Politik

Krise im Irak verschärft sich Al-Sadr-Anhänger stürmen Palast in Bagdad

Irakische Sicherheitskräfte hindern Demonstranten daran, in das Bundesgericht vorzudringen.

Irakische Sicherheitskräfte hindern Demonstranten daran, in das Bundesgericht vorzudringen.

(Foto: dpa)

Wirtschaftskrise, Inflation und Korruption setzen der politischen Stabilität im Irak heftig zu. Der Rückzug des schiitischen Geistlichen Muktada al-Sadr löst erneut heftige Proteste im Land aus. Das Militär verhängt eine Ausgangssperre.

Anhänger des einflussreichen Schiitenführers Muktada al-Sadr haben nach Augenzeugenberichten den Regierungspalast in Bagdad erstürmt. Zuvor hatte der 48 Jahre alte Geistliche seinen Rückzug aus der Politik erklärt. In dem Gebäude, in der eigentlich hoch gesicherten Grünen Zone, liegt unter anderem das Büro von Ministerpräsident Mustafa al-Kasimi. Damit spitzt sich die politische Krise im Irak weiter zu, nachdem Demonstranten vor einem Monat bereits in das Parlamentsgebäude eingedrungen waren.

Auch rund zehn Monate nach der Parlamentswahl können sich die Parteien weder auf einen Präsidenten noch einen Regierungschef einigen, während das Land unter einer Wirtschaftskrise, Inflation und Korruption ächzt. Bereits zum zweiten Mal seit 2014 kündigte Al-Sadr seinen Rückzug aus der Politik an. "Ich hatte beschlossen, mich nicht in politische Angelegenheiten einzumischen, aber jetzt kündige ich meinen endgültigen Ruhestand und die Schließung aller Einrichtungen an", twitterte er am Montag. Ausgenommen seien mit ihm direkt verbundene religiöse Einrichtungen. "Wenn ich sterbe oder getötet werde, bitte ich um eure Gebete."

"Eine Revolution des Volks"

Keine zwei Stunden nach der Ankündigung strömten Demonstranten in die Grüne Zone. Einige trugen Fotos Al-Sadrs. "Dies ist eine Revolution des Volks, keine Sadristen-Bewegung", riefen einige. Andere forderten den "Sturz des Regimes". Die Protestler beseitigten Barrieren, während Sicherheitskräfte versuchten, die Menge mit Wasserwerfern auseinanderzutreiben. Das Militär verhängte eine Ausgangssperre.

Die Belagerung des Palasts ging trotz der Ausgangssperre weiter. Videos zeigten eine jubelnde Menge in den edlen Räumen. Ein Demonstrant sagte, die Protestler würden durch Büros wandern, andere draußen in einem Swimmingpool schwimmen. Es werde dabei aber kein öffentliches Eigentum beschädigt. Sicherheitskräfte versuchten, die Protestler mit Rauchgranaten aus dem Palast zu treiben.

Regierungschef Al-Kasimi setzte alle Sitzungen des Kabinetts bis auf Weiteres aus. Er sprach von "gefährlichen Entwicklungen" und "ernsthaften Folgen anhaltender politischer Differenzen". Er forderte Al-Sadr auf, die Demonstranten zur Ordnung zu rufen. In Dhi Kar im Süden stürmten seine Anhänger ein Gebäude der Provinzregierung. Andere zündeten dort auf der Straße Autoreifen an.

Der Irak steckt seit Monaten in einer tiefen politischen Krise. Diese hatte sich nach der Parlamentswahl vor rund zehn Monaten immer weiter verschärft. Al-Sadrs Bewegung ging damals als klarer Sieger aus der Wahl hervor, konnte jedoch nicht die wichtige Zweidrittelmehrheit erreichen, die für die Präsidentenwahl erforderlich ist. Erst mit der Unterstützung des Staatschefs kann eine neue Regierung gebildet werden. Damit entstand eine politische Pattsituation. Al-Sadr hat damit vorerst seinen Versuch aufgegeben, das politische System im Irak mithilfe des Parlaments zu reformieren.

Die USA hatten nach dem Sturz von Langzeitdiktator Saddam Hussein ein Proporzsystem eingeführt, wonach der Präsident immer ein Kurde, der Ministerpräsident ein Schiit und der Parlamentspräsident ein Sunnit ist. Außerdem wollte Al-Sadr den Einfluss schiitischer Parteien zurückdrängen, die vom Iran unterstützt werden. Mit "Druck von der Straße" und einer Stürmung des Parlaments wollte die Al-Sadr-Bewegung schließlich verhindern, dass ihre politischen Gegner um Ex-Regierungschef Nuri al-Maliki, die eine große Nähe zum Iran haben, eine Regierung bilden können. Zuletzt hatte der 48 Jahre alte Religionsführer Neuwahlen gefordert. Seine Rivalen stellten unterdessen einen eigenen Kandidaten als Premier vor, den Al-Sadr wegen dessen Nähe zu Al-Maliki ablehnt.

Muktada al-Sadr entstammt einer Familie bedeutender Kleriker. Nach dem Einmarsch der US-Armee im Irak 2003 gründete er eine Miliz, die "Mahdi-Armee". Al-Sadr lebte zwischenzeitlich im Iran.

Quelle: ntv.de, mba/dpa

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