Panorama

"Sprecht mich an!" Petra van Bremen über Haare, Haltung und Hochgefühle

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"Sie ist ein Model und sie sieht gut aus" sangen "Kraftwerk" 1978. Petra van Bremen erinnert sich an diesen Song, sie war 19 und mit 17 als Model entdeckt worden.

"Sie ist ein Model und sie sieht gut aus" sangen "Kraftwerk" 1978. Petra van Bremen erinnert sich an diesen Song, sie war 19 und mit 17 als Model entdeckt worden.

(Foto: imago images/Eventpress)

Von dieser Frau würde man auf der Stelle alles kaufen wollen, was sie trägt. Nicht nur, weil sie einen unschlagbar guten Geschmack hat, sondern auch, weil alles an ihr Würde, Stolz und Anmut ausstrahlt. Mit ihr zu sprechen ist, wie mit einer Freundin zu klönen: Petra van Bremen hat Tipps und Ratschläge, die machbar sind. Sei es Sport, Ernährung, Freundschaft oder Partnerschaft. Und natürlich Fashion - High und für den Hausgebrauch. Der niederländische Akzent tut sein Übriges, um ihr vollends stundenlang lauschen zu wollen. Ihren Instagram-Account pflegt sie selbst, und deswegen geht es auch dort fast familiär zu. Sie hat ein Buch geschrieben, es heißt "Deine beste Zeit ist jetzt", und das nimmt man ihr sofort ab, denn sie predigt nicht von oben herab, das Buch ist extrem realistisch: Ja, sie isst Kartoffeln, aber nicht vor einem Shooting; ja, sie macht Sport, aber nicht ständig, allerdings regelmäßig; ja, sie trinkt auch mal ein Glas Champagner, denn auf alles zu verzichten ist keine Lösung. Außerdem hat sie einen Hund – mit dem muss sie raus, bei Wind und Wetter. Vor Kurzem hatte sie ein Shooting für die "Vogue", und sie sagt selbst dazu: "Ist das zu glauben? Ich bin 65 Jahre und in der "Vogue"! Das ist der Beweis, dass das Alter nur eine Zahl ist, wenn du deine Träume verfolgst!" Mit ntv.de spricht sie über Haare, Haltung und Hochgefühle.

ntv.de: Was ist das Kostbarste in deinem Leben?

Petra van Bremen: Meine Zeit. Damit versuche ich wirklich, vorsichtig und gut umzugehen, da überlege ich mir ganz genau, wofür ich meine Zeit einsetze und mit wem ich Zeit verbringe.

Ich bin auf dich aufmerksam geworden während der letzten Fashion Week, wo du zum Beispiel für Marcel Ostertag gelaufen bist …

Mit Mitte 20 widmete sie sich einer neuen Karriere im Management, und viele Jahre später zog sie nach Hamburg, war dort "die Frau von ...". Auch schön, aber nicht ausreichend.

Mit Mitte 20 widmete sie sich einer neuen Karriere im Management, und viele Jahre später zog sie nach Hamburg, war dort "die Frau von ...". Auch schön, aber nicht ausreichend.

(Foto: Imago)

Ja, das ist einer der Designer, der möchte, dass seine Kundinnen sich auch mit dem Model, das seine Kollektion vorführt, identifizieren können. Er wählt Identitäten aus und schaut dabei nicht auf das Alter.

Auf deinem Instagram-Kanal stehst du zu deinen grauen/weißen Haaren, und auch dazu, dass du 65 bist.

Zu den grauen Haaren musste ich irgendwann stehen - das viele Färben hat Spuren hinterlassen und dadurch war meine Kopfhaut rot und gereizt. Und dazu kam die Hormonumstellung durch die Wechseljahre, die meine Haare dünner werden ließen. Ich wollte das nicht mehr und ließ die grauen Haare wachsen. Mein Problem ist aber gewesen, dass beim ersten Versuch die Haare gar nicht schön grau wurden. Es ließ mich älter aussehen. Und dann habe ich einen zweiten Versuch gestartet - es kam Corona, und ich hatte Glück: Meine Haare wurden schön weiß. Niemand ging zu der Zeit raus, schon gar nicht zum Friseur, das spielte mir in die Karten.

Schön. Natürlich. Petra van Bremen ganz rechts.

Schön. Natürlich. Petra van Bremen ganz rechts.

(Foto: IMAGO/Future Image)

Botox und Co – was ist da deine Meinung?

Ich bin nicht dagegen. Das sollte jeder für sich selbst entscheiden. Ich habe für mich entschieden, dass ich es nicht brauche. Und das ist okay. Ganz ehrlich, es ist auch nicht immer einfach, das Altern zu akzeptieren.

Es ist auch keine Frage nur des Aussehens, auch der Gesundheit …

Oh ja! Es ist ein Zusammenspiel aus der Ernährung und einem regelmäßigen Fitnessprogramm. Ich mache es, denn auch bei mir passiert das nicht von allein. Manchmal muss ich mich auch überwinden.

Stehst du jemals vor deinem Schrank und denkst: Ich hab' nichts anzuziehen?

