt. "An manchen Orten werden nicht einmal Säcke benutzt. Sie werfen ihren Müll einfach so in die Tonnen."

Tisch glaubt indes, dass sich die New Yorker am Ende an die neue Realität gewöhnen werden. Derzeit kommen Einwohner bei Verstößen noch mit schriftlichen Verwarnungen davon. Aber ab dem 2. Januar drohen Geldbußen in Höhe von 50 bis 200 Dollar (umgerechnet 47 bis 190 Euro).

Quelle: ntv.de, Philip Marcelo, AP

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