Panorama

Mode, Männer, Musen Schön sein - schwerer als man denkt

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More pink, please!

More pink, please!

(Foto: IMAGO/Future Image)

Schluss mit den negativen Gedanken! Das ist so einfach gesagt, und es will, angesichts der Tatsachen, oft nicht gelingen. Manchmal kann man sich aber für ein paar Stunden aus dem Alltag zaubern. Wenn das passiert, weiß die Kolumnistin, sind Hopfen und Malz noch nicht komplett verloren.

In der vergangenen Woche war Fashion Week in Berlin, und man kann es drehen und wenden: Richtig, es ist nicht Paris. Oder Milano, ach Milano! Nicht mal London und schon gar nicht New York, obwohl Berlin dieser Stadt doch so ähnlich sein soll. Das ist natürlich Blödsinn, Berlin bleibt Berlin, New York bleibt New York. Ich darf das sagen, ich wurde in dieser Stadt, also Berlin, geboren, und die Einzigen, die über diese Stadt meckern dürfen, sind die, die hier geboren wurden. Sorry, keine Zugezogenen.

Vielleicht, wenn sie 20 oder 40 Jahre hier sind. Wenn es so mies ist, kann man ja wieder gehen. Ich überlege sporadisch, zu gehen. Nicht für immer, und ich will auch nicht meckern. Ich will nur einen eleganten Exit. Berlin ist momentan einfach anstrengend, zu aggressiv, zu viele dumme Gestalten, zu viele Angeber, zu viele Schnorrer. Angeber mag ich eigentlich, aber eben nicht die, die sich gerade auf den Straßen Berlins rumtreiben. Und richtig, Veränderung ist super, aber in die falsche Richtung nun mal nicht.

Kreativität und Liebe

Das war aber gar nicht mein Thema, denn wie zuvor erwähnt, vor Kurzem war Fashion Week und ich hatte mal wieder das große Glück, zu einigen Shows eingeladen zu werden. Leider konnte ich nicht zu allen hingehen, irgendwann muss ich auch mal arbeiten. Was ich gesehen habe, überzeugt mich nicht immer, aber das ist kein Grund zu meckern. Es muss mir nicht alles gefallen. Es soll auch anderen gefallen. Es ist für jeden etwas da. Es ist nicht einseitig, es ist im Gegenteil äußerst vielfältig.

GNTM ist überall ...

GNTM ist überall ...

(Foto: IMAGO/Future Image)

Die Berliner Fashion Week könnte als Abbild unserer Gesellschaft gesehen werden - oder als Vorbild. Sie lässt die anderen machen: Die Beteiligten meckern nicht, sie machen ihr Ding, sie sind fleißig, sie sehen, was ihre Kollegen leisten. Es hagelt Anerkennung und Liebe, hier regieren die Kreativität und das Handwerk.

In der Arena

Firmen wie Marc Cain und Anja Gockel liefern beständig, sie stehen für Qualität und Werte, zeigen ihre Kreationen in klassischen Gebäuden wie dem Pei-Bau des Deutschen Historischen Museums; andere sind jung und strotzen vor Energie, wie Haderlump. Und wieder andere halten sich vornehm zurück, wie William Fan. Die Österreicherin Rebekka Ruétz geht in die Alte Münze und freut sich, obwohl bereits erfolgreich, über den Ritterschlag durch die "Vogue", die ihr einen Text widmet. Andere erobern eine Arena: Kilian Kerner, Danny Reinke und Marcel Ostertag lassen ihre Models, sehr viele aus dem Umfeld von GNTM, durch die Uber-Arena stolzieren. Die Meinungen dazu sind geteilt, ob das nun größenwahnsinnig ist oder angemessen – aber dafür ist Berlin ja da: Möglichkeiten zu geben, sie wahrzunehmen, sie zu verwerfen, zu experimentieren. Etwas, das im Rest des Lebens allzu oft verloren gegangen ist.

Der Laden ist voll

Experimentieren – das ist DIE Eigenschaft, für die Berlin schon immer stand. Jeder, der Erfolg hat, würde sagen, dass Scheitern dazugehört. Jeder, der heute scheitert, kommt sich jedoch wie der größte Loser vor. Dieses Gefühl ist nicht rein Berlin-spezifisch, das ist so in Deutschland. Aber nun gut, ich schweife ab.

Der Designer ist ein beliebtes Selfie-Motiv.

