Selten eine Kurzschlusshandlung Trennungen sind nichts für Feiglinge


Frauen gehen oft mit der Idee, ihr Leben neu zu gestalten.
(Foto: IMAGO/imagebroker)
Wenn es in der Partnerschaft anhaltend kriselt, könnte eine Trennung die Lösung sein. Doch Schlussmachen ist für viele gar nicht so einfach. Trennungscoach Torsten Geiling macht diese Erfahrung immer wieder und weigert sich, es seinen Klientinnen und Klienten zu leicht zu machen.
Seit vielen Jahren berät Torsten Geiling Menschen, die sich trennen wollen. Der systemische Coach und Kommunikationswissenschaftler trifft dann auf Frauen und Männer, die in ihren Beziehungen unglücklich sind, manchmal aber auch einfach nur unzufrieden oder gelangweilt. "Die Menschen, die zu mir kommen, haben meistens schon mehrere Monate oder zum Teil auch Jahre darüber nachgedacht, zu gehen", erzählt Geiling ntv.de.
Im Jahr 2022 dauerte eine Ehe dem Statistischen Bundesamt zufolge bis zur Scheidung im Schnitt 15,1 Jahre, rund 137.400 Ehen wurden in dem Jahr geschieden. Hinzu kommen die Trennungen von Paaren ohne Trauschein, die nicht statistisch erfasst werden.
Auch wenn die Entscheidung zur Trennung für manche überraschend kommen mag, ist es selten eine Kurzschlusshandlung. Trotzdem fällt es vielen schwer, den Schlussstrich zu ziehen. "Je länger man zusammen ist, umso mehr Verantwortung spürt man für dieses Leben, das man gemeinsam aufgebaut hat", ist Geilings Erfahrung. Das können gemeinsame Kinder sein, ein Haus oder eine Firma. Außerdem gebe es auch psychische Abhängigkeiten. "Wenn wir mit jemand anderem zusammenziehen, dann findet das ja nicht nur in der Realwelt statt, sondern der zieht auch bei uns ein Stück weit im Kopf ein und hinterlässt Spuren."
Auch wenn Filme, Bücher oder Songs das Bild vom ganz großen Glück zeichnen, arrangieren sich viele mit ihrem Unglück oder mit ihrer unerfüllten Beziehung, nicht zuletzt, weil sie Angst vor dem Neuanfang haben. Sie fühlen sich hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, nicht zu zerstören, was sie haben, und dem Bedürfnis, genau dieser Vertrautheit und Begrenzung zu entkommen. Am liebsten soll ein anderer die Entscheidung treffen, beispielsweise der Trennungschoach.
Trennungsgründe gibt es viele
Das verweigert Geiling. Er sei der Coaching-Experte, der oder die Trennungswillige die Experten für ihr eigenes Leben. "Viele warten darauf, dass ich ihnen sage, was sie tun sollen. Aber ich kann nur aus meiner Sicht sagen, wie ich die Sache sehe." Diesen Ansatz verfolgt er auch in seinem Buch "Ich will mich trennen". Viele scheuten sich, die Verantwortung für ihr Leben und ihre Beziehung zu übernehmen und bezahlten dafür mit unglücklichen Lebensjahren, so Geilings Erfahrung.
Das liegt auch daran, dass die Gründe, sich zu trennen, nicht immer klar zu fassen sind. In einer Umfrage fand die Partnervermittlung Elite Partner 2019 heraus, dass längere Affären, zu wenig Freiraum und mangelnde Hygiene die drei wichtigsten Trennungsgründe sind. Für manche reicht aber schon ein Seitensprung und andere ziehen die rote Linie erst bei Gewalt in der Beziehung. Für den 48-Jährigen gilt hingegen eine einfache Regel: "Wenn ich für mich beschließe, dass meine Gründe für eine Trennung ausreichen, dann ist das so."
Geiling hat schon viele Gründe gehört. Menschen haben die Hoffnung verloren, dass ihre Beziehung sich noch in die Richtung entwickelt, die sie sich wünschen. Andere haben keinerlei Kommunikation mehr, wieder andere haben das Gefühl, der Partner oder die Partnerin geht in eine völlig andere Richtung als sie selbst. "Vor einiger Zeit hatte ich einen Fall, in dem ein Mann gesagt hat, er tut sich schwer damit zu bleiben, obwohl er sich in vielen Punkten mit seiner Frau noch versteht. Aber er findet den Sex mit ihr seit 20 Jahren nicht gut und muss sich dann immer Fantasiegebilde zusammenbauen, damit er überhaupt zum Höhepunkt kommt."
