Was geschah am K2? Rekord-Bergsteigerin verteidigt sich nach Todesdrama
11.08.2023, 17:17 Uhr Artikel anhören
Die Leistung der Norwegerin ist in der Bergsteigerszene umstritten.
(Foto: picture alliance / AA)
Am Tag, als ein Bergträger am K2 verunglückt, stellt die norwegische Extrembergsteigerin Harila einen neuen Rekord auf. Schnell werden Vorwürfe laut: Sie sei über den sterbenden Mohammad Hassan hinweggestiegen. Den Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung weist sie vehement zurück.
Ein Nepalese und eine Norwegerin haben alle 14 Achttausender im Rekordtempo bestiegen. Sie haben dafür 92 Tage gebraucht, wie eine Sprecherin des Guinness-Buchs der Rekorde (Guinness World Records) mitteilte. Den Rekord erreichten Tenjen Lama Sherpa und Kristin Harila demnach am 27. Juli. Zuletzt waren sie auf dem Achttausender K2 in Pakistan.
Am Tag ihres Triumphs verunglückte dort ein pakistanischer Bergträger und starb. Es mehrte sich Kritik wegen möglicher unterlassener Hilfeleistung. "Ich bin wütend, wie viele Menschen sich gegenseitig wegen dieses tragischen Unfalls beschuldigen", schrieb die Norwegerin auf ihrer Website. "Niemand hatte Schuld." Wer die Situation nicht verstehe, könne auch keinen Kommentar abgeben, so die Bergsteigerin. "Und das Versenden von Morddrohungen ist niemals okay."
Sie und ihr Team hätten zu der Zeit alles für den Bergträger getan, was sie konnten, schrieb sie weiter. "Das passierte an der gefährlichsten Stelle auf einem der tödlichsten Berge der Welt." Auf über 8000 Metern würden die Überlebensinstinkte die eigenen Entscheidungen beeinflussen, betonte Harila. Ihr Kameramann sei bei dem verunglückten Bergträger geblieben, solange seine Sauerstoffvorräte es erlaubt hätten. Die Sportlerin verwies auf eine Internetseite zum Spendensammeln.
Zweifel an Darstellung
In den Onlinenetzwerken sorgen aber inzwischen von anderen Bergsteigern veröffentlichte Drohnenaufnahmen für Kontroversen, die zeigen, wie Harilas Team und andere Bergsteiger in einer engen, gefährlichen Passage des K2 über den gestürzten und sichtlich verletzten pakistanische Bergträger Mohammad Hassan hinwegsteigen. Während ihres weiteren Aufstiegs starb Mohammad Hassan, der einem anderen Team angehörte.
Viele Nutzer der Onlinenetzwerke reagierten empört, zumal Harila noch am selben Abend im Basislager ihren Weltrekord feierte. "Niemand wird sich an Deinen sportlichen Erfolg erinnern, nur an deine Unmenschlichkeit", schrieb ein Instagram-Nutzer. In einem weiteren Kommentar hieß es: "An Deinen Händen klebt das Blut der Sherpas". Hassan war auf dem K2 gestürzt und schließlich ums Leben gekommen.
Laut der Touristenbehörde in der nördlichen Provinz Gilgit-Baltistan war Hassan das erste Todesopfer dieser Saison am K2. Auf Himalaya-Bergen sterben immer wieder Bergsteiger. Der 8611 Meter hohe K2 in Pakistan ist der zweithöchste Berg der Erde und gilt als weit anspruchsvoller als der Mount Everest, der höchste Berg der Welt. Gründe sind unter anderem die steile Route und die Lawinengefahr.
Den K2 haben bisher nur gut 300 Menschen bestiegen. Tenjen Lama Sherpa und Kristin Harila übertrafen mit ihren schnellen Bergbesteigungen aller Achttausender den bisherigen Rekord des Nepalesen Nirmal Purja aus dem Jahre 2019, hieß es von der Nepal Mountaineering Association. "Ohne die Hilfe von Herrn Tenjen und anderen Sherpas, die mithalfen, wäre diese bemerkenswerte Mission nicht erfolgreich gewesen", sagte die 37 Jahre alte Harila danach. Für sie sei das Himalaya-Land Nepal mit seinen Achttausender-Bergen eine zweite Heimat geworden.
Kritik an Leistung wird laut
Doch die Leistung der Norwegerin ist in der Bergsteigerszene umstritten. So gab es etwa Kritik daran, dass sie den Rekord nicht ohne, sondern mit Flaschensauerstoff schaffte, und dass es einen großen logistischen Aufwand gab - etwa mit Anflügen in die Basislager per Helikopter. Zudem wurde kritisiert, dass sich die Bergsteigerin auf bereits bekannten Routen bewegte, wie die Website "Alpin.de" berichtete. Der erste und schnellste Mensch, der ohne Sauerstoffflaschen auf allen 14 Achttausendern gestanden hätte, sei der Amerikaner Ed Viesturs, hieß es von Guinness World Records. Er hätte die Besteigungen zwischen 1989 und 2005 gemacht.
"Kristin Harila hat in den letzten Wochen erreicht, was ich eigentlich für unmöglich gehalten habe", sagte Billi Bierling, die Leiterin der "Himalayan Database"-Chronik, die alle Besteigungen der Expeditionsberge erfasst, laut "Alpin.de". "Die Art, wie Kristin und ihre Sherpas die hohen Berge besteigen, hat nichts mehr mit Alpinismus beziehungsweise der Ethik im klassisch-alpinistischen Stil zu tun - aber es passt in unsere Zeit."
Kritik übte auch der deutsche Bergsteiger Ralf Dujmovits: "Leider versucht Kristin unter dem für mich fadenscheinigen Deckmantel, Frauen zu inspirieren und zu demonstrieren, diese seien genauso stark wie Männer" eine Leistung zu erbringen, die absurd ist und die die wenigsten - mangels Kenntnissen um höhenrelevante Zusammenhänge - korrekt einordnen können."
Quelle: ntv.de, jki/dpa/AFP