Panorama

Einstiges Vorzeige-Modell Pandemie-Schock im Sauberland Taiwan

Testzentrum in Taiwan: Der rasante Anstieg der Fälle zwingt das Land zu neuen Gegenmaßnahmen.

Testzentrum in Taiwan: Der rasante Anstieg der Fälle zwingt das Land zu neuen Gegenmaßnahmen.

(Foto: imago images/ZUMA Wire)

Während der Westen zu Beginn der Pandemie fast alles falsch zu machen scheint, zeigen sich andere Länder besser vorbereitet. Taiwan etwa kann durch schnelles Handeln die Kurve lange flach halten. Doch damit ist es jetzt vorbei, die Fälle steigen massiv an. Wie konnte das passieren?

"Mit Einigkeit und Beharrlichkeit haben wir im Kampf gegen die Pandemie standgehalten und Taiwan zu einem globalen Vorbild gemacht." Diese Worte sprach Tsai Ing-wen, Präsidentin des Inselstaates, im vergangenen Oktober bei einer Rede an die Nation. Zu diesem Zeitpunkt sah die von der Pandemie geplagte Welt noch voll Neid auf Taiwan, welches als Musterschüler im Umgang mit dem Coronavirus galt. Auf Lockdowns konnte Taiwan verzichten, lediglich das Maskentragen zeigte den Einfluss der Pandemie. Die Infektionskurve blieb bis vor kurzem so flach wie in kaum einem anderen Land. Doch jetzt sieht die Lage plötzlich anders aus.

Denn in Taiwan springt die Zahl der Neuinfektionen zuletzt steil nach oben. Am Montag wurden laut Daten der Johns Hopkins University 335 neue Fälle gemeldet, am Donnerstag erneut fast 300. Das klingt nicht viel, ist für das ostasiatische Land mit knapp 24 Millionen Einwohnern jedoch eine hohe Zahl. Seit Beginn der Pandemie hat Taiwan rund 2800 Fälle erfasst - mehr als die Hälfte davon in der vergangenen Woche.

Als Konsequenz auf den jüngsten Ausbruch kündigten die Behörden ein Einreise-Verbot für Ausländer an, deren regulärer Wohnsitz nicht Taiwan ist. In der Hauptstadt Taipeh müssen Schüler wegen des Coronavirus seit Dienstag wieder ins Homeschooling. Taiwan hatte seit Ausbruch der Pandemie weltweit viel Lob für seine Strategie zur Bekämpfung des Virus erhalten. Ein Schlüssel war die frühe Reaktion der Behörden: Bereits Ende Dezember 2019 wurden Flugpassagiere aus dem chinesischen Wuhan auf Symptome überprüft. Von der Insellage begünstigt wurden schnell strenge Einreiseregeln erlassen und Quarantänen per Handy-Ortung überwacht.

"Gefühl der Selbstgefälligkeit"

Wie konnte es also zum jüngsten Aufflammen der Pandemie kommen? "Selbst bei Menschen, die Symptome zeigen, wurde allgemein davon ausgegangen, dass die Wahrscheinlichkeit, Covid-19 zu haben, im Wesentlichen gleich null ist", sagte Lin Hsien-ho von der National Taiwan University der BBC. Ihrer Ansicht nach rührt das von einem Glauben her, dass das Virus nicht durch Taiwans starke Grenzen brechen könnte. "Ärzte haben es nicht ernst genommen, Krankenhäuser waren nicht alarmiert, sie haben nicht viele Kontaktuntersuchungen durchgeführt. Es gab definitiv ein gewisses Gefühl der Selbstgefälligkeit."

Laut dem BBC-Bericht könnten die rapide steigenden Fallzahlen zudem mit Lockerungen der Quarantäneregeln für nicht geimpfte Piloten zusammenhängen. Denn kurz darauf kam es zu einem Ausbruch unter Piloten, die sich in einem Hotel nahe dem größten Flughafen des Landes aufgehalten hatten. Bei vielen, die mit diesem Cluster in Verbindung standen, wurde später die britische Variante B.1.1.7 nachgewiesen. Schließlich fand das Virus seinen Weg in die Teehäuser des Landes, wo es sich weiter ausbreiten konnte. "Es war ein sehr großes Superspreader-Ereignis", sagte Lin.

Auch Singapur von Infektionen überrascht

Ein ähnlicher Fall ist Singapur. Auch dort kam es zuletzt zu einem deutlichen Anstieg neuer Fälle. Am Sonntag hatte Singapur 38 im eigenen Land übertragene Corona-Fälle registriert, die höchste Zahl an Neuinfektion seit acht Monaten. Am Donnerstag wurden 41 Neuinfektionen gemeldet. Auch in dem kleinen Stadtstaat mit seinen knapp 6 Millionen Einwohnern war die Ausbreitung des Coronavirus weitgehend unter Kontrolle.

Doch in den vergangenen Wochen stiegen die Infektionszahlen wieder sprunghaft an. Die Behörden meldeten mehrere Infektionsherde. Unter anderem wurden ebenfalls am Flughafen 46 Menschen positiv auf das Coronavirus getestet - die meisten von ihnen Airport-Angestellte. Bereits in der vergangenen Woche hatten die Behörden die Corona-Maßnahmen verschärft und unter anderem die Schließung von Fitness-Studios beschlossen.

Am Mittwoch schloss Singapur auch seine Schulen. Sämtliche Grund- und Mittel- sowie Oberschüler müssen wieder per Homeschooling lernen. Denn der südostasiatische Stadtstaat will vor allem die Ausbreitung von Virusvarianten verhindern, wie die Regierung mitteilte. Grund sei, dass von den neuen Virusvarianten - darunter die zuerst in Indien entdeckte Variante - zunehmend auch Kinder betroffen seien. Einige der neuen Virusvarianten seien "wesentlich ansteckender, und sie scheinen kleinere Kinder anzugreifen", sagte Bildungsminister Chan Chun Sing. "Das ist ein Thema, das uns allen Sorgen bereitet."

Quelle: ntv.de, mit AFP/dpa

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