Üben für den Ernstfall
Wie so oft in Partnerschaften wird deutlich, dass ohne gute Kommunikation keine Beziehung gelingen kann. Wer schon vorher nicht gut miteinander sprechen konnte, wird in der Trennungssituation vielleicht auch sprachlos sein. In diesen Fällen konzipiert Geiling mit seinen Klientinnen oder Klienten ein Trennungsgespräch, in dem sie den Wunsch nach einem Leben ohne den Partner oder die Partnerin ausdrücken können.
"Wir überlegen, wie der andere reagieren könnte, weil er vielleicht zusammenbricht oder ausfällig wird und mit Sachen um sich wirft. Wir fragen uns, wie ich darauf eingehen kann, und stellen uns das beste und das schlechteste Trennungsgespräch vor. Ich versuche ihnen das Handwerkszeug und eine Einstellung mitzugeben, mit der sie durch dieses Gespräch möglichst gut durchkommen." Niemand müsse sich rechtfertigen, das wolle der andere vermutlich ohnehin nicht hören. "Komm zurück zu deinem Punkt, wie eine hängende Schallplatte, und sage: Wir brauchen nicht über das Ob zu sprechen, wir können über das Wie sprechen. Wie wir die Trennung ausgestalten, wie schnell wir sie umsetzen, wie wir mit den Kindern reden." Manchmal müsse man die Nachricht auch einfach wirken lassen.
Geiling rät davon ab, zu sehr ins Detail zu gehen, wenn beispielsweise eine neue Beziehung der Trennungsgrund ist. Meist sei das nur unnötig verletzend. "Das Schlimmste ist aber, wenn man ins Wanken gerät und dann wieder zwei Schritte zurück macht." Im Buch berichtet er von einem Mann, der schon eine Freundin und mit ihr eine neue Wohnung hat. Die Beziehung mit seiner Ehefrau wollte er beenden. "In unserem Vorgespräch hat er gesagt, sie bricht bestimmt total zusammen und ich muss gucken, dass ich bei mir bleibe. Das hat sie aber nicht getan. Sie war sehr verständnisvoll und bat ihn zu überlegen, ob es denn nicht weitergehen könnte. Der Mann war davon so überwältigt, dass er gesagt hat, dann mache ich jetzt nicht Schluss, aber es steht im Raum und dann müssen wir noch mal reden."
Ein Ich, ein Du und ein Wir
Das passt zu der Beobachtung des Coachs, dass Männer sich ohnehin oft erst dann zur Trennung entschließen, wenn es ein Sprungbrett gibt, meist eine neue Beziehung. Es kann aber auch ein Job in einer anderen Stadt sein. Natürlich berate er auch Frauen, die schon eine Affäre oder einen anderen Partner haben. "Aber ich habe viel öfter Frauen, die sagen, ich habe noch keinen anderen. Keine Ahnung, ob ich wieder jemanden kennenlerne, aber mir ist diese Erkenntnis jetzt so wichtig, dass ich mein Leben neu gestalten möchte und mich neu finden möchte." Für die juristischen Fragen empfiehlt er zudem immer das Gespräch mit einem Scheidungsanwalt. Denn auch der monetäre Preis, den eine Trennung bedeutet, ist manchen nicht klar und eventuell auch zu hoch.
In der Beratung wird er nicht müde zu sagen, dass man sich in der Liebe nicht aufopfern muss. "Ich sollte mich ins Zentrum meines Lebens stellen und schauen, wer zu mir passt und ob mich derjenige dann auf meinem Weg ein Stück weit begleitet. Ich finde es immer gut, wenn es ein Wir gibt, aber neben dem Wir eben auch noch ein Ich und ein Du. Und diese beiden investieren in ein Wir, anstatt darin völlig aufzugehen. Das finde ich immer ungesund."
Um diese grundsätzlichen Fragen komme ohnehin kaum ein trennungswilliger Mensch herum. Denn der Wunsch nach Trennung sei auch immer ein Wunsch nach Veränderung. "Der einzige Mensch, über den wir Hoheit haben, dass er etwas verändert, sind wir selbst", sagt Geiling seinen Klientinnen und Klienten. "Was der Partner oder die Partnerin macht? Keine Ahnung. Wir können das in ruhiger Atmosphäre ansprechen. Aber wenn er oder sie sich nicht verändern will, dann habe ich keine Chance."
Geiling, der selbst in zweiter Ehe verheiratet ist, erinnert sich noch gut an das eigene Zögern, die erste Ehe zu beenden, an die Schuldgefühle, die Trauer und die Angst. Das sei der Punkt, um mit sich selbst ins Gericht zu gehen. "Wozu bin ich bereit? Bin ich bereit, mich mehr auf den anderen einzulassen und vielleicht noch mal einen Anlauf zu nehmen? Oder bin ich nicht dazu bereit und sage: Es passt alles nicht mehr. Dann sollte ich aber die Konsequenzen ziehen und die Beziehung beenden."
Quelle: ntv.de