Ja, manchmal denke ich, ich habe nichts, aber das stimmt natürlich nicht, und das weiß ich ganz genau. Kleidung bedeutet mir aber auch etwas. Kleidung ist eine Sprache, mit der man sich ausdrücken kann. Ich bin oft schon voller Vorfreude, wenn ich weiß, dass etwas Besonderes ansteht. Ich bin mir immer ziemlich sicher, was ich anziehen möchte. Und ich habe genug (lacht).

Grau. Und trotzdem ist alles so schön bunt.

Grau. Und trotzdem ist alles so schön bunt.

(Foto: Imago)

Herrscht in deinem Schrank Ordnung? Nach Farben oder Jahreszeiten?

Ich versuche, Winter und Sommer im Schrank auszutauschen, jedoch gelingt das nicht immer, vor allem, wenn man zwischendurch verreist. Was durch meinen Job öfter der Fall ist. Es geht alles so schnell, ich hatte gerade noch das Gefühl, dass ich keine Socken anziehen muss und zack, schon ist fast wieder Weihnachten (lacht).

Bist du gut sortiert?

Das kommt darauf an, wie du das meinst (lacht). Ich habe Kleider für jeden Anlass, jedes Motto. Insofern bin ich gut sortiert. Übersichtlich ist das aber nicht, weil ich bedauerlicherweise nichts wegschmeißen kann.

Bei mir erledigen das die Töchter, ich habe eigentlich nie einen zu vollen Schrank …

Das ist ideal, ich habe zwei Stiefsöhne, und einen Enkel, also alles Jungs, keiner interessiert sich für meine Kleider (lacht).

Mit ihrem Mann Michael, ihrer großen Liebe.

Mit ihrem Mann Michael, ihrer großen Liebe.

(Foto: IMAGO/Future Image)


Dein Buch – du wurdest ein bisschen dazu überredet, oder?

Ja, es war nicht so, dass ich aufgewacht bin und dachte, ich muss ja unbedingt mal ein Buch schreiben! Aber andere hielten das für eine super Idee. Es begann mit Social Media und wurde so richtig interessant, als ich 60 wurde. Da wurde ich oft gefragt, wie machst du dies, was denkst du hierüber, was soll ich machen, was soll ich anziehen, was rätst du mir? Die Fragen wurden immer mehr. Und da ich alle diese Fragen und Mails persönlich beantworte, dachte ich irgendwann schon, vielleicht sollte ich das mal aufschreiben, damit man das jederzeit nachlesen kann.

War dein 60. Geburtstag eine Zäsur? Annehmen oder verdrängen? Feiern oder verreisen? Darüber lachen oder lamentieren?

(lacht) Meinen 60. Geburtstag habe ich groß gefeiert. Es war eigentlich nicht das Alter an sich. Ich habe immer sehr gerne meine Geburtstage gefeiert. Und ich hatte auch nie Probleme damit, älter zu werden. Aber mit 60 hatte ich schon eine nachdenkliche Phase: Was will ich jetzt? Was will ich noch tun? Wie lange wird es mir noch gut gehen? Bleibe ich gesund, kann ich reisen? Was will ich mit meinem Mann noch erleben und wie wollen wir uns diese wirklich absehbare Phase einrichten? Ich war also tatsächlich in einer anderen Verfassung als sonst. Es war aber auch nicht: Oh Jesus, ich werde 60, so ein Mist. Meine Gedanken wurden eher ausgelöst durch die Demenz meiner Mutter, weil ich mich selbst einfach fragen musste: Wird mir das auch passieren? Und wie viele gute Jahre bleiben mir noch?

Das verstehe ich, die Frage, wie viel Zeit einem noch bleibt, ist wirklich groß …

Holländerinnen unter sich: Mit Sylvie Meis, ihrer Trauzeugin.

Holländerinnen unter sich: Mit Sylvie Meis, ihrer Trauzeugin.

(Foto: imago)

Man sollte aber trotzdem nicht vergessen, auch mal einen Blick zurückzuwerfen, seine Schlüsse zu ziehen, aus Vergangenem zu lernen, und dankbar zu sein. Manche werden nicht mal 60.

Du schreibst sehr persönlich …

Ja, ich möchte Menschen erreichen und sie ermutigen, deswegen bin ich so authentisch wie möglich. Da muss ganz viel Petra drinstecken. Und es ist bei mir eben nicht immer perfekt, selbst, wenn das nach außen so aussieht. Ich habe auch Phasen, die emotional nicht so toll sind! Auf Instagram werde ich nicht ganz so persönlich wie in meinem Buch. Dort ist alles kürzer, knackiger, aber ein Austausch findet auch dort statt. Einige schrieben mir, nachdem sie mein Buch gelesen haben, dass sie Ähnliches erlebt haben. Sie haben sich endlich getraut, nach einer Trennung auch eine Therapie zu machen. Das freut mich so sehr, das wollte ich erreichen - dass Menschen sich gehört und gesehen fühlen. Und wenn andere dann sagen: "Mein Gott, was schreibt die denn da?" – das interessiert mich nicht.

Ich finde dein Buch übrigens auch für jüngere Frauen gut …

Das freut mich zu hören, warum denkst du das?

