Panorama

Prozess um Kinder und 100 TiereTierbesitzerin überzieht Gericht mit Klagen

20.06.2017, 23:48 Uhr
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Die Klägerin bringt das Gericht in Landshut mit ihrer Klagewut zur Verzweiflung. (Foto: picture alliance / Armin Weigel/)

Wegen Betrugs muss eine Frau aus Landshut 2015 ins Gefängnis - ihre fünf Kinder kommen zur Schwester. Ihre 127 Tiere in Heime. Nun klagt die Frau gegen die Stadt. Doch warum, erschließt sich trotz eines wahren Verhandlungsmarathons nicht.

Mit einer Flut an Klagen bringt eine inhaftierte Tierbesitzerin aus Landshut Justiz und Behörden an den Rand der Verzweiflung. Bis zu 127 Haustiere lebten zeitweise auf dem Anwesen der Frau - dazu fünf minderjährige Kinder. Als sie wegen Betrugs verurteilt wird und 2015 in Haft kommt, werden die Kinder bei ihrer Schwester untergebracht und die Tiere von Tierheimen aufgenommen und an neue Besitzer vermittelt. Nun klagt die Frau gegen die Stadt - aber es ist nicht so leicht nachzuvollziehen, warum und wogegen.

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Vor dem bayerischen Verwaltungsgericht in Regensburg klagt die Frau gegen die Stadt Landshut. (Foto: picture alliance / Armin Weigel/)

Bei einem Verhandlungsmarathon vor dem Verwaltungsgericht Regensburg versuchte die Vorsitzende Richterin Eva Mühlbauer, das Klagegeflecht ein wenig zu entwirren. In einem Fall geht es um 18 Vögel, die das Veterinäramt Landshut der Frau fortgenommen hat. Etliche Tiere waren den Akten nach krank und schlecht versorgt. Amazonenpapagei "Luigi" litt demnach an einer Zinkvergiftung, an Herzschwäche sowie verschleimten und entzündeten Luftwegen. Zudem bescheinigten ihm die Ärzte Verdacht auf Herpes.

Seine Artgenossin "Marina" hatte mit den schmerzhaften Folgen einer Bein- und Armfraktur zu kämpfen. Auch Wellensittiche und weitere Vögel waren in schlechter Verfassung, bestätigte Amtstierärztin Marion Ehrenhofer-Zettler vor Gericht. Es sei erforderlich gewesen, die Tiere in die Vogelklinik nach Oberschleißheim zu bringen. Die Klägerin beschwerte sich: Ihre Tiere seien stets gut versorgt worden, sie habe nie gegen das Tierschutzgesetz verstoßen und die Angaben des Veterinäramtes seien wahrheitswidrig.

Flut an Befangenheitsanträgen

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Mit etlichen Befangenheitsanträgen zieht die Klägerin die Verhandlung in die Länge. (Foto: picture alliance / Armin Weigel/)

Das Anwesen der Frau glich offenbar einem Streichelzoo: In den Prozessunterlagen ist von Vögeln, Pferden, Hunden, Katzen, Rindern sowie "unzähligen" Hasen, Kaninchen und Meerschweinchen die Rede. Der Gestank soll bis ins Freie vor dem Haus zu riechen gewesen sein. Der Verdacht auf sogenannte Tiersammelsucht - auch unter dem Begriff "Animal Hoarding" bekannt - kam auf. Das Phänomen sei vergleichbar mit dem der "Messies", sagte eine Sprecherin des Deutschen Tierschutzbundes in Bonn. Betroffene schaffen sich immer mehr Tiere an, ohne sie ausreichend versorgen zu können.

Gegen die Frau aus Landshut hat das Landratsamt Landshut bereits ein Tierhaltungsverbot ausgesprochen. Dass es den Tieren nicht gut ging, will die Frau vor Gericht nicht einsehen. Vielmehr überzieht sie die Richter mit Befangenheitsanträgen. Mehrfach ziehen sich die Richter zur Beratung zurück; die Anträge werden verworfen. "Abweichende Rechtssichten des Gerichtes sind kein Befangenheitsgrund", argumentiert die Richterin. Da beginnt das Spiel von vorne. Die Klägerin stellt erneut Befangenheitsanträge. Drei Stunden vergehen auf diese Weise, ehe mit der eigentlichen Verhandlung begonnen werden kann.

Frau hat Dutzende Klagen im Köcher

"Ihre Verfahren sind so verworren, dass wir immer auf neue Gesichtspunkte stoßen", sagt die Richterin. Sie habe sich bereits Listen angelegt, um den Überblick zu behalten. Die Klägerin zieht immer wieder Schriftsätze aus ihren Akten, fordert Beweise. Sie will wissen, wann die Vögel vom Tierheim weiterverkauft wurden, wer die Kosten für die Unterbringung tragen muss und warum sie keine Prozesskostenhilfe bekommt.

Auch gegen die für sie anfallenden Kosten für die Unterbringung ihrer Kinder klagt die Frau, obwohl sie noch gar nicht konkret zu einer Zahlung aufgefordert worden war. Am Ende eines langen Prozesstages einigen sich die Beteiligten. Manche Klagen lässt die Frau fallen, andere werden für erledigt erklärt, aber vom Tisch ist die Sache noch lange nicht. Die Tierbesitzerin hat laut Gericht Dutzende Klagen am Laufen.

Quelle: Ute Wessels, dpa

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