Sardische Sonne für Trump-Gegner Ein-Euro-Häuser sollen frustrierte US-Wähler nach Italien locken
21.11.2024, 15:43 Uhr Artikel anhören
Geht es nach Bürgermeister Francesco Columbu, wimmelt es in Ollolai schon bald vor Trump-verdrossenen US-Expats.
(Foto: picture alliance / Udo Bernhart)
Der Bürgermeister eines verschlafenen Örtchens auf Sardinien will den Polit-Frust in den USA nutzen, um seinem Dorf neues Leben einzuhauchen, und lockt Trump-Verdrossene mit Ein-Euro-Häusern auf die Insel. Doch die vermeintlichen Schnäppchen haben einen Haken.
Viele Orte im ländlichen Italien kämpfen seit Jahren mit massivem Bevölkerungsrückgang - so auch Ollolai. Um dem Dorf auf der Mittelmeerinsel Sardinien wieder neues Leben einzuhauchen, setzt die lokale Regierung nun auf Trump-verdrossene US-Amerikanerinnen und US-Amerikaner. Um diese in das verschlafene Örtchen zu locken, werden renovierungsbedürftige Häuser in Ollolai seit Anfang November zu Spottpreisen verkauft. Das berichtet der US-Sender CNN.
Am 5. November, also am Tag der US-Wahl, richtete die Verwaltung von Ollolai eine Website ein, die sich an potenzielle US-amerikanische Auswanderinnen und Auswanderer richtet und mit Häusern und Wohnungen ab einem Euro wirbt: "Sind Sie von der Weltpolitik frustriert? Möchten Sie einen ausgeglicheneren Lebensstil führen und sich neue Chancen sichern? Dann ist es an der Zeit, Ihre Europaflucht im atemberaubenden Paradies Sardinien zu beginnen."
Bürgermeister Francesco Columbu erklärte gegenüber CNN, die Seite sei speziell erstellt worden, um im Zuge der US-Präsidentschaftswahlen frustrierte Wählerinnen und Wähler anzulocken: "Natürlich können wir nicht den Namen eines US-Präsidenten nennen, der gerade gewählt wurde. Aber wir alle wissen, dass er derjenige ist, von dem viele Amerikaner jetzt wegkommen und das Land verlassen wollen."
Frisches Blut fürs Dorf
Zwar könne man nicht verbieten, dass sich auch Menschen aus anderen Ländern bewerben, doch Columbu will sich vor allem auf Interessentinnen und Interessenten aus den USA konzentrieren: "Für Amerikaner wird es ein beschleunigtes Verfahren geben. Wir setzen darauf, dass sie uns helfen, das Dorf wiederzubeleben, sie sind unsere Trumpfkarte."
Laut Columbu biete Ollolai drei verschiedene Arten von Unterkünften an: kostenlose Übergangswohnungen für sogenannte digital nomads, renovierungsbedürftige Ein-Euro-Häuser und bezugsfertige Häuser für Preise von bis zu 100.000 Euro. Der Bürgermeister erklärte, interessierte Käufer würden bei jedem Schritt des Kaufs begleitet, von der Organisation von Besichtigungen bis hin zur Suche nach geeigneten Renovierungs- und Bauunternehmern sowie der Erledigung des erforderlichen Papierkrams. Zudem sollen schon bald Fotos und Grundrisse der verfügbaren Immobilien auf der Website hochgeladen werden.
Der Deal hat einen Haken
Die Bevölkerung Ollolais ist im vergangenen Jahrhundert von 2250 auf rund 1300 Einwohnerinnen und Einwohner gesunken, in den vergangenen Jahren schrumpfte sie auf nur noch rund 1150. Hinzu kommen eine extrem niedrige Geburtenrate und zunehmende Landflucht. Denn viele Familien zieht es auf der Suche nach Arbeit gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zunehmend in die Städte.
