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Nicht die andere Mutter Was man vom Umgang mit der Wickeltasche von Vätern lernen kann

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Väter haben oftmals einen anderen Zugang zu den anfallenden Aufgaben im Haushalt und der Kinderbetreuung.

Väter haben oftmals einen anderen Zugang zu den anfallenden Aufgaben im Haushalt und der Kinderbetreuung.

(Foto: picture alliance / photothek)

Ganz langsam wandelt sich die Verteilung der Kinderbetreuung in Familien. Immer mehr Väter nehmen mehrere Monate Elternzeit, manche sogar Jahre. Sie lösen Mütter damit phasenweise als Familienmanager ab. Eine Entlastung spüren viele Frauen dennoch nicht.

Familiencoach Mihaly Szöcs leitet alle zwei Wochen eine Vätergruppe in Köln. Dort spricht er auch über die mentale Belastung der Elternzeit. Viele der Väter hinterfragen das Pensum, das ihre Partnerinnen über Monate oder Jahre aufrechterhalten. Die Männer sind mit ihren Kindern dort unter sich. Es sei ein wichtiger Ort für einen Austausch, den die Väter sonst nirgendwo hätten, sagt Szöcs. "Sie sind in vielen Krabbelgruppen nur unter Müttern. Dort sind sie dann entweder der Hahn im Korb und werden für Kleinigkeiten bewundert oder sie werden misstrauisch beäugt." Eine Normalität sei oftmals schwer zu erreichen. "Bei mir im Vätertreff sind sie dann ganz entspannt. Sie haben irgendwie diese besondere Art, sich auszutauschen. Das ist keine Macho-Art, aber es ist entspannt unter Männern. Und ich glaube, das tut ihnen gut."

Diese Situation ist inzwischen für jeden dritten Vater Realität. Denn etwa so viele Männer nehmen Elternzeit, messbare Auswirkungen hat das allerdings kaum. Laut einer Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung von 2022 nehmen etwa 75 Prozent der Väter, die Elterngeld beziehen, nur zwei Monate Elternzeit in Anspruch und dies häufig zeitgleich mit der Mutter. Grund dafür dürfte die Verlängerung der staatlichen Zahlungen von 12 auf dann 14 Monate sein. Nur etwa jeder zehnte Vater nimmt mehr als zwei Monate Elternzeit.

Alleinige Verantwortung tragen Väter in dieser Zeit also selten. Daten einer aktuellen Bertelsmann-Studie zur Elternzeit zeigen, dass diese zwei Monate Elternzeit für die Unterbrechung der Berufstätigkeit von Müttern keinen Unterschied machen. Auch bei den Arbeitgebern der Väter werde diese Zeit von Kollegen und Vorgesetzten eher als längerer Urlaub wahrgenommen, so die Studie.

Gestresst sein oder nicht sein

"Mental Load" beschreibt die Summe aus Aufgaben auf einer unsichtbaren To-do-Liste im Kopf. Einkaufen, Wäsche waschen, Arzttermine vereinbaren, Geburtstagsgeschenke besorgen, Wochenenden planen, Besuche händeln. Die ständige Beanspruchung sorgt für Stress und das häufig bei Müttern. Denn die tragen laut einer Studie der University of Bath und Melbourne vom Dezember 2024 rund 71 Prozent der mentalen Aufgaben im Haushalt, während Väter nur 45 Prozent übernehmen.

Bei der Betreuung der Kinder zeigt sich ein zentraler Unterschied von Müttern und Vätern an einem ganz einfachen Beispiel, erklärt Elterncoach Szöcs im Gespräch mit ntv.de. "Mütter sind extrem gut darin, Wickeltaschen zu packen. Die vergessen fast nichts und haben einfach alles dabei." Bei Vätern sehe das anders aus. "Mit viel Übung", sei die Wickeltasche "vielleicht" irgendwann genauso gut gepackt. Den größten Unterschied sieht Szöcs in der "Es wird schon klappen"-Mentalität vieler Väter: "Es stresst Väter nicht, im Gegensatz zu Müttern, obwohl sie nicht dabei sind." Ein Punkt, der laut Szöcs immer wieder für Zündstoff in Elternbeziehungen sorgt.