Weil ich früher gern manchmal gewusst hätte, wie dies und das geht, wie es läuft, wie es wird, und den Ratschlag willst du nicht unbedingt von deiner Mutter haben. Aber von einer etwas älteren Freundin.

Wandelbar. Wunderbar.

Wandelbar. Wunderbar.

(Foto: IMAGO/Future Image)

Da hab' ich noch gar nicht drüber nachgedacht, aber das wäre natürlich super, wenn auch jüngere Frauen sich dafür interessieren.

Dann könnten sie ihre Zeit besser nutzen. Und Frauen könnten aufhören mit der Vorstellung, mit 50 wie mit 20 aussehen zu müssen und mit 60 wie mit 30. Das nervt doch irre.

Das hätte ich nicht schöner sagen können (lacht).

Warum glaubst du, wird Heidi Klum so angefeindet für ihr Lingerie-Shooting mit ihrer Tochter? Deine Karriere startete ja auch mit einem Lingerie-Shooting …

Ja. Hauptsache, es ist ästhetisch - egal, ob bei 50-Jährigen oder wenn eine Mutter mit ihrer Tochter vor der Kamera steht. Bei Heidi und Leni verstehe ich nicht, warum sie so angefeindet werden, das sind tolle Fotos. Wenn ich eine Tochter hätte, würde ich sie auch fragen, ob sie mit vor die Kamera kommt. Wenn sie mag. Das spricht doch alle Generationen an. Wahrscheinlich brauchen die Menschen immer etwas zu meckern.

Hast du negative Erfahrungen gemacht?

Nee! Tatsächlich nicht, auch nicht auf Social Media …. Ich glaube, ich habe unglaublich loyale Follower, das ist eine wirkliche Community. Ausgrenzung spüre ich eher, wenn ich auf Frauen in einem Raum treffe: Es gibt dann zwei Möglichkeiten – entweder sie nehmen dich auf in ihre Gruppe, oder du wirst ignoriert. Dabei liebe ich es, wenn ich angesprochen werde. Ich liebe Interviews, ich bin gern auf dem roten Teppich, jeder darf ein Selfie mit mir machen, ich freue mich so sehr darüber, von anderen etwas zu erfahren.

Manche ziehen sich vielleicht zurück, weil sie unsicher sind, und weil du eine wirklich große Frau bist.

(lacht) So war ich ja schon immer. Also, an alle: Sprecht mich an!

Auf dem Laufsteg hast du eine besondere Ausstrahlung – immer ein kleines Lächeln. Es wirkt so, als ginge das gar nicht anders.

Ja, ich bin da auch sehr happy. Ich mache das wirklich gerne und fühle mich einfach wohl.

Du schreibst in deinem Buch, dass Frauen kein Verfallsdatum haben. Eine steile These, denn das haben bisher die wenigsten so verstanden. Was wollen wir unternehmen, damit es endgültig klar wird?

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Den Frauen erstmal den Glauben nehmen, dass sie ein Verfallsdatum haben. Sie müssen an sich selbst glauben. Wenn sie das nicht tun, dann verfallen sie. Frauen haben eine Daseinsberechtigung in jedem Alter, aber so lange Frauen glauben, dass sie in der Gesellschaft ab 40, 50 oder 60 nicht mehr dazu gehören, so lange werden Frauen denken: Tja, das war's dann wohl. Solche Gedanken stürzen Frauen in Selbstzweifel, aus denen sie manchmal nicht mehr hinauskommen.

Da müssen aber noch mehr mitmachen als nur die Frauen selbst …

Ja, es ist noch sehr viel zu tun. Älter werden hat ein schlechtes Image, alle wollen älter werden, aber keiner möchte alt aussehen. Solange Moderatorinnen ausgetauscht werden, weil sie zu alt sind, solange nur Mädchen in Größe 32 über den Laufsteg gehen, solange die Werbung nicht für Ältere gilt, solange auf Cremes noch draufsteht: "Anti-Aging – gegen das Altern!", haben wir nichts verstanden, denn wer ist schon Anti-Aging? Niemand, wir altern alle. Es geht darum, sich im Alter wohlzufühlen, aber doch nicht Anti!

Wie weit sind wir mit dem Thema Diversity?

Solange das nur bedeutet, dass in einer Fashionshow jeweils ein Best-Ager oder ein kurviges Model läuft, solange sind wir von Diversity noch sehr weit entfernt (lacht). Das ist dann reine PR.

Sex, Vorsorge, Unternehmerinnen-Themen, Ernährung, Sport, Schönheit – ganz schön viel in einem Buch. Aber so angenehm geschrieben, dass es sich wunderbar liest.

Oh, danke, ich hoffe, meine Freundinnen, die sich Sorgen gemacht haben, dass das, was ich aufgeschrieben hab', eh schon alle wissen, lesen das jetzt (lacht).

Mit Petra van Bremen sprach Sabine Oelmann

Petra van Bremen unterstützt die Ronald McDonald Stiftung und die DKMS - zwei Organisationen, die ihr persönlich viel bedeuten.

Quelle: ntv.de

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