Debatte um SüdtirolPolitiker streiten über Namensstreichung

In Italien entfacht ein Gesetzesentwurf die Debatte um die Zugehörigkeit Südtirols neu. Es sind vor allem die Politiker, die mit dem Feuer spielen. In der Bevölkerung stößt die Zwistigkeit zunehmend auf Desinteresse.
Die Dolomiten- und Alpenlandschaft in Südtirol ist so schön, dass sie fast schon kitschig wirkt. Hier kann man sich entspannen und Ruhe finden, egal ob im Sommer oder im Winter. Doch mancher Schein kann trügen. Denn hinter den Kulissen der Märchenlandschaft geht es nicht immer ganz harmonisch zu.
Südtirol ging nach dem Ersten Weltkrieg an Italien und ist heute Teil der Region Trentino-Alto Adige/Südtirol. Seit 1972 verfügt die Provinz Bozen (so wie die Provinz Trient) über eine erweiterte Autonomie, die in erster Linie auf den Schutz der Minderheiten zielt und eine weitreichende Selbstverwaltung des gesellschaftlichen Lebens ermöglicht. Zum Beispiel betrifft es das Schulwesen, denn es gibt sowohl rein italienischsprachige Schulen als auch rein deutschsprachige.
Die Provinz Bozen ist die reichste Provinz Italiens und registrierte voriges Jahr eine Wachstumsrate von 2,1 Prozent (also weit über der gesamtitalienischen, die bei 0,8 Prozent lag). Nichtsdestotrotz sind die Spannungen zwischen italienischstämmigen Altoatesini und deutschstämmigen Südtirolern noch nicht ganz vom Tisch und immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen.
Wie ist das mit Alto Adige?
So wie Freitag vor einer Woche. Die Abgeordneten des Bozener Landtags waren zusammengekommen, um ein Europagesetz zu verabschieden. Bei diesem ging es um EU-Normen, die die Bozner Provinz (wie der Rest Italiens) umsetzen muss. Da in Südtirol die Amtssprache sowohl Italienisch als auch Deutsch ist, gab es auch in diesem Fall zwei Textversionen. So weit, so gut - wäre da nicht in der italienischen Fassung der deutsche Begriff "Südtirol" anstatt mit Alto Adige mit "Provincia di Bolzano" übersetzt worden. Für die italienischen Abgeordneten war das ein Affront. Der Begriff "Alto Adige" sei in der italienischen Verfassung verankert und dürfe nicht abgeschafft werden, tönte es aus ihren Reihen.
Am Montag versuchte dann der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher von der Südtiroler Volkspartei (SVP) die Gemüter zu beschwichtigen. Niemand habe die Absicht, den Begriff "Alto Adige" zu streichen, versicherte er, und die abweichende Wortwahl sei keine Absicht gewesen. Natürlich müssen die deutsche und die italienische Version immer identisch sein, weswegen die Korrektur auch gleich erfolgen würde. Ob sich Kompatscher selber erst infolge der Proteste über den Fehler klar geworden ist, weiß man nicht, sicher hat ihn aber die bestimmte Stellungnahme seitens des italienischen Ministers für die Regionen, Francesco Boccia, zum Zurückrudern veranlasst. Boccia ließ Kompatscher wissen, dass der Fehler behoben werden müsse - wenn nicht, würde der italienische Staat das Gesetz anfechten.
Nichts als politische Spielchen
Von außen betrachtet eine surreale Debatte. Doch sie trifft einen wunden Punkt. Es scheint, als hätte sich ein Teil der Bevölkerung noch immer nicht damit abgefunden, zu Italien zu gehören. "Das stimmt überhaupt nicht", erklärt der auch in Deutschland bekannte Bozner Thrillerautor Luca D'Andrea gegenüber n-tv.de. "Das sind doch nur politische Spielchen." Die Südtiroler Volkspartei stelle sich wieder einmal wie die Ahnungslosigkeit in Person dar, insgeheim spiele sie aber den Rechten der Süd-Tiroler Freiheit in die Hände. "Die sind ja völlig aus der Zeit gefallen und versuchen die Wähler weiter mit der Blut-und-Boden-Ideologie zu halten." Die Bevölkerung sei da viel weiter. Er selber fühle sich als Bozner, Altoatesino, Südtiroler und Europäer. Statt sich in diesen Zwistigkeiten zu verheddern, sollte man dieses Stück Europa als Vorbild nehmen, meint er, denn nirgendwo anders seien Minderheiten geschützter als hier.
Auch für den Bozner Publizisten und Autor Gerhard Mumelter handelt es sich um eine von der Politik geschürte Debatte. Er sagte n-tv.de: "Ich habe in diesen Tagen im Cafe die Reaktionen der Leser der zwei wichtigsten Regionalzeitungen, 'Dolomiten' und 'Alto Adige', beobachtet. Egal, auf welche Titelseite die Leser blickten, sie kommentierten: 'So eine Schweinerei' und gingen dann ihren Geschäften nach. So wirklich interessiert das Thema hier niemanden." Ethnische Konflikte gebe es nämlich nur, wenn es mit der Wirtschaft bergab geht. Doch der Provinz gehe es prächtig. Trotzdem würden die Freiheitlichen immer wieder versuchen, die Stimmung aufzuheizen. "Zum Beispiel mit der These, der Begriff 'Alto Adige' stamme von Diktator Mussolini. Was aber Unsinn ist, denn er wurde schon zu Napoleons Zeit eingeführt."
Die 50er- und 60er-Jahre, als Südtiroler Separatisten die Loslösung von Italien mit Bombenanschlägen erzwingen wollten, liegen weit zurück. Und es ist auch nicht mehr so, wie der Florentiner Journalist Ranieri Polese seine ersten Urlaube in Südtirol in Erinnerung hat. "Das war Anfang der 70er-Jahre", sagt er n-tv.de. "Nach einer Wanderung bin ich mit Freunden in einem Gasthaus in Durnholz eingekehrt. Und da gab es zwei Räume, einen für die Deutschsprachigen, der andere für die Italiener. Das war schon befremdend." Aber das sei schon lange her, heute fühle er sich in Südtirol immer herzlich willkommen.
Auch die Beziehungen zwischen Altoatesini und Südtiroler gelten mittlerweile als entspannt. "Ich würde sagen, wir sind eine zunehmend buntgescheckte Gemeinschaft", meint Beatrix Burger, Lehrerin in einer Grundschule oberhalb von Meran, im Gespräch mit n-tv.de. "Die Schulen sind zwar sprachlich getrennt, aber jeder ist frei, sein Kind in die deutsch- oder italienischsprachige zu schicken", fügt sie hinzu.
Dass das Miteinander funktioniert, bestätigen auch die zunehmend gemischten Ehen. In einem Interview mit der Tageszeitung "Gazzettino" erklärte der in Bozen ansässige Wiener Journalist Stefan Wallisch, Humor sei das beste Rezept für ein friedliches Miteinander. Deswegen hat er mit seiner Frau, der Boznerin Luisa Righi, auch den humorvollen Wegweiser "Überleben in Südtirol" geschrieben. Heute streitet man nicht, sondern neckt sich, erzählte Wallisch, um die Steppdecke im Ehebett, ob sie doppelt oder einzeln sein soll und ob man nach einer Pizza einen Cappuccino trinken darf. Na ja, wenn das so ist, dann scheint die Welt auch in den idyllischen Dolomiten endlich in Ordnung zu sein.