Kritiker und ihre Gegner Tausende nehmen Corona zum Anlass für Proteste
16.05.2020, 18:26 UhrBundesweit gehen wieder Tausende Menschen wegen des Themas Corona auf die Straße. Während die einen gegen die Beschränkungen protestieren, nutzen andere die Proteste für eigene Anliegen. Überall bemüht sich die Polizei, die Hygieneauflagen umzusetzen.
In mehreren deutschen Städten sind wieder Tausende auf die Straße gegangen, um gegen die aus ihrer Sicht restriktiven Corona-Beschränkungen zu demonstrieren. Zu Protesten kam es unter anderem in Berlin, Stuttgart und München. Dabei verzeichneten die Behörden erneut einen großen Zulauf. Seit mehreren Wochen gibt es in Deutschland Proteste gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Dabei werden auch verschwörungstheoretische, politisch extreme und esoterische Positionen vertreten. So sind etwa militante Impfgegner und Rechtsextreme dabei.
Vor dem Reichstagsgebäude in Berlin versammelten sich dabei mehrere Hundert Menschen, um an einer Kundgebung des Fernsehkochs Attila Hildmann teilzunehmen. Der für seine veganen Rezepte bekannte Koch war zuletzt mit der Verbreitung von Verschwörungstheorien aufgefallen. Die Polizei sperrte für die Kundgebung einen Bereich ab und wies Hildmann darauf hin, dass nicht mehr als 50 Teilnehmer erlaubt seien. Auch Komiker Oliver Pocher zeigte sich am Nachmittag am Reichstag - vor laufenden Kameras diskutierte er mit Hildmann. Anschließend wurde er von der Polizei vom Gelände geleitet.
Zeitgleich fanden Demonstrationen gegen die Corona-Auflagen und Gegenproteste auf dem Alexanderplatz und an der Volksbühne statt. Am Alexanderplatz gab es laut der Polizei nach einer ersten Einschätzung einige Dutzend Teilnehmer, rund um den Rosa-Luxemburg-Platz etwas mehr als 100. Die Polizei sorgte mit rund 1000 Beamten für den nötigen Abstand. Es gab nach Angaben der Polizei bislang rund 200 vorläufige Festnahmen und Identitätsfeststellungen.
In Stuttgart teilte die Polizei kurz nach Beginn der Kundgebung mit, dass die genehmigte Zahl von 5000 Teilnehmern erreicht sei. Weiteren Teilnehmern werde eine zweite Versammlungsfläche zugewiesen. Die Demonstration in der Landeshauptstadt war ursprünglich für eine halbe Million Teilnehmer angemeldet. Die Stadt begrenzte die Teilnehmerzahl jedoch in einer "Abwägung von Infektionsschutz und der Versammlungsfreiheit" auf 5000. Verstöße gegen die Maskenpflicht sollen mit 300 Euro Bußgeld geahndet werden. 500 Ordner mit Mund-Nasen-Schutz sollen bei der Veranstaltung auf dem Wasen vor Ort sein. Der Veranstalter war mit einem Eilantrag gegen zwei der Auflagen gescheitert.
In München wurde die genehmigte Teilnehmerzahl von 1000 kurz vor Veranstaltungsbeginn erreicht. Die Polizei ließ keine Menschen mehr auf das abgesperrte Gelände auf der Theresienwiese, auf der sonst im Herbst das Oktoberfest gefeiert wird. Durchsagen der Polizei, den Bereich um das Demogelände zu verlassen, quittierten Demonstranten mit Buhrufen. Es "stehen mehrere hundert Schaulustige entlang des Absperrbands", teilte die Polizei mit. Der Mindestabstand von 1,5 Metern werde "deutlich unterschritten". Die Veranstalter hatten 10.000 Teilnehmer angemeldet. Manche der Teilnehmer in München trugen Transparente mit Slogans wie "Freiheit statt Zwang", andere Masken mit der Aufschrift "mundtot2. Bayernweit waren am Wochenende rund 70 Versammlungen angemeldet.
Mehrere Hundert Menschen haben laut Polizei auch in Rheinland-Pfalz und im Saarland demonstriert. Die Proteste verliefen zunächst weitgehend ohne Zwischenfälle. In Koblenz trafen trotz eines Demo-Verbots Menschen zu "mehreren kleineren Zusammenkünften" zusammen. Angemeldete Demonstrationen fanden zudem unter anderem in Mainz, Worms, Saarbrücken, Sankt Wendel, Kaiserslautern, Trier und Frankenthal statt.
Kretschmer in Dresden, Kalbitz in Prenzlau
In Dresden verteidigte Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer bei den Protesten die Entscheidungen der Politik und warb um Respekt für abweichende Meinungen geworben. der 45-Jährige musste sich dabei zahlreichen kritischen Fragen stellen. Immer wieder wurde die sofortige Aufhebung aller Beschränkungen gefordert. Manche Gesprächspartner leugneten die Existenz des Virus und warfen der Politik vor, mit einer "Corona-Lüge" nur Angst machen zu wollen. Eine Frau sah im Gespräch mit Kretschmer "dunkle Mächte" am Werk. Mehrere Menschen äußerten Sorge vor einer staatlich verordneten Impfpflicht. Kretschmer blieb etwa eineinhalb Stunden. Einige Teilnehmer wurden verbal aggressiv, viele zollten ihm aber für seinen Auftritt Respekt, ein paar klatschen sogar Beifall.
In Hamburg protestierten derweil mehrere hundert Menschen gegen die Anhänger von Verschwörungstheorien. Am Rande der Demo mit gut 200 bis 300 Teilnehmern kam es auch zu Rangeleien mit der Polizei, wie ein Augenzeuge berichtete. Ebenfalls vor dem Rathaus versammelten sich rund 50 Menschen, um gegen die Corona-Einschränkungen zu protestieren.
Auch in der Frankfurter Innenstadt stießen Kritiker und Gegner der Corona-Auflagen auf großen Gegenprotest. Neben einer angemeldeten Kundgebung trafen sich Menschen auch ohne formelle Anmeldung auf dem rund 500 Meter entfernten Opernplatz. Dabei blieb es zunächst bei verbalen Auseinandersetzungen, wie die Polizei berichtete. Die bezifferte die Zahl aller Demonstranten auf gut 1500.
In Brandenburg nahm auch der bisherige AfD-Landes- und Fraktionschef Andreas Kalbitz an Protesten Teil. In Prenzlau hielt er eine Rede. Dort hatten der AfD-Landtagsabgeordnete Felix Teichner und der Uckermärker AfD-Fraktionschef Hannes Gnauck zu der "Demo in Prenzlau für Grundrechte und Politik mit Verstand" aufgerufen. Bei einer Gegenkundgebung wandte sich das Bündnis "Buntes Prenzlau" gegen Neonazis und "rechte Propaganda". In Potsdam gingen ebenfalls Gegner von Corona-Beschränkungen auf die Straße.
Quelle: ntv.de, jwu/dpa