Panorama

Trendhaustier Wolfshybrid Tierschützer warnen vor Wildnis auf dem Sofa

Raik ist einer von schätzungsweise bis zu 2000 Wolfshybriden in Deutschland.

Raik ist einer von schätzungsweise bis zu 2000 Wolfshybriden in Deutschland.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)

Wilde Haustiere haben in Deutschland Konjunktur. Ein Trend bleibt bisher weitgehend verborgen: Wolfshybriden. Experten schätzen, dass ihre Zahl zunimmt. Das bereitet ihnen Sorgen, da die Haltung der Tiere sehr anspruchsvoll ist. Ein Tierhalter widerspricht den Mahnern.

Der Rüde Raik ist scheu wie ein Wolf. Mit seinen düsteren gelben Augen und seiner spitzen Schnauze sieht er auch aus wie ein Wolf. Doch Raik ist ein "unechter" Wolf, ein sogenannter Wolfshybride, unter dessen Vorfahren vor wenigen Generationen ein Hund war. Gemeinsam mit der Fähe Ronja wohnt er seit knapp einem Jahr in dem als Auffangstation dienenden und fünf Hektar großen Alternativen Bärenpark im thüringischen Worbis. Die beiden Wolfsmischlinge stammten aus einer Privathaltung in Baden-Württemberg, sagt der Geschäftsführer des Bärenparks, Bernd Nonnenmacher. Der Wildtierexperte hilft den Tieren nach eigenen Angaben dabei, ihre natürlichen Instinkte wiederzuentdecken.

Fähe Ronja ist seit einem Jahr in der Auffangstation im thüringischen Worbis.

Fähe Ronja ist seit einem Jahr in der Auffangstation im thüringischen Worbis.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)

Spätestens seit der Wolf als Wappentier in der berühmten US-Serie "Game of Thrones" auftauchte, sind Wolfshybriden bei Hundehaltern gefragt. Wie viele der Mischlinge es in Deutschland gibt, weiß niemand so genau - Schätzungen gehen von 1000 bis 2000 Tieren aus. Es gebe eine weltweite Online-Gemeinde von Haltern, die sehr eingeschworen sei, sagt Nonnenmacher. In Deutschland gebe es nur wenige Züchter, viele Tiere würden aus Amerika oder vom Balkan importiert.

Hybriden sind Nachkommen von Eltern unterschiedlicher Arten. Bezogen auf Wolf-Hund-Mischlinge gilt die Bezeichnung jedoch als ungenau, da letztlich alle Hunderassen vom Wolf abstammen - sie sind nur unterschiedlich weit entfernt von dem Raubtier. In Deutschland gibt es nach Angaben der Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung (SGN) aus dem Jahr 2018 nur sehr wenige wild lebende Wolfshybriden. Das Institut ermittelte damals innerhalb der hiesigen Wolfspopulation eine Hybridisierungsrate von weniger als einem Prozent.

Wolfshybride sind extrem menschenscheu

Gezüchtete Wolf-Hund-Mischlinge zu halten, ist grundsätzlich erlaubt. Doch einige Experten warnen davor. Daniela Schrudde, inhaltliche Leiterin Tierschutzarbeit bei der Welttierschutzgesellschaft, erklärt: Die Tiere seien selbst für erfahrene Hundehalter sehr anspruchsvoll zu halten. Gerade Tiere mit hohem Wolfsanteil seien genauso menschenscheu wie Wölfe und reagierten deshalb oft sehr deutlich auf ungewohnte Reize. "Sie reagieren viel stärker auf alles, was sie nicht in ihrer frühen Prägungsphase als unbedrohlich erlebt haben." Was genau passiere, hänge vom jeweiligen Tier ab.

Zu einer besonderen Herausforderung wird die Haltung von Wolfshybriden zudem durch die komplexe soziale Struktur ihrer wölfischen Vorfahren. Anders als in der Natur könnten sich etwa zwei fremde Wolfshybriden, die nicht im gleichen Rudel aufwuchsen, in einem Gehege nicht aus dem Weg gehen, sagt Bernd Nonnenmacher. In einem solchen Fall sei es wahrscheinlich, dass sich die Tiere bis zum Tod bekämpfen, wenn sie sich nicht als Paar zusammenfinden. "Die Natur ist da nicht so emotional wie wir." Wenn Hybriden hingegen als Jungtiere im Rudel aufwachsen, könne dies funktionieren.

Bernd Nonnenmacher warnt davor die Haltung von Wolfshybriden zu unterschätzen.

Bernd Nonnenmacher warnt davor die Haltung von Wolfshybriden zu unterschätzen.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)

Ein Wolfshybrid als Haustier werde aber Hunde immer als Konkurrenz für sein Revier wahrnehmen und dadurch ständig zum Angriff provoziert, so Nonnenmacher weiter. Nicht umsonst habe es Jahrtausende gedauert, bis der Mensch den Hund gezähmt habe. "Das kann man jetzt nicht in zwei Jahren wieder rückgängig machen". Die Vorstellung, dass man sich die "Wildnis aufs Sofa" holen könne, hält der Wildtierexperte für unvereinbar mit der Wirklichkeit.

"Sie lieben ihre Menschen bedingungslos"

Anders sieht das der Wolfhund-Halter Christian Berge. Er lebt seit Jahren mit unterschiedlichen Wolfhund-Rassen in einem 50-Quadratmeter-Holzhaus mit Garten. Seiner Ansicht nach sind Wolfshybriden nicht schwerer zu halten als andere Hunde. Man müsse eben gewisse Voraussetzungen mitbringen, eine andere Einstellung zum Hund haben. "Wer einen gehorsamen Hund erwartet, ist schlicht falsch", sagt der ehemalige Rechtsanwalt. Wolfhunde seien sehr sensibel, weshalb schon kleinste Bewegungen sie verschrecken könnten. Er hat keinen Zweifel daran, dass diejenigen Wolfshybriden, die gezielt selektiert gezüchtet werden, Familienhunde sind. "Sie lieben ihre Menschen bedingungslos", sagt der 58-Jährige und verweist auf freundliche Tiere, die er an Familien mit Kindern abgegeben habe.

Aber auch wilde Wolfshunde, die der Natur entnommen wurden und später problemlos mit einem gegengeschlechtlichen Sozialpartner in einem Gehege zurechtkamen, seien ihm bekannt. "Man sollte ihnen immer die Möglichkeit lassen, im Haus zu sein oder draußen, so wie sie es wollen! Es ist wichtig, dass sie ausgeglichen sind und man nicht versucht, an ihnen rum zu manipulieren."

Aber was passiert, wenn ein Halter mit seinem Hauswolf überfordert ist? "Es gibt keine Lösung dafür. Null", stellt Bernd Nonnenmacher nüchtern fest. Auffangstationen für Wolfshybriden gebe es trotz großem Bedarf in Deutschland nur wenige. Und Tierheime seien nicht für Wolfshybriden geeignet. Prinzipiell könne es auch vorkommen, dass die Tiere im Wald ausgesetzt würden. Doch im Ergebnis laufe es immer auf das gleiche Ende hinaus: "Die Tiere landen schlussendlich oft unter der Spritze."

Quelle: ntv.de, Taylan Gökalp, dpa

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