Der Designer ist ein beliebtes Selfie-Motiv.

(Foto: IMAGO/Future Image)

Für den Designer und Modemacher Marcel Ostertag ist Berlin die Stadt, der er viel zu verdanken hat. Seit 2006 ist er als Designer aktiv. Er zeigt seine Kollektionen seit 2008 regelmäßig auf der Berlin Fashion Week, 2016 präsentierte er seine Entwürfe auch schon mal in New York. Ostertags Entwürfe sind geschlechtsunabhängig, altersneutral und immer kombinierbar. Er bedankt sich nach seiner Show jedes Mal sehr höflich bei seinen Partnern, ohne die eine solche Arbeit kaum möglich wäre. Er hat Brillen im Sortiment, um die seine Kundinnen sich reißen, und er verkauft die gezeigten Kleider nach dem Tag der Show in einem Hotel. Der Laden ist dann voll. Günstig ist das nicht, aber eben auch nicht Gucci oder Chanel. Er lässt seinen Musen Raum auf und neben dem Laufsteg, er ist höflich, aber in der Sache sehr bestimmt. Er weiß genau, was er will, er ist erfolgreich, genau wie sein Kollege Danny Reinke. Der präsentierte seine Show unter dem Motto "The Hunt" - die Jagd. Ein bisschen düster, aber wunderschön. Der Dritte in der Uber-Arena, Kilian Kerner, hatte das Thema "Die verlorenen Kinder der DDR" – düsterer geht es gar nicht, und dennoch kann man - zumindest dieser Designer - solch ein Thema in Mode umsetzen. So, dass viele Menschen darauf aufmerksam werden, ihre Freude haben, und gleichzeitig zum Nachdenken und Nachforschen angeregt werden.

Paradiesische Freude

Ostertag wählte das Motto "Paradise" – und damit kommen wir wieder zurück zum Ausgangspunkt, denn Berlin kann das Paradies sein, hauptsächlich im Sommer. Seine Kollektion ist bunt, schillernd, elegant, praktisch, für alle Geschlechter. Das zu sehen macht einfach nur Freude. Frauen in strengen Blazern, Männer in Pink, Menschen, die tragen, worauf sie Lust haben. Die sich nicht einordnen lassen wollen. Marcel Ostertag sagt: "Ich möchte die Leute in eine schönere, buntere und glückliche Welt beamen (Anm.d. Autorin : ist gelungen), deswegen veranstalte ich auf dem Laufsteg eine große Party." Ihm ist wichtig, dass auf dieser Party alle individuell sein dürfen und kein Motto vorgegeben ist.

Edel, klar, unaufgeregt ...

Edel, klar, unaufgeregt ...

(Foto: Getty Images/ Ostertag)

Jedes seiner 48 Models trägt genau einen Look, kein hektisches Umziehen backstage. Ein paar barocke Elemente, gemischt mit dem Rave der Neunziger - das ist es dieses Mal. "Ich möchte das Miteinander feiern und die negativen Botschaften ausblenden. Das heißt aber nicht", betont er, "dass wir vergessen oder wegschauen." Aber für einen Moment Freiheit, Liebe und Positivität - das wissen die Gäste zu schätzen. Ostertag lebt seine Party inzwischen übrigens vollkommen auf dem Laufsteg und in seinem Atelier aus – Party ist nicht mehr so seins, er achtet auf einen gesunden Lebensstil: "Ich war so ein krasses Partymonster, ich habe, bis ich 39 wurde, so viel gefeiert, dass es für ein ganzes Leben reicht."

"Wir vergessen momentan, dass auch wahnsinnig viel Gutes auf der Welt erreicht wird. Im Klimaschutz und in der Forschung zum Beispiel. Natürlich sollte alles immer noch schneller gehen, noch besser werden, aber wir sind auf einem guten Weg. Ich bin dieser negativen Gehirnwäsche einfach überdrüssig." Tatsächlich fand der 46-Jährige die Uber-Arena anfangs auch etwas "größenwahnsinnig, aber dann dachte ich, wie schade, dass wir keine Tickets verkaufen können." Denn den Erlös hätte er, wie sonst auch, zu Tierschutzzwecken gespendet. Bei fast 40 Grad in Berlin war es dann übrigens wunderbar kühl in dieser Location – die Kolumnistin ist mit einem guten Gefühl nach Hause gegangen. Und das will was heißen in diesen Zeiten.

Quelle: ntv.de

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