Um diese Konflikte zu lösen, helfe nur eine gute Kommunikation. Dabei sollte nicht das Ziel sein, sich in allem einig zu werden. "Das ist die Herausforderung an der gemeinsamen Kindererziehung", sagt der Familiencoach. "Man muss eine hohe Toleranz entwickeln." Denn eine andere Herangehensweise sei nicht automatisch schlecht. Konkret empfiehlt er, sich die immer wieder anfallenden Aufgaben aufzuschreiben. So sei beiden Eltern klar, was gemacht werden müsse. "Man sollte keine Spezialgebiete entwickeln, sondern beide sollten sich in vielem sicher fühlen", sagt Mihaly Szöcs, der selbst Vater ist. In der Folge fühlen sich Kinder mit beiden Elternteilen wohl und haben keine feste Ansprechperson bei bestimmten Problemen. Das schafft Freiheit innerhalb der Beziehung und der Elternschaft.

Arbeitsboykott statt Elternteilzeit

Damit das gelingt, müssen Väter in die Elternzeit und das, obwohl sich Arbeit und Kinderbetreuung in vielen Berufen schlecht vereinen lassen. Fehlende Flexibilität von Arbeitgebern, traditionelle Rollenbilder in Unternehmen und finanzielle Hürden seien Gründe, warum Männern eine längere Elternzeit schwerfällt, kritisiert das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in einem Paper zu familienbewusster Personalpolitik. Neben diesen handfesten Gründen kann auch die gesellschaftliche Erwartung zum Problem werden.

"Diese Selbstverständlichkeit, mit der sich das Leben für die Männer eigentlich nicht verändert, wenn Kinder da sind", erzählte der ehemalige österreichische SPÖ-Politiker Michael Lindner vor einigen Wochen im Gespräch mit dem "Spiegel" über die Erkenntnis, die seine Sicht auf die eigene Vaterschaft fundamental verändert habe. "Für die Frau verändert sich alles, was ihre eigene Körperlichkeit betrifft, was ihre Nähe betrifft, ihren Freiraum, ihre Erwerbstätigkeit. Doch das Leben des Mannes geht im Großen und Ganzen eigentlich normal weiter", so Lindner. Er entscheidet sich im Dezember 2024, alle politischen Ämter niederzulegen und sich in Vollzeit um seine Söhne zu kümmern.

Die Entscheidung mag drastisch klingen, ist aber genau das, was viele Männer brauchen: ein Vorbild. Denn das Bild von Männern als Väter müsse neu gedacht werden, sagt Familiencoach Szöcs. "Ich sage den Vätern in meiner Gruppe oft, dass sie Vorbilder sind. Die lachen dann und finden das lustig, aber genau das sind sie." Denn diese Väter haben sich schon dafür entschieden, ihre Familie zumindest zeitweise vor ihre berufliche Laufbahn zu stellen.

Väter machen lassen

Dabei sind die Vorteile längst bewiesen. Eine Studie des RWI-Leibniz-Instituts von 2018 hat gezeigt, dass Väter mit Elternzeiterfahrung in den ersten sechs Lebensjahren des Kindes an Wochenenden täglich etwa 90 Minuten mehr mit ihren Kindern verbringen als Väter, die keine Elternzeit genommen haben. In den ersten zwei Lebensjahren bildet sich zudem das Urvertrauen aus. Sind Väter in dieser Zeit präsent im Leben ihrer Kinder, stärken sie die Bindung zu ihrem Nachwuchs nachhaltig. "Auch Unterschiede im Umgang mit dem Kind zwischen Mutter und Vater sind wichtig, so lernt das Kind, wie die Welt funktioniert", erklärt Mihaly Szöcs.

Nicht zuletzt wirkt sich diese Entlastung auf die Paarbeziehung positiv aus - wenn Mütter sie denn zulassen. Väter müssen Raum bekommen, ist der Experte überzeugt. "Ich nutze in meiner Arbeit als Coach gerne das Sprichwort: Wer die Verantwortung nimmt, hat sie auch. Wenn Mütter also in die Verantwortung gehen, müssen sie sie auch tragen und können nicht vom anderen erwarten, dass er es automatisch genauso macht", erklärt Szöcs ein häufiges Streitthema in den Familien, mit denen er arbeitet. Mütter müssen lernen loszulassen, wenn sie ihren eigenen "Mental Load" verringern wollen.

"In unserer modernen Gesellschaft gibt es einige Fallen, weil wir uns mit endlosen Themen und Dingen vollladen, die scheinbar wichtig sind", sagt Szöcs. Das führe dazu, dass der "Mental Load" immer extremer werde. Arbeit, Kind, Urlaub planen, Paarbeziehung, Haushalt. "Es gibt tausend Dinge, mit denen man sich in einen regelrechten 'Mental Load Burn-out' manövriert", so der Familiencoach. Er empfiehlt, einen Schritt zurückzutreten. "Man verpasst sonst den Moment, in dem man zusammen rausgehen kann als Familie und einfach mal genießt, gar nichts zu machen."

Quelle: ntv.de

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