Nach Gewalt und Brandbrief Senatorin sägt Leiterin von Berliner Problemschule ab
23.01.2025, 10:56 Uhr Artikel anhören
In den letzten Monaten nahmen Fälle von Gewalt und Bedrohung an der Schule enorm zu.
(Foto: picture alliance/dpa)
Die Friedrich-Bergius-Schule in Berlin gerät im November in die Schlagzeilen. Das Lehrerkollegium weiß sich nach ausufernder Gewalt nur mit einem Brandbrief zu helfen. In der Schule werden Veränderungen angestoßen. Vorschläge des Senats schlägt die Schulleiterin jedoch aus - was sie einem Bericht zufolge ihren Posten kostet.
Die Leiterin der in die Schlagzeilen geratenen Friedrich-Bergius-Schule in Berlin-Friedenau muss diese zum Ende ihrer zweijährigen Probezeit verlassen. Das teilte Gesamtelternsprecher Andreas Thewalt dem "Tagesspiegel" am Mittwochabend mit. Schon am Freitag solle sie demnach nicht mehr an der Schule erscheinen.
Die Leiterin soll sich bisher nicht dazu geäußert haben. An diesem Donnerstag soll sie sich laut Thewalt von ihrem Kollegium und den Schülern verabschieden. Der Vorgang sei "ungeheuerlich", sagte der Gesamtelternsprecher. Er geht davon aus, dass der Rauswurf nicht passiert wäre, wenn die Leiterin den Brandbrief der Schule im November 2024 nicht mit unterzeichnet hätte. "Hier soll der Bote einer schlechten Nachricht mundtot gemacht werden", argwöhnt er gegenüber dem "Tagesspiegel".
Das hänge mit Kritik aus der Bildungsverwaltung zusammen. Am vergangenen Donnerstag kritisierte Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch von der CDU, dass die Leiterin konkrete Termine der Schulpsychologen sowie das Angebot eines Wachschutzes "nicht angenommen" habe. Allerdings sagte Gesamtelternsprecher Thewalt dem "Tagesspiegel", dass es noch vor wenigen Tagen ein Gespräch zwischen Bezirksvertretern und der Schulaufsicht gegeben habe. Dieses habe er als konstruktiv und positiv wahrgenommen. Aus diesem Grund überraschte ihn die jetzige Entscheidung über die Zukunft der Schulleiterin.
Bestürzung über Senatsbeschluss
Grünen-Politikerin und langjährige Vorsitzende des bezirklichen Schulausschusses, Martina Zander-Rade, reagierte auf den Rauswurf "mit großer Bestürzung". Die Leiterin habe sich in ihrer Amtszeit "mit hohem Engagement und Verantwortung" für die Belange der Schule und ihrer Schüler eingesetzt, sagte sie der Zeitung. In Anlehnung an Thewalt ergänzte Zander-Rade: "Gerade jetzt, wo die Steuerungsrunde an der Schule so positiv angelaufen ist und zahlreiche wichtige Termine und Projekte für die kommenden Wochen anstanden, hätte Kontinuität Priorität haben müssen", meint die Grünen-Politikerin. Sie halte das Vorgehen aber "auch aus menschlicher Perspektive für nicht fair".
Die Schulleiterin sowie die Schulgemeinschaft "hätten mindestens eine offene und transparente Erklärung verdient", findet Zander-Rade. Der Rauswurf gefährde nicht nur die positive Entwicklung der Schule, sondern setze auch ein "fragwürdiges Signal für den Umgang mit engagierten Führungskräften in Schulen, die sich trauen, Probleme auch öffentlich zu benennen".
Dass die Lage so eskalierte, wird laut "Tagesspiegel" innerhalb der Bildungsbehörde auch Staatssekretärin Christina Henke von der CDU angelastet. Sie verstehe nichts von Schulaufsicht und Krisenbewältigung, weshalb der Fall so aus dem Ruder gelaufen sei, während die Senatorin mit den Haushaltskürzungen zu tun hatte, heißt es.
Drohungen, Gewalt, Mobbing
Als Thewalt von der Entscheidung erfährt, ist er gerade mit der Vorbereitung eines Infoabends am kommenden Dienstag beschäftigt. Dort sollen Elternschaft, das Schülerparlament und die Bezirks- und Landesschulleitung über die Lage an der Schule sprechen.
Das Schülerparlament ist eine der Neuerungen, die die Leiterin auf den Weg brachte. Ihr Vorgänger hatte die Schule mit strengen Regeln geführt, sie versuchte moderne Ansätze zu ergänzen. Die neue Leiterin musste den Spagat zwischen einer Bewältigung der Nachwirkungen der Corona-Pandemie sowie einer Zunahme kaum zu integrierender Schüler bewerkstelligen. Das glückte offensichtlich nicht.
Seit November stand die Schule aufgrund des Brandbriefs im Fokus der Politik. Darin wurde von täglicher Gewalt und Bedrohungen berichtet. Als ein Grund wurde die große Zahl an Schülern aus Kreuzberg und Neukölln ausgemacht. Es vergehe "kein Tag ohne verbale Beleidigungen und Bedrohungen von Lehrkräften durch SchülerInnen", hieß es im Brief. Zudem gebe es massives Mobbing unter der Schülerschaft, zunehmende Beschwerden von Anwohnern und Hausverbote durch einen Supermarkt.
Vor einer Woche kam es laut "Tagesspiegel" dann in der von Gewaltvorfällen und Bedrohungen geplagten Schule zu einer erneuten Eskalation. Ein Siebtklässler musste in einen Supermarkt flüchten, weil er von Jugendlichen mit Messern, Baseballschlägern und Schlagringen "gejagt" worden sei, wie es in einer Mail der Schule hieß. Bei der Verfolgung sei auch gerufen worden: "Wir stechen dich ab", berichtete ein Elternteil.
Quelle: ntv.de, als