Um dem entgegenzuwirken, hatte das Dorf bereits in der Vergangenheit versucht, neue Einwohnerinnen und Einwohner mit Schnäppchenimmobilien anzulocken. Laut CNN hatte die Regierung 2018 damit angefangen, baufällige leere Wohnungen für einen Euro zu verkaufen, weiter ging es mit der Vermietung von leeren Arbeitsräumen für einen symbolischen Euro. Und seit letztem Jahr gibt es das Programm "Work from Ollolai" für Digital-Nomaden.
Bislang wurden im Rahmen des Programms vier Menschen aus den USA für einen Euro in voll ausgestatteten Wohnungen untergebracht. Im Gegenzug mussten sie etwas für die örtliche Gemeinschaft kreieren, etwa ein Kunstwerk oder ein Buch.
Doch das ist nicht die einzige Bedingung, an die der Deal mit den Ein-Euro-Immobilien geknüpft ist. Denn Käuferinnen und Käufer müssen sich dazu bereit erklären, die Häuser innerhalb von drei Jahren zu sanieren. Das kann Kosten in Höhe von 30.000 Euro oder mehr bedeuten.
Auch das Rathaus lässt sich die Kampagne einiges kosten, indem es Wohnungen von einheimischen Familien für die Fernarbeiter anmietet. Im Schnitt kostet eine Zweizimmerwohnung in Ollolai rund 350 Euro pro Monat. Auch die Nebenkosten, Rechnungen und Gemeindesteuern werden übernommen.
Die Wiederbelebungspläne laufen jedoch nicht so gut, wie es sich die lokalen Behörden erhofft hatten. Seit 2018 wurden insgesamt nur zehn Wohnungen für einen Euro verkauft und renoviert, verrät Columbu. "Das Dorf steht zur Hälfte leer, wir haben immer noch etwa 100 unbewohnte billige Wohnungen, die potenziell zum Verkauf stehen."
Es gibt allerdings einen Hoffnungsschimmer, wie Columbu erzählt. Denn die auf die frustrierten US-Wähler maßgeschneiderte Kampagne scheint Wirkung zu zeigen: Seit dem Launch der Website sei das Rathaus mit 38.000 Anfragen zu Immobilien überflutet worden, die hauptsächlich aus den Vereinigten Staaten kamen.
Vier-Jahres-Kreuzfahrt für Trump-Gegner
Obwohl Ollolai sich selbst als "Geburtsstätte des globalen Ein-Euro-Haus-Phänomens" bezeichnet, ist das sardische Dorf längst nicht der einzige Ort in Italien, der mit Immobilien zu Spottpreisen neue Bewohner aus dem Ausland anlocken will. Bereits 2017 warb beispielsweise die sizilianische Gemeinde Gangi mit Ferienhäusern für einen Euro.
Die Stadt Cammarata, ebenfalls auf Sizilien gelegen, ging 2019 sogar einen Schritt weiter und verschenkte leer stehende Häuser. Paaren mit Kindern versprach Bürgermeister Vincenzo Giambrone neben einem Gratis-Haus zudem eine Baby-Prämie in Höhe von 1000 Euro. Auch auf Sizilien mussten sich die Käufer dazu verpflichten, die Immobilien binnen drei Jahren zu sanieren. Hinzu kam eine Kaution in Höhe von 5000 Euro, die nach dem Abschluss der Arbeiten zurückgezahlt wurde.
Das sardische Ollolai bleibt allerdings vorerst die einzige Gemeinde, die sich mit ihrem Immobilien-Deal vorrangig an US-Amerikaner wendet - zumindest in Italien. Denn nach der Wiederwahl Trumps machte eine US-Reederei Schlagzeilen, die eine Vier-Jahres-Kreuzfahrt anbietet, um der Legislaturperiode des Republikaners zu entfliehen. Allerdings hat auch dieses Angebot einen Haken - die Preise für eine Einzelkabine beginnen bei umgerechnet 239.000 Euro.
Quelle: ntv.de, apr